Meine blauäugige Pantherin. Kingsley Stevens

Meine blauäugige Pantherin - Kingsley Stevens


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nach ein paar Anfangswortgefechten im Besuchsraum zu Tyra. »Ich werde mich nicht über Sie aufregen, egal, was Sie tun. Sie sind meine Mandantin, und ich werde für Sie tun, was ich kann.« Geschäftsmäßig schlug sie eine Akte auf, die sie zuvor auf den Tisch gelegt hatte. »Ich habe mir das Protokoll der Polizei einmal angeschaut. Dort haben Sie ausgesagt, dass der Einbrecher den Mann niedergeschlagen hat, Sie dann dazugekommen sind und ihn vertrieben haben. Ist das korrekt?«

      Kurz starrte Tyra sie an, dann verschränkte sie die Arme. »Klar ist das korrekt. Glaubt nur keiner.«

      »Weil ein Nachbar die Polizei gerufen hat und Sie praktisch noch über den Mann gebeugt standen, als sie eintraf«, sagte Katharina. »Da haben die Beamten natürlich angenommen –«

      »Was sie immer annehmen, wenn sie mich sehen«, unterbrach Tyra sie höhnisch. »Dass ich das hinterher richtigstellen wollte, hat niemanden interessiert.«

      »Mich interessiert es«, betonte Katharina, suchte ihren Blick und hielt ihn fest. Sie ließ sich nicht von der Eiseskälte darin erschüttern. »Mich interessiert vielmehr die Frage: Was hatten Sie dort zu suchen?«

      Wieder lachte Tyra abschätzig. »Das haben die Bullen mich auch gefragt. Abendspaziergang haben sie leider nicht geglaubt.«

      »Und?«, fragte Katharina. »War es ein Abendspaziergang?«

      Sascha hätte nicht gedacht, dass Tyra antworten würde, aber irgendwie schien sie Frau Dr. Kesselbachs ruhige Art zu beeindrucken.

      »Na ja«, gab Tyra etwas widerstrebend zu. »Der Kerl hat eine ziemlich interessante Münzsammlung. Da könnte man schon ein paar Scheinchen rausschlagen . . .«

      »Hatten Sie Einbruchswerkzeug dabei?«, fragte Katharina.

      »Nee.« Tyra schüttelte den Kopf. »So weit war ich noch nicht.«

      »Sie haben die ganze Sache also erst einmal ausbaldowert, und ihr . . . Kollege ist Ihnen da zuvorgekommen?«

      Tyra nickte. »Aber es war wirklich so, wie ich gesagt habe. Ich habe einen Schrei gehört, bin über die Mauer, und da lag der Kerl schon auf dem Boden, und als ich mich zu ihm runterbeugte und sehen wollte, wie es ihm geht, zischte der andere Kerl zum Fenster raus. Mit der Münzsammlung, nehme ich an.« Ihre Stimme klang bedauernd.

      »Nein, nur mit einem Teil«, berichtigte Katharina. »Den Rest haben Sie dem Besitzer durch Ihr Auftauchen erhalten.«

      »Na, ist das nicht ein Glück«, kommentierte Tyra das hämisch.

      »Ja, das ist es.« Katharina nickte ernst. »Weil das nämlich zu Ihren Gunsten spricht. Wären Sie nicht gekommen, wäre alles weggewesen. Und glauben Sie mir, der Besitzer wird Ihr Eingreifen durchaus zu schätzen wissen. Wenn er erst einmal glaubt, dass nicht Sie es waren, die ihn niedergeschlagen hat.«

      »Ich bringe keine Leute um, wenn ich es vermeiden kann«, bemerkte Tyra sarkastisch.

      Eine Weile musterte Katharina sie, sagte jedoch nichts dazu. »Man hat keine Fingerabdrücke von Ihnen am Safe gefunden«, fasste sie stattdessen weiter die Tatsachen zusammen. »Die Beamten haben angenommen, dass Sie Handschuhe getragen hätten, aber die haben sie nicht bei Ihnen gefunden.«

      »Weil ich keine hatte«, sagte Tyra. »Ich hatte ja nicht vorgehabt –«

      »Klar«, unterbrach Katharina sie. »Da die Beamten Sie direkt über den Besitzer der Münzsammlung gebeugt vorgefunden haben, ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass Sie die Handschuhe zwischendurch wegwerfen konnten. Das spricht für Sie.«

      »Das ist aber auch das einzige«, sagte Tyra. »Wenn überhaupt. Davon will doch niemand was wissen.«

      »Das müssen sie«, sagte Katharina. »Es gibt nur Indizien, keine Beweise. Und Indizienprozesse kann man immer gewinnen.« Sie lächelte leicht.

      »Sie sind gar nicht so dumm, wie Sie aussehen«, meinte Tyra anerkennend.

      »Tyr!« Sascha fuhr auf. »Frau Dr. Kesselbach ist deine Anwältin. Die einzige, die überhaupt ein Interesse daran hat, diesen Prozess für dich zu gewinnen. Willst du sie auch noch verlieren?«

      »Lassen Sie nur«, sagte Katharina, packte ihre Akten in ihre Aktentasche und stand auf. »Ich weiß, was ich wissen musste. Denn warum ich überhaupt hergekommen bin«, sie schaute Tyra mit einem durchdringenden Blick an, »ist zu erfahren, ob Sie unschuldig sind. Wenn Sie es nicht wären, würde ich Sie nämlich nicht verteidigen und das Mandat jetzt niederlegen.«

      »Und das tun Sie nicht?«, fragte Tyra erstaunt. »Wo Sie wissen, dass ich da einbrechen wollte?«

      »Aber nicht zu diesem Zeitpunkt«, sagte Katharina. »Und Sie haben den Mann auch nicht niedergeschlagen. Was Sie vielleicht morgen oder übermorgen getan hätten, interessiert hier nicht. Hier interessieren nur die Tatsachen. Und die sprechen für Sie.«

      »Unschuldig bin ich aber auch nicht«, sagte Tyra.

      »Vor Gericht wird nur über die Anklage entschieden, über diesen einen Tatbestand, dessen Sie angeklagt sind. Und da sind Sie unschuldig«, sagte Katharina. »Ein allgemeines Urteil über Schuld oder Unschuld einer Person wird nicht verlangt. Vor Gericht nicht und von mir nicht.« Sie nickte Tyra zu. »Ich werde mich melden, wenn ich noch etwas wissen muss. Ansonsten sehen wir uns vor Gericht.«

      13

      »Im Namen des Volkes: Die Angeklagte wird freigesprochen.«

      Laut atmete Sascha auf. »Na, das war eine schwere Geburt!«

      »Wenn ich das gewusst hätte, als Sie vor ein paar Wochen zu mir kamen«, seufzte Katharina, die ihre Akten vom Verteidigertisch nahm und sie wegsteckte, »hätte ich mir die Sache vielleicht noch einmal überlegt.«

      »Hätten Sie nicht.« Sascha schmunzelte. »Sie hatten Bedenken, aber es hat Sie von Anfang an gereizt.«

      Katharinas Mundwinkel zuckten. »Ja«, gab sie zu. »Ihretwegen. Sie waren so engagiert, so eifrig. Und ich habe mich gefragt, warum.«

      »Ich wollte, dass sie frei ist.« Sascha warf einen Blick auf den leeren Platz im Gerichtssaal, auf dem Tyra eben noch gesessen hatte. Sie war von den Beamten bereits wieder abgeführt worden. Oder eher: begleitet, denn schließlich hatte der Richter ihren Freispruch verkündet. Sie holte nur noch ihre Sachen aus dem Gefängnis.

      »Hmhm«, erwiderte Katharina und schaute Sascha an.

      Die letzten drei Wochen waren nicht einfach gewesen. Und das hatte nicht an Tyra gelegen. Die hatte sich gar nicht mehr eingemischt, als sie merkte, dass Katharina alles im Griff hatte.

      Nein, das Problem war Sascha. Sascha war verliebt in Tyra, das merkte Katharina ganz deutlich. Und es machte ihr Sorge.

      »Das war alles, was ich wollte«, beharrte Sascha jetzt so trotzig auf ihrer Aussage, als hätte Katharina etwas dagegen gesagt. »Sie denken wahrscheinlich, es geht mir nur ums Geld. Dass ich mit den ganzen Reportagen gut verdienen wollte und jetzt vielleicht noch«, sie rollte die Augen, »ein Buch darüber schreibe.«

      »Über einen kleinen Einbruch, der noch nicht einmal einer war?« Katharina schüttelte schmunzelnd den Kopf. »Das würde wohl niemand kaufen.«

      »Eben«, sagte Sascha. »Ist ja auch nicht interessant. Aber ein Buch über Tyra . . .« Sie blickte wieder auf den leeren Platz, als ob Tyra dort noch säße, und ihre Augen glänzten geradezu.

      »Ist genauso wenig interessant«, behauptete Katharina. »Ich glaube nicht, dass jeder Frau Horvath so sieht wie Sie.«

      »Sie ist . . . Sie hat nur nie eine Chance gehabt«, brachte Sascha wieder ihre bekannte Argumentation vor, die schon Harry nicht überzeugt hatte.

      »Es gibt Chancen und Chancen«, sagte Katharina. »Eine Chance zum Beispiel ist das Leben an sich. Jeder bekommt es ohne jede Bedingung geschenkt. Was er dann daraus macht, ist seine Sache.« Sie nahm ihre Aktentasche und ging zum Gerichtssaal hinaus.

      Sascha kam ihr nach. »Manche haben aber


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