Der letzte Admiral 3: Dreigestirn. Dirk van den Boom
Fantasie eines Menschen gehalten, der zu viel Zeit damit verbrachte, sich absurde Dinge auszudenken, anstatt einer sinnvollen und produktiven Tätigkeit nachzugehen.
»Die Frage, die sich uns nach alledem stellt«, sagte Sia zum Schluss in die atemlose Stille hinein, die auf das Ende ihrer Erzählung folgte, »ist also in der Tat, wer der Feind ist und was wir jetzt damit anfangen.«
»Beide sind es.« Dalia sprach mit fester Stimme. Sie schien zu dem Schluss gekommen zu sein, dass Sias abenteuerliche Schilderungen der Wahrheit entsprachen, oder zumindest nur leichte Übertreibungen enthielten. Die Tatsache, dass Cenn mit den Ereignissen ebenfalls im Reinen zu sein schien, half offenbar, Sias Darlegung Glaubwürdigkeit zu verleihen. Auch die anderen Alten, die Skrutinatoren, erhoben zumindest bis jetzt keine Einwände.
»Beide sind der Feind, nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten und für unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Welten«, sagte sie dann. »Die Frage ist also eher, wen man wann aus welchen Gründen bekämpfen will und ob man die notwendigen Mittel dafür hat.«
»Armando Lekish hat diese Frage damals eindeutig für sich beantwortet«, murmelte Cenn etwas gedankenverloren.
»Armando Lekish?«, echote Sia. Auch Ryk war aufmerksam geworden. Er hatte den Namen schon einmal gehört, aber wie immer war das Erinnerungsvermögen seiner Gefährtin besser als das seine.
»Du kennst diesen Namen, mein Kind?«
»Er wurde mir gegenüber erwähnt, von einem sehr alten Mann namens Willie.«
»Der, von dem du gerade erzählst hast?«
»Genau der. Wer ist Armando Lekish?«
Cenn zuckte mit den Schultern, eine Regung, die von einem unangenehmen, knackenden Laut begleitet wurde, der Ryk unwillkürlich zusammenzucken ließ.
»Der Gründer von Kryv. Er ist seit langer Zeit tot, aber seine Nachfahren handeln in seinem Sinne. Für sie und die übrigen Apostel ist der Feind eindeutig der Hive und nicht das Dreigestirn und das, wofür es steht. Ob er selbst genauso gedacht hat, weiß ich gar nicht, aber seine Nachfolger tun es ohne Zweifel.«
Jetzt saßen sie alle kerzengerade, sogar Momo war zusammengezuckt.
»Die Apostel?«, echote Uruhard. »Die Herren von Kryv nennen sich Apostel?«
»Das stimmt.« Cenn sah Uruhard fragend an, der plötzlich blass wirkte. »Die Apostel sind auf Terra bekannt?«
»Nun«, erwiderte der Mann leise, »ich hoffe, dass es ist wie bei den Hybriden: dass auf Terra die Dinge weitaus weniger schlimm sind als hier und dass die gleichen Begriffe nicht notwendigerweise die gleichen Inhalte haben.«
»Wie meinst du das?«
»Ich gehöre zu den Aposteln.« Es gab einen seltsamen, zischenden Laut, als mehrere Anwesende gleichzeitig scharf Luft holten, wie die Warnung einer Schlange, die bereit war zum Angriff. Uruhard hob sogleich abwehrend die Hände. »Wir salben niemanden, haben keine Stadt gegründet, führen keine Operationen durch und bringen keinen um. Wir sind – auf der Erde – eine Gruppe von Gelehrten oder solchen, die sich dafür halten, auf der Suche nach alten Artefakten und Hinterlassenschaften der Vergangenheit, die gemeinsam den Traum verfolgen, Admiral Rothbards Ruhestätte zu finden. Nein, nicht einmal das. Einige von uns halten diese Idee für ausgesprochen dumm. Aber so sind wir entstanden und deswegen bin ich hier. Das ist alles.« Er sah Sia an. »Ich kenne keinen Armando Lekish. Willie hat ihn erwähnt?«
»Willie nannte den Namen.«
»Dann sind die Apostel ursprünglich mehr gewesen als das, was sie jetzt sind, zumindest auf Terra.« Erneut hob Uruhard die Arme und zeigte seine leeren Handflächen. »Sie mögen in Kryv den gleichen Namen tragen, aber das ist es dann auch schon. Ich habe mit so was nichts zu tun. Ich lehne alles ab, was die ehrenwerte Cenn uns gerade an entsetzlichen Praktiken geschildert hat.«
Cenn nickte. »Ich glaube dir. Wir wollen uns alle nicht weiter aufregen. Aber wenn euer aller Ziel ist, den Hive zu besiegen und die Erde zu befreien, dann sollte jemand unseren Freunden zeigen, wie wir hier leben.« Sie winkte und jemand eilte an ihre Seite, um der alten Dame zu helfen, sich zu erheben. Erneut wurde das singende Geräusch hörbar.
Es machte Ryk betroffen. Würde Sia eines Tages auch so enden? Er wollte es sich nicht vorstellen, aber er hatte sowieso seine Probleme, sich sie beide als alte Menschen vorzustellen. Ryk war weiterhin der tiefen Überzeugung, jung zu sterben. Dafür gab es ja bestimmt auch noch die eine oder andere Chance.
Dalia erhob sich gleichfalls. Sie verbarg ein Gähnen hinter einer Hand, wirkte aber sonst nicht, als müsse sie sofort ins Bett gehen. Sie lächelte den vier aufmunternd zu. »Cenn meinte, jemand soll euch unser Leben zeigen. Kommt mit, ich übernehme diese Aufgabe gern. Ich zeige euch das Dorf und dann könnt ihr besprechen, wie ihr weiter vorgehen wollt – und ob überhaupt.«
Der letzte Nachsatz deutete bereits an, was die junge Frau von ihren Absichten hielt.
Wer wollte es ihr verübeln?
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