Sportökonomik in 60 Minuten. Tim Pawlowski

Sportökonomik in 60 Minuten - Tim Pawlowski


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2011; Hickel, 2002; Horch, 1999). Zugleich liefert ein Teil dieser Besonderheiten die Begründung für die zahlreichen (staatlichen) Interventionen im Sport.

      Nicht zuletzt aufgrund der Aktualität des Themas bietet es sich an, mit den Zielen von Profisportvereinen zu beginnen. In jedem Einführungsbuch zur VWL wird angenommen, dass Unternehmen ihren Gewinn maximieren. Sloane (1969; 1971) argumentierte als Erster, dass europäische Fußballclubs dagegen eher ihren sportlichen Erfolg maximieren. Diese Ausgangsüberlegung findet sich folglich in vielen theoretischen Modellen wieder, in denen Ligen mit sieg- und gewinnmaximierenden Teams verglichen werden (z.B. Késenne, 1996; 2004; Fort & Quirk, 1995). Klassischer Weise wird dabei in sportökonomischen Überlegungen angenommen, dass Teams in den nordamerikanischen Profiligen (MLB, NBA, NFL, NHL) eher gewinnorientiert agieren, während Teams in den europäischen Profiligen eher ihren sportlichen Erfolg – unter der Nebenbedingung eines (Null-)Gewinns – maximieren. Allerdings ist durchaus kritisch zu hinterfragen, inwiefern Teams in den nordamerikanischen Profiligen tatsächlich gewinnorientiert agieren. Beispielsweise verzeichnete die NBA im Jahr 2010 einen Verlust von rund 215 Mio. Euro (Sportinformationsdienst, 2010). Auch die (Null-)Gewinn-Bedingung ist in Anbetracht der enormen Verbindlichkeiten, die insbesondere im europäischen Profifußball angehäuft wurden, fraglich. Noch 2012 waren beispielsweise die Clubs der spanischen La Liga und der englischen Premier League zusammen mit mehreren Milliarden Euros verschuldet. Auch in anderen europäischen Profifußballligen hatten sich Verbindlichkeiten in Milliardenhöhe angehäuft – nicht zuletzt ein Grund für die Einführung des Finanziellen Fairplay (FFP)-Reglements durch die UEFA (Fahrner, 2014).

      Neben den Zielen von Profisportvereinen weist auch das Produkt des professionellen Sports einige Besonderheiten auf. So gilt die Unsicherheit über den Ausgang eines Spiels oder einer Saison als ein wesentlicher nutzenstiftender Parameter für die Stadion- und Fernsehzuschauer. Es waren Rottenberg (1956) und Neale (1964), die vor diesem Hintergrund die sogenannte Unsicherheitshypothese begründeten. Obgleich bisher nur unzureichend empirisch validiert, dient die Unsicherheitshypothese als Rechtfertigungsgrund für zahlreiche Regulierungsmaßnahmen im Profisport. Beispielsweise existieren in den nordamerikanischen Ligen Gehaltsobergrenzen (Salary Caps), Nachwuchsrekrutierungs-Regeln (Entry Draft) und Einnahmenumverteilungs-Regeln (Revenue Sharing). Letztgenannte Regulierung findet sich auch in den meisten europäischen Profisportligen, wenn etwa die Medienrechte in Deutschland zentral durch die Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) vermarket und dabei erzielte Einnahmen jährlich nach bestimmten Verteilungsschlüsseln an die 36 Profivereine der Fußball Bundesliga und 2. Bundesliga ausgeschüttet werden. All diese Regulierungsmaßnahmen dienen der Aufrechterhaltung einer gewissen Wettbewerbsintensität zwischen den teilnehmenden Teams und somit der Gewährleistung der Unsicherheit über den Ausgang eines Spiels oder einer Saison.

      Die „besonderen“ Ziele der Profisportvereine und die Bedeutung der Unsicherheit über den sportlichen Ausgang gehen mit einem scheinbar widersprüchlichen Verhalten der handelnden Akteure im professionellen Sport einher. Einerseits konkurrieren die Vereine um knappe Ressourcen wie Spieler, Trainer oder finanzielle Mittel. Zum anderen kooperieren sie beispielsweise bei der gemeinsamen Vermarktung der Medienrechte, um durch die Einnahmenumverteilung eine größtmögliche Unsicherheit aufrechtzuerhalten. Dieses Phänomen wird Kooperenz genannt und wurde von Neale (1964, S.2) mit der Maxime umschrieben: „Oh Lord, make us good, but not that good“.1

      Während die Bedeutung der Unsicherheit über den sportlichen Ausgang als Rechtfertigung für die zahlreichen Regulierungsmaßnahmen im Spitzensport dienen, sind es so genannte externe Effekte und öffentliche Guts-Eigenschaften, die zur Rechtfertigung der staatlichen Spitzensportförderung herangezogen werden. Unter einem externen Effekt wird im Allgemeinen die Auswirkung einer Handlung auf unbeteiligte Dritte verstanden (Mankiw & Taylor, 2008). Die dem Spitzensport zugeschriebenen (positiven) externen Effekte können in Anlehnung an Langer (2006) als Prestigewert und Wachstumsexternalitäten umschrieben werden. Beispielsweise können sportliche Erfolge von Sportlern ebenso wie die Austragung von Sportevents das Zusammengehörigkeitsgefühl auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene fördern. Ebenfalls ist denkbar, dass die Ausrichtung von Sportgroßevents zu positiven Wachstumsimpulsen innerhalb der jeweiligen Volkswirtschaft führen. Aufgrund der Identitätsstiftung und Repräsentationswirkung wird Spitzensport häufig auch als öffentliches Gut charakterisiert, da niemand vom Konsum ausgeschlossen werden kann und der Konsumnutzen eines jeden zusätzlichen Nachfragers nicht kleiner wird. Übersetzt bedeutet das: Jeder hat beispielsweise die Möglichkeit, sich über Sportereignisse zu informieren und Stolz für die sportlichen Erfolge der Athleten, z.B. bei Olympischen Spielen, zu empfinden. Zugleich ist das Ausmaß des persönlichen Empfindens von Stolz unabhängig von der Anzahl an Mitkonsumenten. Generell werden öffentliche Güter aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht oder nur in unzureichendem Umfang am Markt angeboten. Dieses Angebotsversagen erklärt, warum der Staat im Allgemeinen die Bereitstellung von öffentlichen Gütern fördert.

      Externe Effekte werden ebenfalls zur Rechtfertigung der staatlichen Förderung im Breiten- und Freizeitsport herangezogen. Beispielsweise wird argumentiert, dass körperliche Aktivität gesundheitsfördernde Effekte hat und eine sportlich aktive Bevölkerung maßgeblich zur Reduzierung der Gesundheitskosten beitragen kann. Darüber hinaus beschreibt Langer (2006) zahlreiche sozio-edukatorische Werte des (in Sportvereinen) organisierten Sports, wie Sozialisation, Entfaltung der Persönlichkeit, Aufbau von sozialen Beziehungen und Sozialkapital oder Integration verschiedener Bevölkerungsgruppen und -schichten. All diese Effekte hätten in aggregierter Form positive Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Volkswirtschaft. Dieser (externe) Nutzen wird allerdings nicht im Entscheidungskalkül der Einzelnen berücksichtigt. Insofern ist zu erwarten, dass nicht alle Individuen im (gesellschaftlich) wünschenswerten Umfang körperlich aktiv sind oder sich in Sportvereinen engagieren. Derartiges Nachfrageversagen ist die Eigenschaft sogenannter meritorischer Güter und entsprechend eine Rechtfertigung dafür, dass der Staat beispielsweise Sportvereine subventioniert, um die Nachfrage nach körperlicher Aktivität und Engagement in Sportvereinen mit einem niedrigen Preis „anzukurbeln“.

      Wie die Unsicherheitshypothese sind jedoch auch die (externen) Effekte des Spitzensports und des Breiten- und Freizeitsports bisher nicht ausreichend empirisch validiert. Daher argumentiert Daumann (2011), dass sich die staatliche Förderung des Sports nur schlecht mit den externen Effekten und den öffentlichen oder meritorischen Guts-Eigenschaften rechtfertigen lässt.

      Neben den zuvor diskutierten Besonderheiten werden von Heinemann (1998) und Daumann (2011) noch weitere Aspekte erläutert. Viele dieser Besonderheiten treffen jedoch auch auf andere Dienstleistungen zu, sodass auf eine weitere Erläuterung an dieser Stelle verzichtet wird. Nicht nur aufgrund der hier skizzierten einzelnen Besonderheiten, sondern insbesondere aufgrund des komplexen Zusammenwirkens zahlreicher Besonderheiten ist eine gesonderte und modifizierte ökonomische Analyse des Sports erforderlich.

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