Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Chefarzt Dr. Norden Staffel 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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kurz ab. Sonst wäre er womöglich auch noch in Tränen ausgebrochen.

      »Ich muss jetzt leider in die Praxis«, sagte er heiser. »Soll ich dich in Klinik bringen? Dort warten bestimmt noch mehr Angehörige auf ihre Lieben.«

      Tatjana dachte kurz nach. Dann schüttelte sie den Kopf.

      »Nein, danke. Ich gehe arbeiten. Das ist immer noch das beste Mittel gegen Herzschmerz.« Sie drehte sich um und sah Danny an. Täuschte er sich oder waren ihre Augen an diesem Morgen noch größer, noch blauer als sonst? »Nimmst du mich mit?«

      Statt einer Antwort schloss er sie in die Arme und gab ihr einen verzweifelten Kuss.

      *

      »Nein, Erik, es ist eine reine Vorsichtsmaßnahme.« Schwester Elena saß im Dienstzimmer der Quarantänestation und hielt den Hörer ein Stück vom Ohr weg. Eine männliche Stimme hallte durch den Raum. Sie wartete, bis sie verstummte. »Natürlich melde ich mich bei dir, sobald ich etwas Neues weiß.« Sie sah hinüber zu Dr. Lammers, der gerade ins Zimmer kam. »Jetzt reg’ dich doch bitte nicht so auf. Ich bin doch nicht erst seit gestern Krankenschwester. Das hier ist nicht die erste kritische Situation, in die ich gerate. Und bisher ist doch auch immer alles gut gegangen.« Sie lauschte in den Apparat und nickte. »Ja, ich liebe dich auch. Kuss.« Seufzend legte sie den Hörer auf.

      »Ein Glück, dass ich keine Familie am Hals habe«, bemerkte der Kollege Lammers. »Diese ständigen Rechtfertigungen würden mir gehörig auf die Nerven gehen.«

      »Ach, so schlimm ist es gar nicht. Nur manchmal ein bisschen anstrengend.«

      Elena ging hinüber zur Küchenzeile und schenkte sich Kaffee ein. Sie hielt Lammers die Tasse hin. »Auch einen?«

      Dankend nahm er sie an.

      »Mir ist es trotzdem lieber so.« Er nippte am Kaffee. Schwarz wie seine Seele und genauso bitter. »Ärgerlich nur, dass ich jetzt zum Nichtstun verdammt bin.«

      Elena erinnerte sich an die Szene auf dem Flur.

      »Nehmen Sie es nicht persönlich. Fee hat Angst um ihren Enkel und fühlt sich schuldig.«

      »Ein Grund mehr, sich keine Familie anzuschaffen.«

      »Sie wissen doch, dass sie in letzter Zeit eine Menge durchgemacht hat. Der Herzinfarkt hat ihr ganz schön lange zu schaffen gemacht.«

      »Was soll das? Soll ich jetzt auch noch Mitleid haben? Meinetwegen kann sie gern aufhören zu arbeiten. Ich brauche sie hier nicht.« Der Rest seines Satzes schwebte noch in der Luft, als Fee um die Ecke bog.

      Elena hielt die Luft an. Aber ihre Freundin und Kollegin zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie war mit den Gedanken woanders.

      »Na, wie ist es um Ihre Zauberkräfte bestellt?«, fragte Volker. »Ist der Bengel schon gesund?«

      Fee schüttelte den Kopf.

      »Ihm ist übel und er hat offenbar Ohrenschmerzen. Außerdem ist seine Atmung unregelmäßig.«

      »Wenn ich nicht irre, sind das alles Symptome einer H1N1-Infektion.«

      Fee fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.

      »Ich werde das schon in den Griff bekommen. Im Augenblick ist Schwester Gesine bei ihm.«

      Elena musterte ihre Freundin mit schief gelegtem Kopf. Sie trat zu ihr, legte die Hand auf die rechte Wange.

      »Du liebe Zeit! Du hast ja Fieber.«

      Felicitas trat einen Schritt zur Seite. Die Hand ihrer Freundin fiel ins Leere.

      »Ich muss mich nur ein bisschen ausruhen.«

      Das Telefon klingelte. Volker ging dran.

      »Dr. Lammers!«, hauchte Schwester Gesine an seinem Ohr. »Fynns Atmung ist insuffizient.«

      »Ich komme!« Lammers stürmte los.

      Felicitas und Elena sahen sich an. Sie dachten dasselbe und folgten ihm.

      *

      Dr. Matthias Weigand saß im Labor und starrte durch das Okular eines Mikroskops. Neben ihm standen – aufgereiht wie Soldaten – Glasröhrchen in einem Ständer. Er blickte nicht auf, als Christine Lekutat zu ihm trat.

      »Was treiben Sie denn da?« Sie steckte ein Stück Schokolade in den Mund und leckte sich die Finger ab.

      Matthias richtete sich auf. Er lockerte die schmerzenden Schultern, rieb sich die Tränen aus den Augen.

      »Ich mache einen Schnelltest mit einem Abstrich der Rachenviren. Diese Diagnostik hat sich als sehr hilfreich erwiesen, da ein positiver Schnelltest eine hohe Aussagekraft besitzt. Dummerweise kann ich bei Frau Johannson keine Influenzaviren nachweisen.«

      »Negative Tests schließen eine Influenza nicht aus. Das lernen schon die Studenten an der Uni.« Die Lekutat zwinkerte ihrem Kollegen zu. »Oder haben Sie diese Vorlesung geschwänzt?«

      »Natürlich nicht.« Nie im Leben hätte Matthias seiner Kollegin die Wahrheit gesagt. »Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als das Ergebnis des mikrobiologischen Instituts abzuwarten.« Er rollte mit dem Hocker zurück und stand auf. »Wie geht es der Patientin?«

      Ein schrilles Geräusch zerriss die Luft. Die Lekutat zog den Pieps vom Gürtel.

      »Nicht sehr gut, wenn Sie mich fragen.« Sie wetzte los, so schnell es ihre kurzen, dicken Beine erlaubten. Das hatte sie nun davon, dass weder Kekse noch Gummibärchen oder Schokolade vor ihr sicher waren, ging es Matthias durch den Kopf, als er ihr folgte. Der Alarm des Überwachungsmonitors kreischte bis auf den Flur hinaus.

      Silje lag im Bett und warf den Kopf hin und her. Sie hatte die Augen geschlossen und rang nach Luft. Wie versteinert stand ihr Verlobter da und starrte sie an.

      Dr. Lekutat schob Niko zur Seite.

      »Frau Johannson, können Sie mich hören?« Sie klopfte auf Siljes Wangen.

      Das ziehende Geräusch ihres Atems jagte Niko einen Schauer über den Rücken.

      »Was ist mit ihr?«, fragte er heiser.

      »Nichts für ungut. Aber wir können jetzt keine Cheerleader brauchen«, schnauzte Christine ihn an.

      »Bitte gehen Sie in die Ecke, Herr Arzfeld«, verlangte auch Dr. Weigand.

      Er trat an den Monitor.

      »Blutdruck systolisch unter 100.«

      Inzwischen hatte Dr. Lekutat das Stethoskop gezückt.

      »Deutliche Atemgeräusche. Beide Lungenflügel sind betroffen. Für mich klingt das nach einer atypischen Pneumonie.«

      »Was sagt die Serologie?«

      »Nichts«, erwiderte Schwester Camilla aus dem Hintergrund. »Die Sachen sind noch im Labor.«

      »Zeigen Sie mal her!« Dr. Weigand deutete auf das Tablet in ihren Händen. Während er sich durch die Seiten klickte, verabreichte Dr. Lekutat der Patientin ein Beruhigungsmittel. »Das hier sind die durchgeführten Tests?«, erkundigte er sich bei Schwester Camilla.

      »Ja.« Sie tippte mit der Fingerspitze auf die rechte Seite des Bildschirms. »Und hier drüben sind die möglichen Erreger aufgelistet. Pneumokokken wurden ausgeschlossen.«

      Dr. Lekutat raschelte und klapperte im Hintergrund. Matthias Weigand dagegen starrte auf das Tablet. Seine bewegte Miene verriet, dass er nachdachte.

      »Das ist der Beweis! Eine Lungenentzündung ist eine der häufigsten Komplikationen einer Schweinegrippe«, murmelte er schließlich. Egal, wie er es drehte und wendete: Er kam zu keinem anderen Schluss.

      An der Krankenzimmertür klopfte es drei Mal. Schwester Camilla öffnete und kehrte mit einem braunen Umschlag zurück.

      »Das Ergebnis aus dem mikrobiologischen Institut ist da.«

      Matthias nahm ihr das Kuvert aus


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