30 Minuten Motivation. Reinhard K. Sprenger
1. Was ist Motivation?
Man kann ebenso richtig wie langweilig definieren, was Motivation ist. Der Begriff ist uneindeutig, und die Versuche seiner Festlegung sind von kaum noch nachvollziehbarer Komplexität. Aus der Motivations-forschung erweist sich wenig als dauerhaft oder auch nur im Rückblick erträglich. Und selten ist etwas Praktisches dabei herausgekommen. Mehr lernen lässt sich durch Anschauung und freie Variation, die den harten Kern heraustreten lässt. Bringen wir es entschlossen auf eine kurze Formel, dann heißt Motivation: „Ich will!“
1.1 Allgemeine und spezifische Motivation
„Ich will!“ – Was? Das mag nun jeder Leser selbst einfügen und dabei die Entdeckung machen, dass es offensichtlich zwei Arten von Motivation gibt:
• eine allgemeine Motivation, die von der Anthropologie erklärt wird und die „Kraft, etwas zu wollen“ beschreibt, und
• eine spezifische Motivation, die genau auf dieses „etwas“ zielt.
Allgemeine Motivation
Betrachten wir zunächst die allgemeine Motivation. Die Verhaltensforschung sagt uns seit Jahrzehnten, dass jeder Mensch ein großes Aktionspotenzial hat, das nach Entfaltung drängt. Eine kreative Energie, die abgebaut werden will, soll sie nicht in aggressive Langeweile umschlagen. Forscher fanden heraus, dass Babys lächeln, wenn sie es fertig bringen, einen an einem Faden hängenden Gegenstand in Bewegung zu setzen. Kinder, die man in der Schulzeit nur noch frei spielen ließ, wollten nach ein paar Tagen wieder Unterricht haben. Und als Erwachsene freuen wir uns besonders über einen Erfolg, den wir gegen Widerstände haben erringen müssen.
Der Wunsch, etwas zu schaffen
Alle Menschen wollen gestalten, sich erproben, leisten. Uns alle verbindet die Funktionslust: Wir planen etwas, machen etwas, erhalten ein wahrnehmbares Ergebnis. Und die Neugieraktivität: Wir erproben etwas, gestalten etwas, variieren etwas eigenständig. Die Anthropologie spricht sogar von einem Motivations-Überschuss des Menschen: Stellen Sie sich vor, wie schwer es vielen fällt, einmal zwei Stunden nichts zu tun.
Unterschiedlich ausgeprägt
Grundsätzlich gilt: Jeder Mensch ist motiviert. Diese Kraft, etwas zu wollen, variiert zwar von Mensch zu Mensch, ist unterschiedlich stark ausgeprägt: Nicht jeder will viel erreichen und stellt sich gerne dem Leistungsvergleich. Aber die Schaffenskraft ist vorhanden und sucht sich einen Gegenstand, ein Thema, ein Ziel, an dem sie sich entfalten kann. Ja, gerade ein eher antriebsschwacher Mensch kann bei bestimmten Aufgaben aufblühen und ganz hervorragende Leistungen erbringen.
Beweggründe
Das führt uns zur nächsten Frage: Warum will ich etwas? Weil ich offenbar ein Bedürfnis habe, das sich mit einer Erwartung zu einem Motiv verbindet, das wiederum mein Handeln auslöst. Die folgende Abbildung macht deutlich, dass die Handlung das gewünschte und als wichtig empfundene Resultat erwarten lassen muss – sonst bleibt der Mensch untätig.
Handlungsdiagramm (nach Rheinberg)
Sigmund Freud sah den Hauptmotor menschlichen Handelns in seiner Psychodynamik. Alfred Adler im Macht- und Geltungstrieb. Andere Motivationslehren gehen davon aus, dass der Mensch in Polaritäten eingespannt ist. Beispiele dafür sind die „Innen-/Außenorientierung“ bei Jung, Eysenck und Riesman, die Einteilung in „Sach- und Beziehungsorientierung“ bei Blake/Mouton, die Unterscheidung „Typ X = arbeitsunlustig“ und „Typ Y = arbeitsfreudig“ bei McGregor oder die Unterscheidung „Motivatoren“ und „Hygienefaktoren“ bei Herzberg. Die bekannte Motivationslehre von Maslow unterstellt sogar eine hierarchische Ordnung und Folgerichtigkeit menschlicher Bedürfnisse.
Spezifische Motivation
Damit sind wir bei der spezifischen Motivation. Motivation enthält schon dem Wort nach das „Motiv“, und das ist immer etwas Individuelles. Es mag von anderen geteilt werden, aber wie das Motiv eines Menschen genau aussieht, warum er etwas tut oder unterlässt, werden wir nie erfahren. Diese spezifische Motivation bezieht sich auf ein ganz bestimmtes Gebiet, eine konkrete Aufgabe, stellt sich dort der Mess- und Vergleichbarkeit. Sie zielt im Kontext der Unternehmen letztlich auf Leistung.
Unter allgemeiner Motivation versteht man den Wunsch eines jeden Menschen, etwas zu gestalten, auszuprobieren, zu bewirken. Jeder Mensch ist also grundsätzlich motiviert, wenn auch in unterschiedlichem Maß. Die Beweggründe – warum tut man etwas? – sind so vielfältig wie die Menschen selbst. Die spezifische Motivation bewirkt, dass eine Person in einer bestimmten Situation auf eine bestimmte Weise handelt – mit individuellem Einsatz und nach persönlichen Zielen. |
1.2 Wodurch wird Motivation beeinflusst?
Motivation bestimmt also die Richtung, die Stärke und die Dauer unseres Leistungs-Verhaltens. Was aber beeinflusst die Motivation selbst? Zwei Variablen sind zu nennen:
1. Die Person: Synonyme für Motivation sind hier Antrieb, Drang, Wille, Wunsch, Streben; also Wörter, die auf die Innenseite des Menschen verweisen – der Mensch „ist“ motiviert.
2. Die Situation: Hier finden sich Begriffe, die auf die umgebenden Rahmenbedingungen, die Außenseite verweisen: Anreiz, Anregung, Ermächtigung, Möglichkeit, Prämie, Ziele – der Mensch „wird“ motiviert.
Das Leistungs-Verhalten ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Innen- und Außenseite. Es wird beeinflusst einerseits durch Einstellungen, Interessen, Werte, Bedürfnisse, die innerhalb einer Person liegen, und andererseits durch Bedingungen, die sich aus der umgebenden Situation herleiten. Betrachten wir beide Seiten näher.
1. Person
Warum sitzt Ihr Sohn stundenlang vor dem Computer? Warum hat er hingegen keine Lust, Mathematik-Hausaufgaben zu lösen? Warum nehmen Sie jedes Wochenende Akten mit nach Hause, die Sie die ganze Zeit anstarren, dann aber doch wieder unbearbeitet mit ins Büro nehmen? Warum verrichtet Ihr Mitarbeiter lustlos seine Arbeit, ist aber offenbar abends hingebungsvoll Vorsitzender seines Heimatvereins?
„Motiv“ leitet sich her von lat. movere = bewegen. Es meint immer dasjenige in und um uns, das uns bewegt, antreibt, dazu bringt, uns so und nicht anders zu verhalten. Einen Beweg-Grund. Motivation gibt also immer eine Antwort auf das „WARUM?“ des Verhaltens. Diese Motivation kommt von innen, ist eigengesteuert. In der Literatur findet sich dafür oft der Begriff der „intrinsischen Motivation“. Die Tätigkeit ist in sich selbst belohnend.
Erklärungsversuch
Motivationstheorien suchen seit langem nach Regeln und Gesetzmäßigkeiten der handlungsleitenden Beweggründe von Menschen. Sie entbehren nicht einer