Praxis erfolgreicher Mitarbeitermotivation. Hartmut Laufer
und Bildungsmöglichkeiten
Aber auch geänderte Grundsätze der Kindererziehung spielen eine maßgebliche Rolle. Noch vor einem knappen Jahrhundert kam es den Eltern in erster Linie darauf an, ihre Kinder zu Wohlverhalten und Pflichtbewusstsein zu erziehen. Spätestens seit der 1968er-Bewegung – die unter anderem eine „antiautoritäre Kindererziehung“ als neues Modell propagierte – wird von Eltern zunehmend Wert darauf gelegt, die eigenen Kinder zu selbstbewussten Persönlichkeiten zu entwickeln. Damit gehen verbesserte Bildungschancen einher sowie die nahezu grenzenlosen Informationsmöglichkeiten durch das Internet, was ebenfalls zu einem geänderten Selbstverständnis junger Menschen beiträgt. Wobei die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien auch eine Internationalisierung der Wertvorstellungen bewirken (Schlagwort „Globalisierung“).
Abnahme des Stellenwerts von Arbeit
Diese Entwicklungen haben unter anderem dazu geführt, dass der Stellenwert von Arbeit in den allgemeinen Wertvorstellungen im Vergleich zu Freizeit, Familie und Hobby kontinuierlich abgenommen hat. Nicht ohne Grund spricht man heutzutage oft von einer Freizeitgesellschaft, in der wir leben. Dagegen hatte der überwiegende Teil der Werktätigen früherer Zeiten bei einer Wochenarbeitszeit von 60 Stunden und keinem oder nur wenigen Tagen Jahresurlaub kaum Zeit, sich neben dem Beruf anderen Interessengebieten zu widmen. Für viele diente die knappe Freizeit in erster Linie der Nahrungsaufnahme sowie dem Schlaf, um am nächsten Tag bei der Arbeit wieder belastbar zu sein.
Heutzutage aber sehen sogar viele Topmanager nicht mehr den alleinigen Sinn ihres Lebens im beruflichen Erfolg. Spätestens, wenn sie erkennen, dass der Leistungsstress beginnt, sie krank zu machen, oder ihre Lebensqualität dermaßen leidet, dass sie permanent unzufrieden sind oder sogar depressiv werden, nehmen manche von ihnen eine Auszeit oder ändern grundlegend ihre Lebensführung.
Werteorientierte Mitarbeitermotivierung
Nicht permanent ans Pflichtbewusstsein appellieren
Trotz des beschriebenen Wertewandels sind Unternehmen auf engagierte Mitarbeiter angewiesen, um sich im schärfer gewordenen Wettbewerb am Markt behaupten zu können. Wer sich jedoch heutzutage als Führungskraft darauf beschränkt, permanent an das Pflichtbewusstsein seiner Mitarbeiter zu appellieren, wird von vielen Mitarbeitern nur noch milde belächelt. Eine derartige Grundeinstellung führt zu einem wirklichkeitsfremden Führungsverhalten und zu unwirksamen Führungsmaßnahmen.
Wer erfolgreich führen will, kommt nicht umhin, die aktuellen Wertvorstellungen seiner Mitarbeiter als Gegebenheiten zu akzeptieren und die eigenen Führungsstrategien darauf auszurichten.
Um den Wertvorstellungen der Mitarbeiter gerecht zu werden, können zwei unterschiedliche Wege beschritten werden: die bedürfnisgerechte Arbeitsgestaltung oder die Einflussnahme auf leistungshemmende Wertvorstellungen.
Aufgaben der Organisationsentwicklung
Bedürfnisgerechte Arbeitsgestaltung
Bei der bedürfnisgerechten Arbeitsgestaltung handelt es sich um Maßnahmen, die vorrangig den Bereich der Organisationsentwicklung betreffen. Und zwar gilt es, die Inhalte und Rahmenbedingungen der Arbeit – soweit praktikabel – den Wertvorstellungen und daraus resultierenden Bedürfnissen der Mitarbeiter anzupassen. Auf diesem Weg lassen sich relativ kurzfristig Motivationseffekte erzielen. Allerdings sind derartigen Maßnahmen oft wirtschaftliche oder arbeitsorganisatorische Grenzen gesetzt. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass eine übermäßige Bedürfnisorientierung manche leistungshemmenden Wertvorstellungen (zum Beispiel eine egoistische Anspruchshaltung) langfristig sogar verfestigen kann.
Arbeitsaufgaben werden von Mitarbeitern nur dann mit hohem Engagement erledigt, wenn sie nicht im Wiederspruch zu ihren fundamentalen Wertvorstellungen und persönlichen Bedürfnissen stehen.
Aufgaben der Personalentwicklung
Einflussnahme auf leistungshemmende Wertvorstellungen
Diese der Personalentwicklung zuzurechnende Vorgehensweise erfordert ein intensives Eingehen auf die einzelnen Mitarbeiter und verlangt einen langen Atem. Über viele Jahre gewachsene Grundeinstellungen von Mitarbeitern lassen sich – wenn überhaupt – nur durch stetige bzw. wiederholte Einflussnahme verändern. Dies verlangt von der Führungskraft hohes Engagement und Einfühlungsvermögen. Um in dieser Hinsicht erfolgreich zu sein, sind vor allem folgende Führungseigenschaften erforderlich: Überzeugungskraft und vorbildhaftes Verhalten.
Nur wenn man ein werteorientiertes und verantwortungsbewusstes Verhalten vorlebt, kann man von seinen Mitarbeiten eine ebensolche Arbeitshaltung erwarten.
Dauerhafte Motivationssteigerung
Ganzheitliches Konzept
Dauerhafte Motivationssteigerungen, die sowohl den Unternehmensbelangen als auch den Mitarbeiterbedürfnissen dienen, lassen sich durch eine folgerichtige Vorgehensweise sowie sinnvolle Kombination der vorstehend geschilderten Maßnahmenarten erzielen.
Unterschiedliche Wertetypen
Wertebezogenes Führungsverhalten
Um als Führungskraft die individuellen Wertvorstellungen seiner Mitarbeiter berücksichtigen zu können, bietet die Klassifizierung des Soziologen Helmut Klages hilfreiche Ansätze. Klages hat die Menschen entsprechend ihren typischen Grundeinstellungen in vier Wertetypen eingeteilt. Aufgrund der jeweiligen Persönlichkeitsmerkmale und der daraus abzuleitenden Grundbedürfnisse empfehlen sich unterschiedliche Arten des Führens, um sie zu motivieren und zu aktivieren.
Selbstzufriedene Anpassung
Der Traditionalist
Die typische Grundhaltung ist eine Neigung zu selbstzufriedener Anpassung, das heißt:
■ Ordnungsliebe
■ relativ unkritisches Pflichtbewusstsein
■ Akzeptanz vorgegebener Regelungen
■ Standhaftigkeit
■ Vorbehalte gegenüber Veränderungen
■ Wahren materieller Werte
■ wenige, aber dauerhafte Kollegenkontakte
■ weitgehende Zufriedenheit bei Normalbedingungen
Das adäquate Führungsverhalten sollte ein leistungsorientiertes Führen sein, das heißt:
■ Vorgeben detaillierter Ziele
■ klare Verantwortlichkeiten
■ geregelte Arbeitsabläufe
■ Bekanntgeben von Leistungsnormen
■ Appelle an das Pflichtgefühl
■ materielle Leistungsanreize
Kampf um Persönlichkeitsrechte
Der Idealist
Die typische Grundhaltung ist eine Neigung zum Erkämpfen von Persönlichkeitsrechten, das heißt:
■ starkes Selbstentfaltungsstreben
■ Humanzielorientierung
■ geringe Regelungsakzeptanz
■ Infragestellen von Sachzwängen
■ kämpferisches Anprangern von Missständen
■ persönlicher Einsatz für Belange anderer
■ zahlreiche Kollegenkontakte
■ häufiges Enttäuschtsein
Das adäquate Führungsverhalten sollte ein tolerantes Führen sein, das heißt:
■ Übertragen persönlicher Verantwortung
■ Mitsprachemöglichkeiten
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