Networking für Trainer, Berater, Coachs. Svenja Hofert
Lager hört man Sätze wie »Ich kann einfach keine fremden Leute ansprechen« oder »So oberflächlich will ich nicht werden« oder »Ich verabscheue Vitamin B«.
Es lässt sich statistisch schwer belegen, aber erfahrungsgemäß müssten die beiden Lager in etwa gleich stark sein. Im zweiten Lager, das Networking als »Horror« ansieht, sammeln sich tendenziell eher introvertierte, sachbezogene Menschen – selten also Trainer, schon etwas öfter reine Berater, vor allem jene aus technischen, wissenschaftlichen und anderen eher »linkshirnig« arbeitenden Umfeldern. Auch Coachs sind öfter introvertiert. In diesem Lager herrschen wertebezogene Bedenken und die Einstellung, dass Leistung allein zähle. Networking wird hier nicht systematisch betrieben.
Faszination Networking
Beide Lager eint die Faszination am Thema, ahnt doch auch die zweite Gruppe, dass Netzwerke der Schlüssel zu persönlichem und beruflichem Erfolg sind. Das Interesse an Büchern – wie diesem –, persönliche Gespräche, Erlebnisse und Erfahrungen beweisen das. Da ist viel Unsicherheit, da sind jede Menge Fragen und Vorbehalte. Ja, es grassiert sogar die Angst vor einem zu großen »Networking-Effekt«. »Ich bin doch jetzt schon ausgelastet, mehr Aufträge kann ich gar nicht annehmen«, hört man dann. Eine grundlegend falsche Fährte: Networking ist kein kurzfristiges Akquise-Tool, um die Auslastung zu erhöhen. Networking ist eine innere Haltung, eine Einstellung. Wer diese nicht hat, sollte also zuerst einmal daran arbeiten und sich fragen, welche inneren Glaubenssätze dem eigenen Networking im Weg stehen.
Versuchen Sie diese zu widerlegen, indem Sie den Sinn der Aussagen hinterfragen und nach Gegenbeweisen suchen. Am Ende werden Sie erkennen, dass es keinen Anlass gibt, zu glauben, was Sie bisher geglaubt haben. Der erste Schritt zur inneren Öffnung ist getan.
Die eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen, ist der erste Schritt zur inneren Öffnung.
KLEINE-WELT-PHÄNOMEN
Jeder kennt jeden über fünf Ecken – das haben Sie auch schon mal gehört? Das Kleine-Welt-Phänomen – englisch small world phenomenon – ist ein von Stanley Milgram 1967 geprägter soziologischer Begriff, der innerhalb der sozialen Vernetzung in der modernen Gesellschaft den hohen Grad abkürzender Wege durch persönliche Beziehungen bezeichnet. Demnach ist jeder Mensch auf der Welt mit jedem anderen über eine kurze Kette von Bekanntschaftsbeziehungen verbunden. Dies ist erstaunlicherweise möglich, obwohl es eigentlich angesichts von 6,6 Milliarden Einwohnern rein rechnerisch unlogisch scheint.
Maximal fünf Personen
Doch ist es nicht auch Ihnen schon einmal passiert, dass Sie jemanden kennenlernen, der wiederum eine andere Person kennt, mit der Sie vertraut sind? Der Online-Club Xing (www.xing.de) macht das Phänomen deutlich: Es zeigt, in welcher Verbindung Sie zu jedem beliebigen der Millionen Xing-Mitglieder stehen. Dabei zeigt sich stets, dass maximal fünf Personen zwischen Ihnen und einer Person stehen, zu der Sie Kontakt aufnehmen möchten. Mitunter verbindet Sie sogar ein einziger Mensch, den Sie beide kennen.
Alte Kontakte
Geht man davon aus, dass jeder Mensch durchschnittlich im Leben 850 engere Kontakte sammelt, haben Sie durch die mittelbaren Kontakte Ihrer Bekannten schon 850 mal 850 potenzielle Kontakte, also 722 500. Und: Von Ihrem direkten zum mittelbaren Kontakt Ihres Bekannten ist es nur ein kleiner Schritt. Möchten Sie Kontakt aufnehmen, genügt es, den eigenen Bekannten zu bitten, den Kontakt herzustellen. Transparenz über vorhandene Kontakte ist also eine wichtige Voraussetzung für effektives Networking. Xing ist ein Mittel diese herzustellen, doch noch besser ist es, wenn Sie sich erst einmal bewusst vor Augen führen, wen Sie alles kennen. Und um wen Sie sich eigentlich sehr lange gar nicht mehr bemüht haben. Vielleicht ist der ehemalige Kindergartenfreund inzwischen Vorstand? Unter meinen Kontakten entdeckte ich jedenfalls einen CEO, diverse Geschäftsführer, die teilweise Unternehmen mit mehreren 1000 Mitarbeitern aufgebaut hatten, eine in Finnland arbeitende Uni-Wissenschaftlerin, eine Serienschauspielerin und den ehemaligen Musikdirektor vom TV-Sender Viva. Hier auf Entdeckungsreise zu gehen, ist spannend – und wieder aufgenommene Kontakte können eine Menge ins Rollen bringen – auch geschäftlich.
Geben Sie im Business-Club Xing, bei Stayfriends.de oder bei Google einfach einmal die Namen ein, die Ihnen einfallen. Gefunden? Schreiben Sie eine nette Mail oder schicken Sie einen Kartengruß. Kontakt aufnehmen, erst einmal ohne Hintergedanken, nur aus Interesse – das ist der erste Schritt beim Netzwerken. Wer weiß, vielleicht wird mehr draus?
Oftmals gleicht es einer Abenteuerreise, wenn man beginnt, alte Kontakte aufzufrischen. Lassen Sie sich überraschen, wen Sie alles entdecken!
3. NETWORKING-GESETZE
Vor einigen Jahren rief mich eine junge Personalentwicklerin an, nennen wir sie Claudia. Claudia arbeitete in einer der größten Werbeagenturen Deutschlands und wollte sich selbstständig machen. Sie hatte meine Nummer von einer Bekannten aus einem Netzwerk, die mich in den höchsten Tönen gelobt hatte, und bat mich sogleich um ein Treffen. Ich sollte ihr Fragen zur Existenzgründung beantworten. Da ich ja selbst erfolgreich sei im Karrierecoaching, sehe sie in mir den idealen Gesprächspartner. Es war klar, dass sie nicht zu zahlen gedachte. Ich dachte an die Wichtigkeit von Marktforschung und dass ich diese in meiner Beratung immer betone. Nun gut, wenn ich zu einer effektiven Wettbewerbsanalyse beitragen könnte, in dem ich einige Fragen beantworte und helfe, ein durchdachtes Geschäftskonzept zu entwickeln. Wer weiß außerdem, was mir dieses Treffen noch so an neuen Erkenntnissen bringen könnte?
Geben und nehmen
Ich zögerte trotzdem, denn immerhin verdiene ich mit dem Coaching von Trainern und Beratern mein Geld. Aber dann sagte ich, weil sie freundlich darum bat, doch ja. Vielleicht würde ich ja durch sie neue Kontakte in die Werbebranche bekommen, dachte ich bei mir. Einen Ansprechpartner, den ich fragen könnte. Vielleicht würde ich durch sie auch einfach Interna erfahren, die mir bei einem Beratungsfall helfen könnten. Oder auch einfach nur einen interessanten Menschen treffen.
Wir trafen uns in der Nähe von meinem Büro. Sie kam mit einem weißen 80 000-Euro-Cabrio, das sie mitten auf der Straße parkte. Das irritierte mich, weil es so sehr dem Klischee entsprach. Wir setzten uns in ein Café und bestellten Latte Macchiato. Dann fragte sie mich unumwunden aus. Sie bettete ihre Fragen nicht mal weich in Small Talk. Ich fühlte mich wie im Verhör. Ob ich die Preise wirklich durchsetzen könnte, wie viele Kunden ich hätte, was meine Erfolgsrezepte wären, wie viel Gewinn und wie viel Umsatz ich hätte und wie sich das entwickelt habe. Sie war sehr viel jünger als ich und ich fühlte mich wie ihr Mentor – aber trotzdem unwohl. Ihre stecknadelgroßen Pupillen fixierten mich – sympathisch war sie nicht.
Vor allem erschien mir das alles viel zu distanzlos. Immerhin kannte ich die Dame ja gar nicht. Doch der Höhepunkt kam noch: Nach rund einer Stunde Verhör musste ich ihre Latte Macchiato mitbezahlen. Sie hatte kein Geld dabei. In dem Moment war sie bei mir ganz tief unten angekommen und ich bereute dieses Treffen. Ich machte eine ironische Bemerkung zum vergessenen Portemonnaie und ihrem Wagen.
Drei Tage später brauchte ich eine Info zur internen Struktur in einer Werbeagentur. Da dachte ich an sie. Schließlich war sie Personalentwicklerin bei einer der größten Werbeagenturen Deutschlands. Ich sprach auf Ihren Anrufbeantworter und bat um Rückruf. Als dieser nicht erfolgte, schickte ich eine E-Mail. Keine Reaktion.
Regelverstöße
Claudia hatte gleich mehrere Regeln verletzt. Die erste: die Grenzüberschreitung, mich um Informationen zu bitten, ohne mich zu kennen. Die zweite: das Auto. Präsentiere nie einem »Ranghöheren« einen Luxuswagen! Das ist wie das Dolce & Gabbana-Kostüm auf einer Visitenkartenparty oder der Boss-Anzug bei der Bewerbung