Wettbewerbsvorteil Gender Balance. Anke van Beekhuis
Einzelkämpfer, Konsequenz, umsetzungsstark, Veränderungsbereitschaft, direkte sachliche Kommunikation
Kleine Kreise – wenig bis gar nicht ausgeprägt:
emotional, Struktur, zuhören und verstehen können, Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten
So bewerten sich Frauen
Rund 1000 befragte Frauen schätzen sich wie folgt ein:
Große Kreise – sehr stark ausgeprägt:
diskutieren und abwägen, Perfektionismus, selbstkritisch, empathisch, emotional, selbstreflektiert, wenig Selbstbewusstsein, strukturiert, organisiert
Mittlere Kreise – mittelmäßig ausgeprägt:
kommunikativ, lachen gerne, Weitblick, kultiviert, fürsorglich, teamorientiert, harmoniebedürftig, gesellig, kreativ und verspielt
Kleine Kreise – wenig bis gar nicht ausgeprägt:
selbstbewusstes Auftreten, vorne stehen, zielorientiert
Geschlechterspezifische Gruppendynamik
Ebenso spannend wie die Ergebnisse auf der Pinnwand ist für mich das Verhalten der unterschiedlichen Gruppen während der Übung. Sie bestätigen für einen Beobachter das Ergebnis auf eindrucksvolle Weise. Die Gruppe der Männer hört teilweise bei den Anweisungen gar nicht mehr richtig zu, sondern startet gleich los. Männer nehmen sich die Kärtchen und schreiben ihre Punkte nieder – ohne Absprache oder Diskussion mit den Kollegen. Je technikorientierter die betreffende Gruppe ist, desto ausgeprägter ist dieses Verhalten. Ich habe Gruppen von Männern erlebt, bei denen kein einziges Wort gefallen ist, während geschrieben und gepinnt wurde. Es wird nichts abgesprochen. Es gibt meist nur einen Blick in die Runde und die Frage »Passt?«, was von den Kollegen mit Kopfnicken bestätigt wird. Bemerkt ein Teilnehmer, dass ein Kollege einen Begriff bereits an die Wand gepinnt hat, heftet er das eigene Kärtchen entweder dazu oder schmeißt es kommentarlos weg. Sie bringen aus meiner Sicht die Übung hinter sich und widmen sich zum Beispiel Gesprächen über das aktuelle Projekt oder über Themen, die sie beschäftigen.
Die Übung dauert im Schnitt 15 Minuten. Sind Vorstandsmitglieder oder Vertreter unterschiedlicher Hierarchieebenen anwesend, wird ein wenig länger diskutiert. Dabei geht es meiner Beobachtung nach aber vorrangig darum, die Rangordnung abzubilden und sicherzustellen, dass Vorgesetzte gehört werden und recht haben wollen. Aber selbst dann dauert die Übung selten länger als 30 Minuten. Wenn die Gruppe für meine Begriffe allzu rasch fertig wird, stelle ich die Frage »Wie würde das Ergebnis aussehen, wenn Sie sich absprechen oder miteinander reden?« Zur Antwort bekomme ich meist: »Nichts. Eh alles klar. Oder war das die Aufgabenstellung? Müssen wir reden?« Diese Aussagen erstaunen mich immer wieder. Aus meiner weiblichen Sicht gäbe es natürlich noch einiges zu diskutieren.
Wenn Frauen mit der Übung beginnen, wird lange Zeit nichts geschrieben oder gepinnt. Meist dienen die ersten fünf Minuten dazu, zu klären, wer schreibt. Frauen sind meistens davon überzeugt, dass nur eine Person tatsächlich auf die Kärtchen schreiben soll, damit ein möglichst perfektes Endergebnis (nicht zu viele Kärtchen verschwenden, einheitliche Schrift) gelingt. Jede Frau erklärt, warum sie nicht schreiben möchte (Handschrift, Rechtschreibung …). Es wird darüber gesprochen, ob vorher auf einen Notizblock geschrieben werden soll oder gleich auf Kärtchen.
Frauen nutzen die Zeit für Klärung. Harmonie ist ihnen sehr wichtig. Keine Aussage darf übergangen werden und für alle Punkte sollte ein Konsens gefunden werden. Nach 15 Minuten muss ich die Frauengruppe meist darauf hinweisen, dass die Hälfte der Zeit vorbei ist. Dann bricht in der Regel so etwas wie Panik aus, weil zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Kärtchen an der Pinnwand klebt.
In der Frauengruppe geht es um einiges emotionaler und intensiver zu, weil viel gelacht und gesprochen wird. Oft bilden sich innerhalb der Gruppe »Gesprächsinseln«, in denen über Teilbereiche gesprochen wird, weil alle Beteiligten den Zeitdruck spüren, aber alle Aspekte diskutieren wollen. Es kristallisiert sich dabei in der Regel eine Person heraus, die die Koordination übernimmt und die Ergebnisse auf den Punkt bringt. Im Gegensatz zu den Männern definiert sich diese nicht automatisch aufgrund der Hierarchieordnung. Jenes Gruppenmitglied, das am besten koordiniert, moderiert und strukturiert, wird für die Dauer dieser Übung zur »Leiterin«.
Ein hoher Anteil der weiblichen Gruppen in den letzten Jahren konnte die Zeitvorgabe von 30 Minuten nicht einhalten. Nicht weil sie nicht fähig dazu waren, sondern weil es ihnen wichtig war, alle miteinzubinden und zu diskutieren.
Sobald beide Gruppen fertig sind, diskutieren wir offen über die Ergebnisse. Die Gruppen amüsieren sich über die Pinnwände der anderen, weil Männern die Vorgehensweise der Frauen natürlich nicht entgangen ist. Den Frauen wiederum fiel die Ruhe der Männer auf. Danach diskutieren wir darüber, wie sich diese unterschiedlichen Verhaltensweisen im Alltag bemerkbar machen:
• Welchen Mehrwert haben sie in der Organisation oder im Team?
• Wie können die Menschen voneinander profitieren?
• Wie lassen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlich fördern?
All das führt direkt zu den Fragen der Unternehmenskultur: Welche Verhaltensweisen sind im Unternehmen akzeptiert und ebnen den Weg zu einer Führungsposition und welche nicht? Erst da wird vielen der männlichen Führungskräfte klar, dass sie nur das fördern, was sie als Führungsstärke empfinden.
Wenn wir uns die typischen Eigenschaften der Frauen ansehen, kann eine weibliche Führungskraft Erwartungshaltungen in Bezug auf typisches männliches Führungsverhalten gar nicht erfüllen. Wenn wir also nicht ein neues Bild von erfolgreicher Führung kreieren, wird es für Frauen so gut wie unmöglich sein, in einer Unternehmenskultur, die typisch männliche Eigenschaften fördert, groß zu werden. Es sei denn, sie eignet sich diese Eigenschaften bewusst an. Dann wird sie allerdings wieder in die Rolle der »macht- und karrieregeilen Bitch« gedrängt, die »Eier hat« und wie ein Mann agiert.
Der Einfluss der Biologie
Neben der These, dass Frauen und Männer ihr Gehirn unterschiedlich nutzen, haben auch Hormone einen Einfluss auf unsere Verhaltensweisen. Auf den evolutionären Unterschied gehe ich nicht im Detail ein, weil es hierzu sehr viele unterschiedliche Meinungen gibt. Selbst die Jäger-und-Sammler-Theorie ist mittlerweile umstritten, weil sie hauptsächlich von Männern untersucht wurde. In Einzelfällen kam heraus, dass auch Frauen früher Jägerinnen waren. Man kann die Geschichte durch unterschiedliche Brillen betrachten. Am bedeutendsten sind aber sicher die Unterschiede in der Sozialisierung der Geschlechter.
In meinen Workshops stelle ich Frauen und Männer einander gegenüber und lasse den Mann beschreiben, wie es ihm beim Anblick der Frau geht. Woran denkt er? Natürlich sind nicht alle ganz ehrlich, aber mit einer Intervention kommen dann Aussagen wie »Tolle Ausstrahlung, schöne Haare und attraktive Person«, »Würde ich gerne näher kennenlernen«, »Wirkt sehr zierlich, muss ein wenig bei dieser Person aufpassen« und so weiter. Der Frau fallen sofort die Augen auf, das nette Lächeln und natürlich auch der Gesamteindruck des Mannes.
Weil die beiden nicht miteinander sprechen, beschränken sich die Beschreibungen auf das Äußere. Fühlen sich die beiden körperlich angezogen, werden sie oft rot im Gesicht oder senken den Blick, weil sie sich ertappt fühlen – egal ob Mann oder Frau, egal ob verheiratet oder nicht. Beide melden in der Regel zurück, dass sie sich nicht vergleichen, sondern eher auf die Unterschiede schauen. Beide fragen, warum sie sich mit einem Mann oder einer Frau vergleichen sollen, da sie einander ja