Die Turbo-Studenten. Robert Grünwald

Die Turbo-Studenten - Robert Grünwald


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       73. Was noch geschehen muss: Forderungen an das Studiensystem von morgen

       Literaturliste

       Die Autoren

      Vorwort

      Außergewöhnliche individuelle Leistungen führen nicht immer zu gesellschaftlich breiter Anerkennung oder gar Bewunderung. Wir, die als »die drei Turbo-Studenten« mittlerweile einer breiteren Öffentlichkeit bekannten Autoren dieses Buches, haben im Verlauf einer bis heute anhaltenden Diskussion über unser Blitzstudium genau diese Erfahrung gemacht. Denn unsere persönliche Erfolgsstory – der Bachelor- und Masterabschluss in historischen Rekordzeiten – war das eine. Das andere war die unterschiedliche Bewertung unserer Leistung von öffentlicher Seite, angefangen von Freunden und Kommilitonen über die Lehrkräfte unserer Hochschule bis hin zu den Journalisten und Vertretern der hochschulpolitischen Öffentlichkeit. Während die einen uns schulterklopfend echte Anerkennung zollten, verlegten andere sich auf ungläubiges Staunen oder verständigten sich hinter vorgehaltener Hand darauf, unser Blitzstudium auf eine fragwürdige akademische Leistung herabzustufen oder zu skandalisieren, ja uns sogar der Schummelei und des Betrugs zu verdächtigen.

      In einer solchen Weise polarisiert wird häufig dann, wenn jemand etwas vollständig anders macht als allgemein üblich und erwartet. In unserem Fall war das genauso: Wir hatten mit unserer Ausnahmeleistung, einem bislang unüblichen akademischen Empowerment, für Irritation gesorgt und damit einen Präzedenzfall für das Studieren in Maximalgeschwindigkeit geschaffen. Kontrovers diskutiert werden musste deshalb, was mit unserer Story eigentlich vorlag: ein Betriebsunfall im eingeschliffenen Studiensystem oder doch eher eine zukunftsweisende Neuerung, eine anschlussfähige Pionierleistung?

      Im Juli und Dezember des Jahres 2012 haben sich die bundesdeutsche Rechtsprechung und die private Hochschule FOM Dortmund, an der wir studiert hatten, schließlich darauf geeinigt, unser akademisches Überfliegerstudium nicht durch das Erlassen von Studiengebühren zu honorieren. Weil wir schneller studiert und entsprechend weniger Leistungen unserer Hochschule in Anspruch genommen hatten, so unsere ursprüngliche Schlussfolgerung, wären wir auch berechtigt, die Kündigungsklausel im Vertrag in Anspruch zu nehmen und die Ratenzahlungen für das Studium einzustellen – schließlich hatten wir auch früher Platz für weitere Hochschulabsolventen gemacht. Was logisch klang und bis heute erscheint, muss nicht bedeuten, dass andere diese Logik teilen. Das seit Dezember 2012 rechtskräftige Urteil hielt unsere Entscheidung zur Einstellung beziehungsweise Anpassung der Studiengebühren für unrechtmäßig. Das besagt nun nichts anderes, als dass sich das Schnellstudieren im derzeitigen Studiensystem nicht ohne Weiteres auch finanziell bezahlt macht. Zugespitzter formuliert: Wer schneller studiert, wird nicht automatisch belohnt. Ihm kann es vielmehr passieren, dass er mit Nachzahlungen bestraft wird. Das Resultat des Rechtsspruchs verpflichtet uns nun nachträglich zur Entrichtung von Studiengebühren trotz des bereits absolvierten Studiums. Manchmal liegen Rechthaben und Rechtbekommen eben weit auseinander.

       Hochschulen haben kein Interesse an Schnelligkeit.

      Wir können daraus nur den Schluss ziehen, dass die Hochschulen im geltenden Studiensystem bis heute kein Interesse daran haben, dass ihre Studierenden schneller und effizienter ihren Abschluss erreichen, um ihr Können auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Und sie haben offenbar auch kein Interesse daran, durch anreizkompatible Steuerungen ein zügiges Studieren zu fördern. Das Einhalten hehrer Studienordnungen hat im derzeitigen Studiensystem also Priorität vor dem Zulassen unterschiedlicher individueller Studiergeschwindigkeiten.

      Sicherlich: Studienbeiträge sind wirtschaftliche Faktoren der Bildungsinstitutionen, und selbige keine studentischen Wohltätigkeitseinrichtungen. Vor dem Hintergrund der mit unserem Fall verbundenen juristischen Auseinandersetzungen sowie der fehlenden Diskussions- und Kulanzbereitschaft unserer Hochschule könnte man allerdings den Eindruck gewinnen, die Starrheit im Studiensystem ist Ausdruck einer gezielten systemimmanenten Bremse – mit betriebswirtschaftlichem Interessenhorizont. Offen sein für neue Methoden des Studierens, individuelle Lernprozesse und -geschwindigkeiten zulassen auf der Basis von Anreizmodellen statt im Korsett von Reglementierungen? Fehlanzeige, jedenfalls nach heutigem Stand. Dem Turbo-Studium nehmen diese hochschulpolitischen und juristischen Bremsmanöver in unseren Augen jedoch keinesfalls seine Berechtigung. Unser Fall, so hoffen wir, kann anstoßen zu weiteren Überlegungen zur fortschreitenden Dynamisierung innerhalb der durch die Bologna-Reform offenbar noch einmal bürokratisch fixierten Studiensysteme in Deutschland.

       Über Spielverderber und »böse Jungs«

      Wie auch immer in der Zukunft über unseren Fall diskutiert werden wird: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt und unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen des Studierens dürfte es uns, das Turbo-Studenten-Trio, faktisch nicht geben. Wir als Skandalstudenten, die Unmöglichen, waren vom System her eigentlich nicht möglich – so dachte man. Einfach zu schnell, geradezu handstreichartig hatten wir mit unserem Ultra-Kurzzeitstudium gängige Vorstellungen über das »richtige« (langsame) Studieren einfach über den Haufen geworfen. Wir hatten die Regelstudienzeit zur Sollbruchstelle des herkömmlichen Studierens erklärt, hatten gezeigt, dass man diese deutlich unterbieten und »trotzdem« mit einem Prädikatsexamen abschließen kann. Als Spielverderber des Systems und somit in gewisser Weise als »böse Jungs« hatten wir eine Reihe bürokratischer Festlegungen infrage gestellt, Lücken im angeblich überfordernden Studiensystem ausfindig gemacht und eingefahrene Lehr- und Lernmethoden durch eigene Methoden im Teamwork ersetzt.

      Indem wir aus der üblichen Opferrolle (des vom Bologna-System, dessen hoher Regelungsdichte und den Leistungsanforderungen ach so geknechteten Studenten) einfach ausgestiegen und zügig auf die akademische Überholspur gewechselt waren, hatten wir für Irritation, für Revolte im Studienbetrieb gesorgt. Und wir hatten dabei – im Übrigen mit ausdrücklicher Genehmigung der Hochschulleitung – wie eigenständige Unternehmer mit maximal ausgereizter Entscheidungsfreiheit und selbst gestalteten Studienplänen agiert. Nach unserem Ermessen und unserem Elan sollte der angestrengte Bildungs-Turbo schließlich auch ein Karriere-Turbo sein. Konnte ein solches Ziel tatsächlich zu weit gedacht sein? So weit vorauszudenken, dass nicht nur Studium, Berufsausbildung und künftige Arbeitswelt näher zusammenrücken, sondern unternehmerische Ambitionen bereits den eigenen Studienplan bestimmen – sollte das eine Strategie sein, für die man keinen einzigen der klassischen Bildungsverfechter gewinnen kann? Hoffentlich nicht – wenn es mit gerechten Dingen zugeht!

       Studiere so schnell, wie es der Anspruch auf Qualität zulässt!

      Nicht jeder also konnte und wollte das, was wir mit unserem Turbo-Studium geleistet hatten, ohne Weiteres gutheißen, auch wenn wir aus unserem Turbo-Grundsatz nie einen Hehl gemacht haben: Studiere nicht so schnell wie möglich, studiere genauso schnell, wie es der Anspruch auf Qualität zulässt! Vielfach hatte man über die Botschaft dieses Satzes aus dem Mund von uns »Bildungsverderbern« geflissentlich hinweggehört – unter Berufung auf althergebrachte Studientraditionen, namentlich die deutsche Bildungstradition, was für uns in gewisser Weise nachvollziehbar war. Für die Mehrzahl der hochschulpolitisch Verantwortlichen im Land der Dichter und Denker hat Bildung an Hochschulen und Universitäten – mit Humboldt, trotz und wegen Bologna – definitiv nichts mit Geschwindigkeit, sondern mit seinem Gegenteil zu tun. Ob die zunehmend nötigere Flexibilität und Entscheidungsfreiheit in den letztlich individuellen Studienbedürfnissen dabei auf der Strecke bleibt oder nicht, ist in diesem Zusammenhang kaum Gegenstand der Diskussion gewesen. Vielfach bestimmen nicht anreizkompatible Steuerungen, sondern bürokratische Regularien und formelle Standpunkte die Rahmenbedingungen des Studierens an deutschen Hochschulen und Universitäten.

      Was zeigt das anderes, als dass auch gut zehn Jahre nach Einführung der das Studieren in Europa angeblich beschleunigenden und flexibilisierenden Studienstrukturreform (»Bologna-Prozess«) die Reformdebatte unverkennbar


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