Sammelband 6 Krimis: Der Killer in den Bergen und andere Krimis für Strand und Urlaub. Alfred Bekker
fragte ich.
„Durch Krebs“, meinte Mister McKee.
„Oder durch Kälte“, ergänzte Orry.
„Was, wenn der Mann an einer Extremtour teilgenommen hat?“, fragte ich. „Zum Beispiel in den Himalaja.“
Mister McKee nickte. „Die Touristen werden heute schon fast massenweise auf den Mount Everest befördert. Aber wenn etwas schief geht und das Wetter schnell wechselt, dann können da schon mal...“ Er brach ab, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Wie hieß noch mal dieser Kerl, der alle Achttausender bestiegen hat? Ein Europäer glaube ich...“
„Reinhold Messner“, sagte Orry. „Stimmt, der hat auch einige Zehen bei seinen Touren verloren.“
„Wäre das nicht einen Versuch wert?“, meine ich. „Alle Extremkletterer, die in die Anden oder den Himalaja unterwegs waren, müssen einen Reisepass beantragt haben. Falls die Identität eines Toten benutzt wurde, müsste das durch einen Abgleich mit dem Sterberegister herauszufinden sein. Außerdem muss es zu der Zeit, da der Betreffende auf Tour war, irgendwelche Schwierigkeiten gegeben haben, die dazu führten, dass einem der Expeditionsteilnehmer die Zehen einfroren. Die Zahl der Kletterer, die das Niveau haben, in diesen Gebieten zu klettern, dürfte trotz aller Zuwachsraten noch immer klein genug sein, dass es zumindest eine Agentur-Meldung darüber gibt!“
Carter zuckte die Achseln. „Ein ungewöhnliches Raster. Aber ich kann es ja mal versuchen.“
„Tun Sie das, Max“, bestätigte Mister McKee.
„Wenn wir allerdings Pech haben, hat unser Freund seine Zehen bei einer Tour in den Rocky Mountains eingebüßt und brauchte dazu keinen Reisepass.“
„Eine zweite Spur könnten die Schuhe sein“, meinte Clive. „Die Einlagen, die ihm ein normales Klettern erlaubten, müssen bei einem Orthopäden angepasst worden sein...“
„Im Idealfall kreuzen sich beide Spuren irgendwo“, meinte Mister McKee.
26
Die Wohnungsdurchsuchungen der ermordeten Anwälte Watson und Ehrlich brachten kaum etwas Neues. Die Untersuchung ihrer Kontobewegungen durch unseren Kollegen Nat Norton hingegen schon. Es schien so, als hätten die Anwälte der Kanzlei Watson & Partners größere Beträge bekommen, die gut getarnt über Scheinfirmen geflossen waren, ursprünglich aber von keinem geringeren als Benny Duarte stammten.
„Fragt sich nur, was Duarte dafür als Gegenleistung wollte!“, kommentierte Milo diese Entwicklung.
„Anwaltshonorare waren es jedenfalls nicht“, meinte ich.
Die Vermutung lag nahe, dass diese Zahlungen Teil von Benny Duartes Plan gewesen waren, Gutierrez’ Geschäfte in sein eigenes Imperium einzugliedern...
Am Nachmittag meldete sich Brian Savage, der dritte Ex-Teilhaber von Watson & Partners, aus einem Hotel in Brooklyn. Es hieß Paradise Palace und gehörte zu den besseren Adressen in der Stadt.
Es war Mister McKee persönlich der den Anruf entgegennahm.
Savage stammelte wirr durcheinander. Er fühlte sich offenbar bedroht.
„Es ist sofort jemand bei Ihnen“, versuchte Mister McKee, ihn zu beruhigen.
Mit Rotlicht auf dem Dach wurden Clive, Zerry, Milo und ich auf den Weg geschickt. Mister Savage schien vor irgendjemandem eine viel größere Angst zu haben als vor uns, obwohl er eine Verhaftung riskierte, wenn er die Polizei rief.
Wir erreichen den Paridise Palace, der etwas südlich der Rookly Heights lag und trafen Savage unversehrt auf seinem Zimmer an.
„Ich bin bereit, mit Ihnen in jeder Weise zu kooperieren“, erklärte er. „Nur schaffen sie mir diesen Gutierrez vom Hals!“, forderte er.
„Ich dachte, er war ihr Mandant!“, gab ich zu bedenken.
„Er hat einen Killer auf uns gehetzt. Als ich das erkannt hatte, war es für Watson und Ehrlich schon zu spät. Und für Azzaro...“
„Erzählen Sie uns alles von Anfang an!“, forderte Clive Caravaggio. „Wir wissen, dass Sie tief in Gutierrez’ Geschäfte verwickelt sind.“
Brian Savage atmete tief durch. „Aber die Position des Kronzeugen gegen Gutierrez dürfte dich noch nicht besetzt sein, oder?“
„Da könnten Sie recht haben“, bestätigte ich.
Er lächelte matt. „Die anderen, die diese Position ausfüllen könnten, sind tot...“
„Wie meinen Sie das?“
Er schluckte. „Ray Azzaro wurde wegen eines Mordes an einem Barbesitzer namens Rocky Agilio beschuldigt. Aber er hat diesen Mord nicht begangen. Er war noch nicht mal dort.“
„Ach!“, stieß ich hervor.
Savage hatte sich jetzt gefangen. „Es war Gutierrez, der in einem Anfall von Wut zur Waffe gegriffen und Agilio niedergestreckt hat.“
„Worum ging es?“
„Um Verrat. Agilio soll versucht haben, für die Konkurrenz Geld zu waschen. Das wollte sich Gutierrez natürlich nicht gefallen lassen.“
„Was passierte nach dem Mord?“, hakte ich nach.
„Ray Azzaro musste den Kopf herhalten, damit Gutierrez aus der Schusslinie geriet. Wäre er nämlich des Mordes angeklagt worden, hätten seine Geschäftspartner das Weite gesucht, weil sie hätten befürchten müssen, dass im Zuge des Verfahrens auch ihre Verbindungen zu Gutierrez ans Licht kämen. Ein paar Zeugen wurde gekauft, die Stein und Bein schworen, Ray Azzaro am Tatort gesehen zu haben. Nachher kippte einer nach dem anderen von ihnen um und holte sich bei Gutierrez ein paar Tausender ab. Die Staatsanwaltschaft machte natürlich vor den Geschworenen mit ihren ‚Belastungszeugen’ einen jämmerlichen Eindruck, wie sie sich denken können.“
„Ich war dabei“, sagte ich. „Es war jämmerlich.“
„Na, sehen Sie! Offenbar wollte Gutierrez diesen lästigen Mitwisser aus dem Weg räumen – genau wie uns!“
„Was Azzaro betrifft stimmt das wahrscheinlich“, sagte ich. „Aber warum sollte Gutierrez auch seine Anwälte umbringen?“
„Weil wir Mitwisser waren – natürlich im Rahmen des Anwaltsgeheimnisses!“
„Ach, ja! Das ich nicht lache!“, widersprach ich. „Die Geschichte passt nicht, Mister Savage.“
„So? Dann erzählen Sie doch eine bessere, die Sie dann vor allen Dingen auch bitte beweisen können!“, fauchte er. Er atmete tief durch. „Zwei meiner ehemaligen Partner hat Gutierrez schon umbringen lassen und ich habe keine Lust der dritte zu sein...“
„Das werden wir zu verhindern wissen“, versuchte ihn Clive zu beruhigen.
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen. Schließlich sagte ich: „Der Mörder von Azzaro hatte einen Schlüssel zu Ihrer ehemaligen Kanzlei und da er den nicht von den Wachleuten hat, muss er ihn von Watson, Ehrlich oder Ihnen bekommen haben. Wahrscheinlich haben Sie es auch für die die beste Lösung gehalten, Azzaro mundtot zu machen und zu verhindern, dass er noch irgendwelche