Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus
Apparat gelegt. Mike Finch zog den Kopf zwischen die Schultern und ging auf Bount zu.
„Stop!“, sagte er heiser. „Stop, oder ich spiele verrückt!“
„Kommen Sie zur Vernunft, Finch“, sagte Bount.
Er wusste, dass seine Stimme wenig überzeugend klang. Das war kein Wunder. Die Konfrontation war programmiert. Finch hatte sich entschlossen, auf Saccatos Karte zu setzen.
Die Muskeln des Rothaarigen spannten sich, aber noch ehe er es schaffte, Bount zu attackieren, drückte dieser ab.
Der Schuss weckte in dem Raum ein hartes, dumpfes Echo. Die Fenster klirrten leise.
Finch stoppte, er stand wie erstarrt. Es dauerte Sekunden, bis er begriffen hatte, dass Bount nur einen Warnschuss abgegeben hatte. Dennoch war Finch unfähig, sich von der Stelle zu rühren.
„Reiniger blufft“, hetzte Saccato. „Es würde seinem fabelhaften Image schaden, wenn er es wagte, einen Menschen niederzuschießen oder gar zu töten.“
Finch befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze. In seinen Augen flackerte es. Angst, Habgier und Zorn stritten um die Vorherrschaft. Er schwieg.
Aus dem neben dem Apparat liegenden Hörer quäkte die Stimme eines Mannes. Bount führte den Hörer mit der Linken ans Ohr. Er ließ Finch und die anderen dabei nicht aus den Augen.
Bount registrierte, dass Barradon seine Schwäche abgeschüttelt hatte und sich daran machte, etwas zu unternehmen. Schrittweise bewegte er sich an der Wand entlang auf Bount zu. Barradon benutzte die andere Zimmerseite und gab Finch die Chance, den Gegner in die Zange zu nehmen.
„Hallo?“, fragte Bount. „Hotel Kenwood Plaza. Reiniger. Verbinden Sie mich mit Lieutenant Holm oder seinem Stellvertreter vom Nachtdienst. Es eilt.“
Barradon ging weiter. Nur Finch zog nicht mit. Ihn hatte offenbar der Mut verlassen. Das Projektil war haarscharf an seinem Kopf vorbeigeflogen. Diese Erfahrung saß ihm tief in den Knochen, er konnte sie nicht abschütteln.
Bount wandte den Kopf.
„Bleiben Sie stehen!“, forderte er Barradon auf. Der gehorchte, wenngleich der Ausdruck seines Gesichtes klarmachte, dass er nicht vorhatte, sich geschlagen zu geben.
„Ryder“, meldete sich eine Männerstimme. Sie war hell, knapp und barsch.
„Reiniger. Ich nehme an, der Lieutenant hat Ihnen ...“
Der Teilnehmer fiel Bount ins Wort.
„Reiniger aus New York, ich weiß. Was gibt es Neues?“
„Ich befinde mich im Kenwood Plaza, Suite 914“, sagte Bount. „Ich halte mit einem Revolver die Herren Saccato, Cachez und ...“
Weiter kam er nicht. Barradon riskierte in diesem Moment einen Hechtsprung, direkt auf Bount zu. Bount hatte die Attacke kommen sehen. Er war gezwungen, einen gezielten Schuss abzugeben.
Barradon brach mitten im Sprung zusammen. Im Sturz riss er einen kleinen Sessel mit sich zu Boden. Mit beiden Händen umklammerte er seinen rechten Oberschenkel. In seinem Gesicht zeichneten sich Verzweiflung, Ratlosigkeit und Zorn ab.
„He, was war das?“, fragte Ryder.
„Ein Schuss. Ich musste ihn abgeben, um Barradon auf Distanz zu halten. Ach, übrigens befindet sich auch Mike Finch in der Suite. Das Quartett hat Ihnen Wichtiges mitzuteilen. Falls es vorziehen sollte, zu schweigen, bin ich imstande, als Lückenbüßer einzuspringen und Sie mit den Informationen zu versorgen, die Sie brauchen.“
„Wollen Sie damit sagen, dass Sie herausgefunden haben, wer die beiden Leggins tötete?“
„Genau das“, erklärte Bount.
„Wir kommen“, versicherte Ryder und legte auf.
11
Dick Myers war mit einem Schlag hellwach. Er versuchte sich aufzusetzen, aber die Stricke, die seine Hände und Beine mit dem eisernen Bettgestell verbanden, ließen nur ein kurzes, sinnloses Aufbäumen zu. In dem Raum war es stockdunkel.
Die Schritte, die ihn geweckt hatten, kamen näher. Sie machten halt. Ein Schlüssel wurde in das Türschloss geschoben, ein Riegel zur Seite gestoßen, dann öffnete sich die Tür. Das helle Licht, das vom Korridor in den Raum fiel, blendete Myers. Er schloss die Augen. Ein Mann trat über die Schwelle und betätigte den Lichtschalter.
„Bist du das?“, fragte Myers. Seine Stimme klang erschöpft. Er fühlte sich miserabel.
„Wer sonst?“, fragte Dexter Hugh. Dick Myers hob die Lider.
„Wie spät ist es?“, wollte er wissen.
„Drei Uhr morgens.“
„Was hast du vor?“
„Du kannst verschwinden.“
Myers hob den Kopf.
„Was soll das heißen?“
„Bin ich so schwer zu verstehen? Ich habe mich entschlossen, dich laufenzulassen.“
„Da steckt doch irgendeine neue Teufelei dahinter“, sagte Myers kaum hörbar.
Hugh lachte kurz.
„Es wird Zeit, dass ich mich absetze. Das ist alles. Du hast deine Aufgabe erfüllt. Niemand wird dir glauben, was du zu erzählen hast.“
„Was habe ich ihnen denn zu erzählen?“
„Die Wahrheit, was sonst?“, höhnte Hugh.
„Wenn ich bloß wüsste, was du vorhast“, sagte Myers.
Hugh ging auf Myers zu und holte ein Taschenmesser aus der Sakkotasche. Er zerschnitt damit die Nylonstricke, die Myers ans Bett fesselten. Myers setzte sich auf und massierte sich die schmerzenden Gelenke. Hugh schloss das Messer, steckte es ein, und lehnte sich gegen die Wand. Dick Myers sah Hugh an.
„Ich habe dich zu lange Zeit für eine Null gehalten, für einen eifrigen Versager“, murmelte er. „Du bist mehr. Du entwickelst verdammte kriminelle Energien.“
„Mary hat mein Selbstbewusstsein gestärkt. Sie hat mir klargemacht, was in mir steckt. Ich habe diese Fähigkeiten entwickelt. Das ist alles.“
„Ich hasse dich. Ich habe dich gefüttert wie einen jungen Hund, ich habe dich gestreichelt und dir ein paar Kunststückchen beizubringen versucht, aber du ...“
„Hör auf damit!“, fiel Hugh dem Sprecher scharf ins Wort. „Dir ging es immer nur darum, dich in der eigenen Größe zu sonnen. Elmer hielt dich für den Größten, und das brachte dich dazu, größenwahnsinnig zu werden. Du hast mir zwar gelegentlich gönnerhaft auf die Schultern geklopft, du hast dich in väterlicher Fürsorge geübt, aber im Grunde ging es dir nur darum, dich selbst zu beweihräuchern. Das ist dir zum Verhängnis geworden. Ich habe dir die Frau ausgespannt ... und das Geld.“
„Es ist nicht mein Geld.“
„Ja, aber dir war die Verantwortung dafür übertragen. Drei Millionen! Ich und Mary werden es mit Vergnügen ausgeben ... aber wir werden dabei auch unsere Alterssicherung nicht vernachlässigen. Drei Millionen!“ Er grinste. „Ein hübscher Batzen Geld, nicht wahr?“
„Du bist ein Narr, Dexter“, sagte Dick Myers. Er hatte aufgehört, seine Blutzirkulation in Gang zu bringen. Er saß auf dem Bett und starrte dem Jüngeren ins Gesicht. „Okay, du hast Mary herumgekriegt, aber glaubst du im Ernst, dass sie dich liebt, oder dass sie bei dir bleiben wird? Sie wird eines Tages mit dem Geld durchbrennen und zu einem anderen ziehen. Sie hat mich betrogen, also wird sie auch dich betrügen.“
„Ich bin jünger als du, vergiss das nicht. Und cleverer“, sagte Dexter Hugh. Er lachte. „Viel cleverer. Du hast mir die Kniffs und Tricks der Branche beigebracht. Von dir habe ich gelernt, wie