Die Erforschung der Ostküste Nordamerikas. Samuel de Champlain

Die Erforschung der Ostküste Nordamerikas - Samuel de Champlain


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auf der Saint-Julien bestellt. Anschließend erhielt er einen Schiffsplatz auf einer zweijährigen Reise zu den spanischen Besitzungen in der Karibik. Champlain machte unterwegs, wie es seine Gewohnheit wurde, viele Notizen. Einen bebilderten Bericht über das während dieser Jahre Erfahrene übergab er dann nach seiner Rückkehr an Heinrich IV., der ihm daraufhin eine lebenslängliche Pension gewährte. Dieser Bericht, bekannt als Brief Discours …, wurde erst 1870 veröffentlicht. Gelegentlich ist wegen einiger Ungenauigkeiten und textlicher Diskrepanzen Champlains Autorenschaft infrage gestellt worden, doch wird diese neuerdings nicht eigentlich mehr bezweifelt.

      Beim Tod des Onkels 1600 erbte Champlain dessen erheblichen Besitz einschließlich eines Gutes bei La Rochelle, Grundstücken in Spanien und eines Handelsschiffes von 150 Tonnen. Diese Erbschaft gewährte ihm, zusammen mit der königlichen Pension, eine finanzielle Unabhängigkeit, die ihn für vielerlei Unternehmungen frei machte. Sie gestattete ihm insbesondere auch, den Handelskreisen in Saint-Malo, Rouen und La Rochelle gegenüber forscher aufzutreten, als es sonst denkbar gewesen wäre.

      Die nächsten zweieinhalb Jahre lang arbeitete Champlain am Hof Heinrichs IV. als Geograf, wobei es zu seinen Aufgaben gehörte, die Anlagen französischer Häfen zu besichtigen. Er erfuhr viel über Nordamerika von den Fischern, die jährlich über den Atlantik fuhren und die reichen Fischgründe vor der Küste von Massachusetts bis Neufundland ausbeuteten. Hierbei informierte er sich auch über die kürzlich erfolgten französischen Kolonisierungsversuche, etwa des 1600 in Tadoussac am Sankt-Lorenz-Strom unternommenen, und die Gründe für deren Scheitern.

      IV. AKADIEN

      1602 erhielt der Gouverneur von Dieppe, Aymar de Chaste, das Pelzhandelsmonopol für Nordamerika zugesprochen. Champlain sah die Möglichkeit einer weiteren Transatlantikreise und bat de Chaste erfolgreich um einen Platz auf dessen erstem nach Westen segelndem Schiff. Im März 1603 fuhr er von Honfleur in der Normandie auf der unter dem Kommando von François du Pont-Gravé stehenden Bonne-Renommée ab. Champlain hatte als eine Art Gentleman-Fahrgast keine eigentlichen Mannschaftsaufgaben auf dem Schiff. Er verstand sich aber offensichtlich gut mit dem älteren und erfahrenen Pont-Gravé, der ihm mancherlei Navigationswissen vermittelte und mit dem ihn danach eine feste, lebenslange Freundschaft verband. Das Schiff erreichte gegen Ende Mai Tadoussac am Unterlauf des Sankt-Lorenz-Stromes, das schon seit Jahrzehnten als jahreszeitlich aktive Pelzhandelsstation für die aus Europa kommenden Schiffe die erste Anlaufstation auf dem Festland war. Drei Tage später überquerten Champlain und Pont-Gravé in einem Boot die Mündung des von Norden kommenden Flusses Saguenay und trafen sich mit Häuptlingen der hier ansässigen Indianer, der Montagnais, der Maliseet und der Algonkin, die mit vielen Stammesgenossen zu einem Fest versammelt waren. Die Franzosen sprachen vom Wunsch ihres Königs nach guter Zusammenarbeit, und man schloss eine Art Allianz. Diese frühe Festlegung beeinflusste die Beziehungen zwischen Franzosen und Ureinwohnern dann auf Jahrzehnte hinaus.

      Ab dem 18. Juni fuhren Champlain und Pont-Gravé, die Spuren des zwei Generationen zuvor hier gewesenen Jacques Cartier suchend, den Strom weiter hinauf bis zum heute Richelieu genannten Fluss und erkundeten dessen Unterlauf bis Saint-Ours; anschließend folgten sie dem Sankt-Lorenz weiter, bis die Stromschnellen bei Lachine in der Nähe des heutigen Montreal ihnen die Weiterfahrt verwehrten. Zurück in Frankreich, veröffentlichte Champlain den Reisebericht Des Sauvages, der eine detaillierte Beschreibung des Sankt-Lorenz mit schönen Skizzen und Karten enthielt.

      In Paris erfuhr Champlain, dass das Pelzhandelsmonopol inzwischen nach dem Tod von de Chaste auf Pierre Dugua de Monts übergegangen war. Als dieser 1604 eine Expedition nach Kanada schickte, schloss sich Champlain wiederum an. Diesmal war nicht der Sankt-Lorenz-Strom das Ziel, sondern vielmehr die Akadien (Acadie) genannte Gegend am Atlantik. Das Tal des Sankt-Lorenz-Stromes war den Expeditionsteilnehmern 1603 als ziemlich unwirtlich und rau erschienen, und so hatte man sich entschlossen, vorerst näher am Atlantik zu bleiben. Der Auftrag 1604 war ohnehin weniger, eine kräftige Siedlung zu errichten, als vielmehr mineralischen Reichtum zu entdecken und nach Möglichkeit die schon lange ersehnte Durchfahrt zum Westmeer zu finden, auf dem man zu den Schätzen und Attraktionen Ostasiens kommen würde. Vorerst würden Fische und Pelze genügend Gewinn bringen.

      Nach der Ankunft vor der Küste Neuschottlands im Mai 1604 erhielt Champlain von de Monts den Auftrag, nach einem passenden Ort für ein Winterquartier zu suchen. Nach eingehender Erkundung der Bay of Fundy wählte er schließlich Saint Croix Island (heute Dochet Island), eine kleine Insel in der Mündung des Saint-Croix-Flusses. Das umgebende Wasser verhieß gute Verteidigungsmöglichkeiten und konnte wohl auch durch seinen Fischreichtum zur Ernährung der Belegschaft beitragen. Doch letztere erwies sich als recht ungenügend auf den strengen Winter vorbereitet. Bis Anbruch des Frühjahrs starb fast die Hälfte der Überwinterer an Skorbut. Das in den 1530er Jahren von Cartier benutzte Heilmittel gegen diese Mangelkrankheit war offenbar völlig in Vergessenheit geraten. Im Jahre 1605 erkundete Champlain die Atlantikküste nach Süden bis zum heutigen Cape Cod. (Die britischen Pilgrim Fathers kamen dort erst 1620 an.) Nach seiner Rückkunft zum Saint Croix Island entschloss man sich, die Wohnstätte aufs südliche Festland zu verlegen, da sich der vorige Winter mitten im Wasser als zu streng erwiesen hatte.

      Die nächsten zwei Winter waren in der neuen Siedlung Port Royal (heute Annapolis Royal) etwas erträglicher. Um die Langeweile zu unterbrechen und die Ernährung sicherer zu stellen, gründete Champlain hier den noch heute in allen kanadischen Schulbüchern vorgestellten Jagdorden Ordre du Bon Temps. Die mildere Jahreszeit nutzte er für weitere Erkundungen, die ihn im Süden über Cape Cod hinaus bis Martha’s Vineyard führten. Auseinandersetzungen mit Indianerstämmen ließen jedoch eine permanente Siedlung in dieser klimatisch begünstigteren Region als unratsam erscheinen.

      V. GRÜNDUNG NEUFRANKREICHS

      Freilich war man nun auch von den akadischen Möglichkeiten einigermaßen enttäuscht, und somit richtete sich künftig das von Champlain personifizierte französische Pelzhandelsinteresse wieder auf die Region des Sankt-Lorenz-Stromes. Im Mai 1607 kam die Nachricht, dass de Monts’ Handelsprivileg widerrufen worden war. Zurück in Frankreich, gelang es Champlain, diesen zu einer erneuten Anstrengung, diesmal am Sankt-Lorenz, zu ermuntern. De Monts erhielt ein neues Privileg und ernannte Champlain zu seinem offiziellen Statthalter (»lieutenant«) in Kanada. Drei Schiffe wurden ausgerüstet, die Anfang Juni 1608 in Tadoussac ankerten. Die Besatzung fuhr in Booten weiter stromaufwärts, und am 3. Juli gründete Champlain am Cap Diamant, unweit der Mündung des Saint-Charles-Flusses, den festen Platz Quebec. Ein Holzgebäude (die sogenannte Habitation), umgeben von einem Verteidigungsgraben und einer Palisade, diente von da an als Wohnstätte, Handelsposten und Festung; weitere Bauten schlossen sich an. Es war die erste permanente französische Siedlung in Nordamerika. Bald wurde der Name Neufrankreich gängig, und jahrzehntelang dehnte sich die Kolonie vor allem nach Westen hin aus. Auch nach der britischen Eroberung im 18. Jahrhundert bewahrte sie ihren französischen Charakter.

      Die Siedlungsanfänge, ohnehin schwierig und kraftaufwendig, wurden noch lästigerweise gestört durch eine Art Meuterei. Champlain gelang es, die Rädelsführer dingfest zu machen. Der Winter war wieder sehr streng, und von den 25 in Quebec Anwesenden überlebten nur acht Skorbut und Ruhr. Doch unter ihnen war Champlain, und nach Eintreffen einer Unterstützungsflottille unter Pont-Gravé fühlte er sich 1609 zu tatkräftigem Handeln bereit. Vor allem galt es, gute Beziehungen zu den lokalen Indianern zu etablieren und zu halten, vor allem den Huronen, den Algonkin und den Montagnais. Diese Stämme verlangten unter anderem, dass Champlain sie unterstütze in ihren Auseinandersetzungen mit den weiter im Süden lebenden Irokesen. Im Sommer begab er sich demgemäß auf den Kriegspfad den heute Richelieu genannten Fluss hinauf. Ende Juli stieß Champlain mit zwei Franzosen und 60 Ureinwohnern in der Gegend von Ticonderoga im heutigen Staat New York auf die Gegner. Seinem Bericht nach feuerte er mit seiner Hakenbüchse auf sie und tötete zwei der Häuptlinge mit einem einzigen Schuss; einer seiner Leute tötete einen dritten. Die Irokesen flohen. Freilich bestimmte diese unmittelbar erfolgreiche Aktion auch den Ton für die schlechten Beziehungen zwischen Franzosen und Irokesen während der folgenden Jahrzehnte. Konsolidiert wurde dieser Gegensatz noch im Juni nächsten Jahres durch ein Gefecht an der Mündung des Richelieu.


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