Magische Verbindung. Egon Krause

Magische Verbindung - Egon Krause


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Spiel fortzuführen, bis sie sich nicht mehr rührte. Kaum hatte sie sich erholt, wurde sie wieder geschwächt. So erstürmten viele kleine Recken ihre Festung. Am nächsten Morgen war ihre Kraft gebrochen. Seit dieser Zeit war Brunhilde ihrem Gatten untertan. Am Ende hatte Siegfried als Beute Gürtel und Ring Brunhildes mitgenommen, was später zu den unseligen Morden führte.

      E.: Haben denn deine Augen keine Lust beim Zusehen? Das Herz aber reicht ja aus nach Saint-Exupery.

      Eine andere Erinnerung, sommersonntagfrühnachmittags war alles still, auch auf der Hauptstraße. Ich saß auf der Treppe vor unserem Haus in der hellen Sonne und träumte vor mich hin, die weißen Tauben des Nachbarn pickten auf der Straße, da kam ein großer, offener schwarzer Mercedes mit unverminderter Geschwindigkeit daher, ich höre noch die klatschenden Töne der Reifen auf dem Blaubasalt, weiße Federn flogen plötzlich umher, ich meinte, die Insassen des Autos jubelten auch noch, vielleicht aber auch nicht, ich lief schreiend ins Haus, seitdem kann ich keinen Mercedes mehr leiden.

      N.: Du bemühst dich als Psychoanalytiker, Dilettant!

      E.: Das hat mit Psychologie nichts zu tun.

      Du musst mir mit der Psychologie kommen, der Wissenschaft, die beansprucht, therapeutisch tätig sein zu können mit ihrem Geschwätz. Was für Versprechungen kann sie denn machen, um zu trösten – keine! Christentum dagegen ist als Psychotherapeutikum vertretbar. Es verspricht mit seiner infamen Lüge wenigstens die Wiederauferstehung und das Wiedersehen mit den Lieben, der Islam das Paradies. Dagegen ist die Psychotherapie wirkungslos.

      Wann habe ich überlegend gehandelt, so mit sechs, sieben Jahren? Das kindliche Versteckspielen, immer noch ein beliebter Sport heute, wie ich merke, war auch für uns lange Zeit eine nimmermüde Beschäftigung, einer hielt sich die Augen zu und zählte bis zehn, der andere rannte, so schnell er konnte, sich zu verstecken. Die Begrenzung war ein Häuserblock. Start vor unserem Haus. Anstatt mich aber statisch zu verbergen, lief ich mit höchster Geschwindigkeit um den Block, sodass ich den Sucher bald von hinten sah, der mich immer vorn suchte. So war ich meistens der Gewinner.

      N.: Du warst doch nur bauernschlau, Kerlchen!

      E.: Ansonsten war das sogenannte »Köppen« ein beliebter Sport, welche Größe von Ball uns auch in die Hände fiel, er wurde benutzt. Das Tor, die Bürgersteigbreite, der Abstand circa drei Meter. Der Ball wurde nicht sehr hoch geworfen und mit einer seitlichen Schleuderbewegung des Kopfes mit möglichst großer Beschleunigung ins gegnerische Tor gestoßen, natürlich meist in die unteren Ecken. Ich brachte es hier auch zur Meisterschaft und verlor selten.

      Im Winter kamen die Schlitten zur Geltung, man konnte selbst auf der Straße fahren, denn Autos gab es wenig. Die Großen gingen abends auf den Pf. Berg und wenn die Straße glatt war, fuhren sie bis zum unteren Bahnhof, es war für sie ein Riesenspaß, denn sie saßen immer sehr eng. Um nicht durch Bremsen, was zum Steuern einzelner Schlitten nötig war, Geschwindigkeit zu verlieren, wurden die Schlitten miteinander beweglich verbunden, sodass zuweilen eine lange Schlange entstand. Wehe, wenn ein Schlitten kippte, alle anderen fielen dann auch um. Wir, die Kleineren, hatten andere Strecken, kürzer und steiler, zum Beispiel die Hohle oder das Möllwerchen runter. Während andere gemeine Davosschlitten oder »Jippen« hatten (es waren einfache, aber stabile, kastenförmige Gebilde mit Eisenkufen, auf denen man meist liegend fahren musste) hatte ich einen Rennschlitten, wohl noch von meinem Vater gekauft, mit trapezförmig ausgestellten Kufen, oben schmaler vorn höher als hinten, mit Gurtsitzen, hinten nur zwanzig Zentimeter hoch, und zwei Hörnern, an denen man hinter sich greifend lenken und sich festhalten konnte. Am unteren Ende der steilen Strecke stand quer ein Hindernis in Form einer natursteinernen Scheunenwand, die umfahren werden musste, um über die Hauptstraße den Kirchrain wieder hinaufzukommen. Die Schnelligkeit konnte man daran ermessen, wie weit der Fahrer den Kirchrain heraufgekommen war. Nicht wenige scheiterten an der Mauer oder ließen sich vorher vom Schlitten fallen. Ich kam aufgrund meines besseren Materials immer am weitesten.

      N.: Sieh einer an, was für ein Angeber!

      E.: Es waren alle Jungen ohne Unterschied der Klassen dabei, mir war nicht bewusst, dass es sie gab, erst später mit zehn Jahren ließen sie mich den Unterschied spüren. Mein bester Freund K. wohnte bei seinen Großeltern in, wie mir gar nicht klar wurde, ärmlichsten Verhältnissen, er war ein uneheliches Kind, die Mutter arbeitete in K. Mir sind noch seine grünen Schneidezähne in Erinnerung, sie wurden nie geputzt. Unsere Nachbarn mit ihren Kindern waren fast alle Arbeiter in Zeche und Tongruben, grundehrliche Menschen mit einwandfreiem Charakter. Ich habe weder von meinen Großeltern noch von meiner Mutter abfällige Bemerkungen über sie gehört, im Gegenteil, sie haben sie sehr geschätzt.

      N.: Na ja, die sollten ja auch bei ihnen kaufen.

      E.: Ich wusste damals noch nicht, wo ich herkam, dass mein Großvater ein »richer« Mann war und damit auch seine Tochter und ich, obwohl mein Vater und sein Bruder mit einer Fabrik in Konkurs gegangen waren.

      Meine sommerlichen Fahrerlebnisse begannen mit einem vom Stellmacher handgemachten Handwagen, er war angeschafft worden, damit ich, wenn es erforderlich war, Brot und Brötchen der Bäckerei meines Großvaters den Kunden brächte, besonders viel Spaß machte es mir, wenn die Steigerfamilien beliefert werden mussten. Es war einfacher, bergab zum Ostbahnhof zu fahren, als ihn den Berg hinaufzuziehen und durch den Wald dorthin zu gelangen, denn es führte eine Seilbahn von den Gruben zum Ostbahnhof, die dort die Kohle und den Ton auf Güterwagen weitertransportierten. Die leeren Loren fuhren zurück. Es gruselte mich immer, wenn ich die steilen Treppen der Seilbahnstation unter dem lauten Gepolter der Eisenloren hinaufkletterte, die mit für mich großer Geschwindigkeit in den vorn offenen und hoch über dem Boden gelegenen Schlund befreit vom Zugseil heranrasselten und, geschickt von den von mir bewunderten Männern gebremst, ihren Inhalt auf schräge Ebenen, die zu den Güterwagen führten, kippten. In gleichem Abstand wurden sie dann aufgerichtet, umgelenkt und gefesselt am Seil wieder auf die Reise nach oben geschickt. Da rein kamen dann die Brote und Brötchen, ich sah sie mit Grausen über dem Abgrund schweben.

      N.: Wie ich weiß, hast du bis heute das Grausen vor Abgründen nicht überwunden.

      E.: Der Bursche mischt sich auch überall rein!

      Das war die nützliche Seite meines Wagens, es gab aber eine noch viel schönere. Man konnte im Wagen, vorn sitzend, die Deichsel zwischen die Füße nehmen und damit lenken, auf dem Basaltpflaster rutschten die eisenbewehrten Räder bei jeder Kurve so, dass, heute bezeichnet man es als powerslide, die hinteren Räder nach außen gingen, der Wagen übersteuerte und so um die Kurve schlidderte, ein Heidenspaß, die steile Straße hinab. Bremsen gab es nicht, um zum Stillstand zu kommen, war dieselbe Taktik im übertriebenen Zustand notwendig, indem man den Wagen quer zur Fahrtrichtung stellte. Auf der Ebene sich fortzubewegen war ebenfalls möglich, man saß hinten im Wagen, mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, stieß sich mit den Füßen abwechselnd ab und da die Deichsel nach hinten geschlagen war konnte man den Wagen auch lenken. Alles in allem ein großes Vergnügen, das man den ganzen Tag betreiben konnte. Es wurde immer mehr gewagt, selbst der steile, nicht befestigte Weg den Schw. Berg runter wurde im höchsten Tempo genommen. Übrigens war der Wagen grün gestrichen und hielt alles aus, so gut war seine Qualität.

      N.: Noch heute hält dich dieser Spleen gefangen.

      E.: Ich lebte eine Zeit lang in M. bei meinem Onkel und ging auch dort zur Schule in einem Haus, das damals schon im Garten einen Swimmingpool hatte, in dem ich mit einem Floß, es bestand aus einer Holzbohle, herumpaddelte und schwamm.

      N.: Du hast ganz vergessen, dass du einen großen Wasserkäfer erschlagen hast, du Tierfreund.

      E.: Du bist so gemein, mich daran zu erinnern, ich leide heute noch unter dem Anblick – seine im Tod gespreizten Flügel. So was solltest du nicht tun.

      N.: Meine Bosheit ist mit mir durchgegangen, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde, ich bin betrübt.

      E.: Außerdem stand mir ein Damenfahrrad zur Verfügung, ich fuhr wild auf den Gartenwegen, möglichst schnell und, zum Ärger der Hauswirtin, die Rasenecken abschneidend. Die Wege waren mit rundem Kies gestreut und so konnte ich meinen powerslide auch auf zwei Rädern unter Bremsen des Hinterrades ausführen.


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