Stellaris Paket 4. Andreas Suchanek

Stellaris Paket 4 - Andreas Suchanek


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Lees Platz. Wir wollten ihm einen anderen Platz geben, aber es stellte sich heraus, dass dieser Kontursessel einfach die perfekte Position hat. Es zieht nicht von der Lüftungsanlage her, bei der Temperaturregulierung liegt dieser Punkt abseits der Kühlschneise, und man kann die meisten Bildschirme der Mitarbeiter bequem einsehen. Außerdem liegt er optimal zwischen allen anderen Arbeitsplätzen, sodass jeder in einer freien Minute Cooper Lee streicheln kann, wenn er schläft und dabei unruhig wird. Wir haben in der letzten halben Stunde einen Rotationsplan erstellt. Möchtest du dich eintragen?«

      »Also ...« Frank fehlten die Worte. Er hasste Hunde. Seine Eltern hatten verschiedene Rassen gezüchtet. Ihre Wohnung auf Ferrol hatte mehr bewegliche Hunde-Holos besessen als Bilder von ihm und seiner Schwester Tiffany.

      Besonders gegen Beagles hegte Frank einen unterschwelligen Groll, weil seine Mutter die Hunde immer den eigenen Kindern vorgezogen hatte. Seine Hand berührte flüchtig den Magen in Erinnerung an ein Geschwür, an dem er mit sechzehn Jahren gelitten hatte.

      Frank sammelte sich. Die alte Wut half ihm, die stellvertretende Kapitänin streng anzusehen. »Bifonia Glaud, du kannst nicht mit einem Hund auf dem Arm ein Schiff führen.«

      »Warum nicht? Wir haben Sprachsteuerung.«

      »Aber ...« Das Gefühl, gegen eine Wand zu laufen, breitete sich wie ein dumpfer Schmerz in Franks Körper aus. Er senkte die Stimme, weil es ihm peinlich war, dass ausgerechnet er – der Neue – die stellvertretende Kommandantin zur Räson bringen musste. »Das ist gegen jede Vorschrift. Ein Tier hat in einer Zentrale nichts verloren. Schon gar nicht auf einem Arbeitsplatz, auf dem sein Körbchen abgestellt wird.«

      Bifonia Glaud hob den Welpen hoch. Das Tier starrte Frank aus großen schwarzen Knopfaugen an. Die langen cremefarbenen Ohren rahmten ein Gesicht, das niedlicher nicht hätte aussehen können und ganze Kinderscharen zu Quietschausbrüchen bewegt hätte. »Magst du etwa keine Hunde?«, fragte sie.

      »Nein, Madam, wenn ich ehrlich bin, nicht.«

      Glauds Lächeln wurde breiter. »Ich verstehe. Es geht also um eine persönliche Animosität unter Kollegen. Aber Lee war zuerst da. Was hältst du davon, wenn du dir freinimmst?«

      »Freinehmen? Das ist mein erster Tag!«

      »Na eben. Geh es locker an.« Bifonias Kopf wies zur Tür. »Husch, husch.«

      Wortlos drehte sich Frank um und verließ die Zentrale. Das konnte er nicht hinnehmen. Wenn das ein Scherz sein sollte, ging er zu weit. Auch auf einem zivilen Schiff sollte ein gewisser Anstand auf der Tagesordnung stehen.

      Verärgert nahm Frank den direkten Weg zu Sourou Gashi. Zu seiner Erleichterung musste er keinen Termin vereinbaren, die Kommandantin ließ ihn in ihren persönlichen Arbeitsraum eintreten. Ihre Bewegungen wirkten im Gegensatz zu ihrem Erstgespräch verlangsamt, sie schwankte kaum merklich, als sie sich setzte.

      »Frank Egorius Tan«, sagte sie überrascht. »Solltest du nicht in der Zentrale sein?«

      »Madam Kapitänin, ich muss einen Vorfall melden. In der Zentrale befindet sich ein Hund, der meinen Arbeitsplatz besetzt. Ich nehme an, dies ist ein Scherz, und möchte dich bitten, das zu unterbinden.«

      Die Kommandantin runzelte die Stirn. »Ein Hund? Das wäre neu. Bist du sicher, dass es kein gregorisches Huftier ist?«

      Frank schwieg verunsichert. Sollte das ein Witz sein, oder wurden Neulingen üblicherweise Huftiere vorgesetzt?

      Gashi schüttelte den Kopf. »Ich seh's mir an.« Sie fand zu ihrer alten Beweglichkeit zurück, zog ihre Dienstkleidung zurecht und begleitete ihn zur Zentrale.

      Angespannt hielt Frank den Atem an. Sein Platz war frei, Bifonia Glaud stand zwei Schritte entfernt an einem Terminal und schien in ihre Arbeit vertieft. Sie blieb von ihnen abgewandt stehen. War es also tatsächlich ein Spaß, der ihn vor der Kommandantin hatte bloßstellen sollen? Frank spürte das Brennen seiner Wangen. Er musste etwas sagen, um nicht als Lügner und Querulant dazustehen. »Madam Kapitänin, ich versichere dir ...«

      Gashi schnitt ihm mit einer harschen Geste das Wort ab. »Bifonia, was geht vor?«

      Bifonia Glaud drehte sich lächelnd zu ihnen um. Frank erstarrte. Sie hielt das Untier auf den Armen. »Dal«, stieß er hervor. »Dieser Hund besetzt meinen Platz.«

      Gashi trat vor und legte ihre Hand zärtlich unter das Hundemäulchen. Sie sah den Welpen an und wirkte dabei abwesend. Verklärt meinte sie: »Natürlich besetzt der Welpe deinen Platz. Dieser Platz hat die perfekte Position. Er ist zentral, es zieht nicht von der Anlage her, bei der Temperaturregulierung liegt dieser Punkt abseits der Kühlschneise, und man kann die meisten Bildschirme einsehen.«

      Frank öffnete die Lippen. Er wusste weder vor noch zurück. Seine Hand wanderte unbewusst zum Kügelchen-Fach an seinem Kom. Hatten die beiden Frauen sich abgesprochen? »Aber ... Madam Kapitänin, das ist ein Hund, kein Besatzungsmitglied.«

      Sourou Gashi hörte ihm gar nicht mehr zu. Ihre Aufmerksamkeit war ganz auf den Welpen gerichtet. Sie streichelte die überproportional großen Tatzen, kraulte die Langöhrchen und stieß einen Entzückungslaut aus, als das Tier ein schweratmiges Geräusch von sich gab, als litte es an Asthma. »Er mag mich!«

      Es wurde Frank unheimlich. Der Hund wirkte wie ein ganz normales Tier, doch was war, wenn es sich um etwas ganz anderes handelte? Einen Roboter oder eine Waffe?

      Aufgeschreckt wandte er sich an Bifonia Glaud. »Hat der Hund irgendwelche ... Anweisungen gegeben?«, fragte er vorsichtig.

      Bifonia hob den weißspitzigen Schwanz des Hundes an und streichelte ihn. »Mach dich nicht lächerlich, Tan. Hunde können nicht sprechen.«

      »In Ordnung«, lenkte Frank ein. Was auch immer vor sich ging, es wich definitiv vom Alltag der STELLARIS ab. Er musste zum Bordarzt. Vielleicht sonderte das Tier eine Substanz ab, die Menschen beeinflusste, oder es lag eine Form von Suggestion vor.

      Sonderbar war nur, dass er im Gegensatz zu den anderen dagegen immun zu sein schien. »Ich gehe dann.«

      Glaud wedelte mit der Hand, als wollte sie Fliegen vertreiben. »Ja, ja. Du willst dich bestimmt auf den Landausflug vorbereiten.«

      Frank zuckte im Gehen zusammen, blieb stehen und drehte sich um. Sein Herzschlag beschleunigte. »Landausflug?«, echote er alarmiert.

      »Oh, hatte ich das nicht erwähnt?« Glaud blickte nach wie vor auf den Welpen, Frank würdigte sie keines Blickes. »Wir landen in drei Stunden zwischen. Dauert nicht lang. Hat sich so ergeben.«

      »Wo landen wir?«

      »Irgend so ein Mond. Warus oder so. Und nun geh endlich!«

      Frank presste die Zähne zusammen. Das änderte alles. In der Zentrale drehte die Besatzung wegen eines Hundes durch, und das Schiff machte einen außerplanmäßigen Halt. War das eine Verschwörung? Sollte die STELLARIS gekapert werden? Er musste handeln.

      Im Laufschritt erreichte Frank die Krankenstation und forderte den Bordmediker an. Zu seinem Ärger war es ein Ara; mit den Angehörigen dieses Volkes kam er nicht gut zurecht. Der leitende Mediker, ein steinalter Mann namens Pracco, bat ihn Platz zu nehmen. Auf der Haut seiner Glatze spiegelte sich das Kunstlicht. Er hatte araische Musik im Hintergrund laufen, ein Stück, das seine Klienten vermutlich beruhigen sollte, Frank aber aufgrund seiner Fremdartigkeit disharmonisch erschien.

      Frank setzte sich unruhig in den Pneumosessel und schilderte die Lage. »Ich denke«, schloss er zügig, »dass eine ernsthafte Gefahr besteht. Aufgrund meiner militärischen Vorkenntnisse komme ich zu einem klaren Ergebnis: Das Schiff wird bedroht.«

      Pracco sah ihn zweifelnd an. Er zwinkerte aus zu klein wirkenden Augen. »Und was soll ich nun tun? Auf einen Verdacht hin handeln?«

      »Ist das nicht besser, als hinterher verantwortlich für ein großes Unglück zu sein?«, wies Frank ihn scharf zurecht.

      Langsam nickte Pracco. »Also gut. Wir entfernen den Hund aus der Zentrale. Ich werde mich von dem Tier fernhalten und es nicht ansehen. Da du laut deinen Aussagen


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