Perry Rhodan Neo 218: Abstieg in die Zeit. Rainer Schorm

Perry Rhodan Neo 218: Abstieg in die Zeit - Rainer Schorm


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Fliegenpilz« genannt. Rundherum positionierten sich die Kernstationen: Ortung, Technik, Energie ... und natürlich der Platz des Emotionauten. Man konnte die FANTASY konventionell steuern, aber auf dieser besonderen Reise war Conrad Deringhouse häufig genug froh darüber gewesen, dass ein Meister wie Mentro Kosum den Experimentalraumer lenkte; gleichgültig wie widerborstig sich der Cyboraner gab.

      Die Energiemeiler der FANTASY waren laut; deutlich zu laut für Deringhouses Geschmack, aber daran ließ sich nichts ändern. Der Prototyp hatte sich tapfer gehalten. Sie würden Lashat erreichen, sofern nicht in letzter Sekunde etwas Unvorhergesehenes geschah.

      Genau damit rechnete er allerdings, ganz nach dem Murphy'schen Motto: Wenn etwas schiefgehen kann, geht es schief.

      Das Ekelhafte daran ist: Ich habe momentan nicht die geringste Ahnung, was das sein könnte, dachte er. Aber etwas wird sich finden, da bin ich sicher.

      Seine Frau stupste ihn an. »Du weißt, dass es Murphy nicht gibt, oder? Alter Pessimist!«

      Deringhouse musterte konzentriert die Anzeigen, die ihm die Holowolke darbot. »Wenn du meine Gedanken gelesen hast, lies weiter! Ich habe dich geheiratet. War das pessimistisch?«

      »Sei froh, dass ich einem Vorgesetzten keine verpassen darf. Aber ich habe ein gutes Gedächtnis, wie du weißt«, warnte sie.

      Deringhouse grinste schmal. »Wir sind beide steinalt. Da lässt das Gedächtnis schon mal zu wünschen übrig. Ich hätte beinahe gesagt, vergiss das nicht.«

      »Was?«, fragte Montoya.

      »Eben!«, sagte Deringhouse.

      Sie hatten die Transitionsparameter beinahe erreicht, nah am Optimum. Deringhouse richtete den Blick auf den Platz, an dem Perry Rhodan üblicherweise saß. Der Sitz war verwaist. Rhodan lag in der Medostation.

      An den Anblick gewöhne ich mich nie!, dachte Deringhouse deprimiert.

      Nach den Abenteuern in der KIRRSH, dem Kommando- und Gefängnisschiff der Shafakk, hatte der MINSTREL, der kleine Ableger der Hyperinpotronik NATHAN, die meiste Zeit über dem Fliegenpilz geschwebt, als sei das sein angestammter Platz. Nun, da er nicht mehr in der Zentrale war, vermisste Deringhouse sogar ihn.

      Die beiden NATHAN-Interpreterinnen, Laura und Sophie Bull-Legacy, waren ebenfalls nicht anwesend. Ob das der Fall war, weil der MINSTREL seinen Platz geräumt hatte oder ob dieser den beiden Zwillingen gefolgt war, wusste Deringhouse nicht. Er war verblüfft gewesen, als er erfuhr, dass der MINSTREL in der Medostation aufgetaucht war. Niemand hatte versucht, ihn aufzuhalten, selbst wenn das möglich gewesen wäre.

      Was bei allen Sternenteufeln will er in der Intensivstation?, fragte er sich zum tausendsten Mal.

      Der MINSTREL war eine anorganische Intelligenz, wie NATHAN, der Vaterverbund, auf dem irdischen Mond; kein Computer, obwohl viele den Unterschied nicht begriffen. Zweifellos verfügte NATHAN über ein medizinisches Wissen in einem Maße wie kein Arzt der Welt. Aber bis auf sehr spezifische Aktionen war die Hyperinpotronik auf diesem Gebiet nicht aktiv geworden. Er hatte Rhodans Söhne zu den ersten Emotionauten der Menschheit und die Töchter von Reginald Bull und Autum Legacy zu seinen persönlichen Interpreterinnen gemacht. Nicht, dass Deringhouse genau gewusst hätte, was damit gemeint war, aber dass die Zwillinge verändert worden waren, daraus machten sie selbst kein Geheimnis.

      Bislang jedoch hatte der MINSTREL Perry Rhodan nicht geholfen – wahrscheinlich nicht helfen können. Warum also suchte er nun dessen Nähe?

      Ein leises Akustiksignal zeigte das Erreichen der optimalen Sprunggeschwindigkeit an.

      »Das Halbraumfeld baut sich auf«, meldete Cameron Canary. Der rothaarige Multi-Ingenieur klang zuversichtlich.

      Das Team aus Ingenieuren und Technikern, die den größten Teil der Mannschaft ausmachten, hatte ein Experiment gewagt. Der Linearantrieb funktionierte nicht. Für einen Linearflug war das Halbraumfeld zu instabil, aber für eine Hilfsfunktion war es bestens geeignet.

      Das Feld erleichterte der FANTASY den Durchbruch in den Hyperraum und ebenso den Rücksturz. Diese Technik reduzierte nicht nur den Energieaufwand der Strukturprojektoren, sie verringerte zugleich die Belastungen für das Material und die Besatzung erheblich. Für das Transitionstriebwerk der FANTASY, das niemals für die gewaltigen Entfernungen oder die immense Anzahl der dicht hintereinanderfolgenden Sprünge konzipiert worden war, die für ihre derzeitige Fernexpedition nötig waren, war das wahrscheinlich die Rettung gewesen.

      Zumindest haben wir so unser Ziel beinahe erreicht, dachte Deringhouse.

      Kosum gab das Signal, und die FANTASY sprang.

      Der Eindruck unterschied sich von einer normalen Transition. Deringhouse glaubte, einen alles überziehenden, rötlichen Schimmer zu sehen – einen typischen Halbraumeffekt.

      Wie immer dauerte der Sprung nicht lange genug, um wirklich wahrgenommen werden zu können, der Vorgang glich eher der Erinnerung an einen Traum. Der übliche Transitionsschock war kaum spürbar. Ohnehin hatte sich Deringhouse im Laufe der Jahrzehnte daran gewöhnt. Aber für viele der Techniker und Ingenieure an Bord, die den größten Teil ihrer Dienstzeit in den Werften auf dem Mond oder der Erde verbracht hatten, war es eine erhebliche Erleichterung. Sprungverspannungen mit ihren unangenehmen Sekundärfolgen gab es keine mehr, das hatte er einem Bericht von Pari Sato entnommen, der Chefärztin der FANTASY.

      Wenigstens das, dachte er. Dann ist dieser technische Großversuch immerhin zu etwas nutze.

      »Schiff stabil«, meldete Kosum. »Wir haben das Notemesystem erreicht. Bisher keine Besonderheiten.«

      »Ortung auf Hochtouren!«, befahl Deringhouse. »Ich will keine bösen Überraschungen erleben.«

      »Ich kann Merkoshs Daten bestätigen«, sagte der Ortungsoffizier Alberto Pérez. »Spektralklasse K2V. Leuchtet schwächer und rötlicher als unsere Sonne. Etwa null Komma sieben Sonnenradien und etwa null Komma acht Sonnenmassen. Diesmal ist es wenigstens kein Sternenmonster – davon hatten wir in letzter Zeit genug.«

      »Ist Lashat auszumachen?«, wollte Deringhouse wissen. »Ich sehe im Ortungsergebnis nichts.«

      Pérez ließ sich einige Sekunden Zeit. »Jetzt müsste etwas auftauchen. Die Massetastung ist positiv. Lashats Masse ist mit der Erde vergleichbar – eine etwas geringere Dichte, das ist jedoch marginal.«

      »Ich bekomme die Massenangabe angezeigt«, sagte Deringhouse. »Aber warum sehe ich in der optischen Wiedergabe nichts?«

      Pérez' Stimme klang ungläubig. »Eine derart niedrige Albedo habe ich nie zuvor gemessen. Der Planet ist schwarz wie eine Teergrube. Unglaublich. Davon hat Merkosh nichts erwähnt.«

      Merkosh war aufgestanden und musterte die Bilder und Grafiken. Der Oproner war humanoid, hochgewachsen und beinahe dürr. Seiner Transparenz wegen nannte man ihn auch den »Gläsernen«. Er war sichtlich erstaunt. Zumindest das konnte Deringhouse in seinem von großen, grünen Augen geprägten Gesicht erkennen, obwohl die Mimik des Oproners meist schwer zu deuten war. »Das ist mir neu«, sagte Merkosh. »Eine allzu hohe Rückstrahlung hatte Lashat nie, aber sie war definitiv stärker als das hier.«

      »Haben Sie eine Vorstellung, was geschehen sein könnte?«, fragte Pérez. Seine Analyseholos umschwärmten ihn wie ein Hornissenschwarm. »Übrigens entspricht die Atmosphärenzusammensetzung exakt Ihren Angaben. Da gab es keine Veränderungen – zumindest keine, die von unserer Position aus messbar wäre.«

      Merkosh war am 17. November 2088 im Situationstransmitter von Olymp aufgetaucht und hatte sich als friedlicher Besucher vorgestellt. Nun befand sich die FANTASY im sogenannten Compariat – seiner Heimat – und stand kurz vor Lashat: der Welt, auf der alles zusammenlief.

      Gucky runzelte die Nase. »Ich mag diesen Planeten nicht.«

      »Hast du etwas aufgefangen?«, wollte Montoya wissen. Der Mausbiber war mit seinen Paragaben jemand, auf dessen Einschätzung sie Wert legte.

      »Nein«, antwortete der Ilt. »Ich empfange telepathisch nichts. Aber daran liegt es nicht. Es ist nur ein Gefühl.


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