Perry Rhodan 3075: Die Warnung der Signatin. Uwe Anton
Sie atmete tief durch. Dem Tod mochten sie vorerst entronnen sein, aber sie waren keineswegs in Sicherheit. Der Tod war allgegenwärtig, auch dort, wo man ihn vielleicht gar nicht vermutete.
Sie musste an den Mausbiber Gucky denken, der in Atlans Armen gestorben war, an das Bild der Spiralgalaxis, die von der Leiche aufgestiegen war, sich majestätisch erhoben hatte und emporgeschwebt war. An die grenzenlose Wut des Arkoniden, der das Ende der Mörder ohne jedes Mitleid mit angesehen hatte.
Atlan hatte geplant, den Mausbiber in jener alten, 2410 Lichtjahre vom Solsystem entfernten, sterbenden Sonne beizusetzen, die einst vom Planeten Tramp umlaufen worden war, der Heimat der Ilts. Ob ihm das mittlerweile gelungen war?
Dancer würde nicht beigesetzt werden. Abgesehen davon, dass sie wahrscheinlich bei der Bleisphäre verrecken und bis in alle Ewigkeit im freien All treiben würde, hatte sie ohnehin keine Heimatsonne mehr, in der man sie bestatten konnte.
»Ich orientiere mich noch«, riss der TARA-Psi sie aus den düsteren Gedanken.
Er hatte recht. Sie war nicht tot, ebenso wenig wie ihr Bruder. Aber es fiel ihr schwer, die nötige Geduld aufzubringen, dem Roboter die Zeit zu geben, die er benötigte, um ihre durchaus missliche Lage zu analysieren.
»Die Flotte der Arkoniden ist nicht in meiner Reichweite«, gab er schließlich bekannt. »Sie kann ich auf keinen Fall mit Teleportationen erreichen.«
Geht er nach dem Ausschlussverfahren vor?, fragte sich Dancer. Teilt er uns erst einmal mit, was ihm nicht möglich ist, und dann, was er eventuell schaffen könnte? Oder folgt er irgendeiner Dramaturgie?
»Dann werden wir eben auf ein Schiff der Naats oder der Ladhonen wechseln müssen«, sagte Dancer trotzig. »Sind welche von ihnen in der Nähe?«
»Einige Schiffe nähern sich unserer Position. Aber es wird dauern, bis sie uns erreicht haben.«
War ja klar, dachte Dancer. Die Naatraumer können nicht mit dreißig Prozent Lichtgeschwindigkeit angebraust kommen, dann einfach stoppen und uns aus dem All fischen.
»Vielleicht gibt es eine andere Möglichkeit ...«, fuhr der TARA-Psi fort.
»Welche?« Der Roboter konnte mit einem Passagier im Transportkorb bis zu 500 Kilometer teleportieren. Bei jedem Sprung verbrauchte er allerdings eine winzige Menge Salkrit, sodass dessen Vorhandensein den Einsatzmöglichkeiten Grenzen setzte.
Der TARA-Psi antwortete nicht, schien nachzudenken. Für ihn war es kein großes Problem, im All zu treiben, jedenfalls nicht auf kurze Sicht. Bei Schlafner und ihr sah das schon etwas anders aus. Sie warf einen Blick auf die SERUN-Anzeigen.
Du darfst dich nicht verrückt machen! Ihr Vorrat an Atemluft, Wasser und Nahrungskonzentraten reichte für mehrere Tage.
Es war ein psychologisches Problem. Vielleicht hätte sie nicht an den Mausbiber denken sollen. Aber Atlan hatte sie per Funk über die tragischen Ereignisse informiert, und seitdem bewegten sich immer wieder ihre Gedanken um den Kleinen.
Gucky war ein geborener Multimutant gewesen, sie hingegen verfügte über eher eingeschränkte Kräfte. Und die waren nicht einmal angeboren.
»Wir sind ganz in der Nähe eines akonischen Etappenhofs herausgekommen, den die Ladhonen oder die Cairaner hier positioniert haben«, sagte der Roboter dann.
»Wir sind also unmittelbar vor der Bleisphäre«, stellte Schlafner fest. Man konnte die riesige graue Wand zwar sehen, aber die Entfernung nicht abschätzen.
Dancers Gedanken gingen schon etwas weiter. »Kann das Zufall sein?«, murmelte sie. Es gab nur sechs Etappenhöfe, und bei der gewaltigen Größe der Bleisphäre kam ihr das sehr unwahrscheinlich vor.
»Ein Etappenhof hat auch etwas gesendet, als wir mit der BAILNOOD in die Sphäre eingedrungen sind«, sagte Schlafner nachdenklich. »Du hast damals den Eindruck gehabt, als hätten wir uns irgendwie in diesen Transmitterimpuls eingefädelt ...«
Das war richtig. Sie könnte es nicht rational erklären, falls man es nun von ihr verlangte, aber es war mehr als nur ein bloßes Gefühl gewesen.
»Schiffe nähern sich«, meldete der TARA-Psi. »Einheiten der Ladhonen, aber auch etliche der Naats. Ich messe sowohl Fünfzehnhundert-Meter-Raumer der KUTTBAYAR-Klasse als auch Tausend-Meter-Schiffe der BUCHANDHA-Klasse an.«
Wie die BAILNOOD eines gewesen ist, dachte Dancer. »Schleusen sie Beiboote aus?«
»Die meisten. Das war kaum anders zu erwarten. Sie beginnen, die Überlebenden der Katastrophe aufzusammeln.«
Keine Menschenfischer, dachte Dancer, aber immerhin Mutanten- oder Naatfischer. Womit unsere Probleme jedoch keineswegs ausgestanden sind, sondern erst beginnen.
Ihr Bruder und sie trugen Fazialmasken, die sie bei oberflächlicher Kontrolle als Maaliter durchgehen ließen.
Als Maaliter hatten sie sich an Bord der BAILNOOD Dimma Tatshu und Okarul Tatshu genannt, Geschwister wie im wahren Leben. Sollten ihre Retter sie aber auf Herz und Nieren überprüfen, nachdem sie sie aufgefischt hatten, würden die Masken mit Sicherheit auffallen.
Dieses Risiko müssen wir eingehen, dachte Dancer. Immer ein Schritt nach dem anderen. Wir befassen uns damit, sobald wir uns damit befassen müssen.
Eine Option hatte sie bislang nicht angesprochen. »Ist es möglich, Funkkontakt mit Admiral agh Fermi aufzunehmen?«
Der De-Keon'athor Markul agh Fermi war der Stellvertreter des Mascanten Atlan in M 13, und das Trio war zu dessen Unterstützung und Schutz an Bord der TARTS geblieben. Von Bord der TARTS waren sie zu ihrer Mission aufgebrochen. Über Rettungsmissionen hatten sie kein Wort verloren. Ihnen war klar, dass sie größtenteils auf sich allein gestellt sein würden.
»Nein, das wäre zu verräterisch«, hielt ihr Bruder dagegen. »Außerdem bezweifle ich, dass er imstande sein wird, uns irgendwie zu unterstützen. Ganz zu schweigen von der arkonidischen Zurückhaltung, die er an den Tag legen soll.« Wie jeder Mitspieler auf dieser Bühne hatte sich auch der Admiral an die Vorgaben zu halten.
Dancer war klar, was ihr Bruder damit ausdrücken wollte. Würde der De-Keon'athor es riskieren, eine Eskalation des Konflikts in Kauf zu nehmen, nur um sie zu retten?
Strategisch durfte er gar keinen Gedanken daran verschwenden. Die Flotten der Arkonidischen Baronien und der Naats standen sich an der Bleisphäre direkt gegenüber. Jede Aktion konnte der Auslöser sein, der den fragilen Zustand zerbrechen ließ und Kämpfe zur Folge haben könnte, die Hunderttausende von Leben fordern würden.
»Solange unser Leben nicht akut gefährdet ist, sollten wir Funkdisziplin wahren«, gab der TARA-Psi ihm recht.
Dancer registrierte sehr wohl, dass er von unserem Leben sprach. Wer genau hinhörte, musste annehmen, dass an diesem Roboter offenbar ein Mensch verloren gegangen war. Doch Dancer wusste es – als eine von nur wenigen – besser: Im TARA-Psi steckte ein Mensch, zumindest dessen Bewusstsein oder jedenfalls immerhin Spuren davon. Doch so, wie ihr Bruder und sie ihre wahren Namen – Odin und Dva Bouknadel – nur in absoluten Ausnahmesituationen verwendeten, würde sie auch Sallu Browns Geheimnis wahren und ihn mit seiner offiziellen Bezeichnung anreden.
Illustration: Swen Papenbrock
Haben wir die Lage unter- und uns selbst maßlos überschätzt?, fragte sie sich. Es war klar, dass jeder Versuch, die Bleisphäre zu durchqueren, zu katastrophalen Ergebnissen führen könnte, und diese Ergebnisse waren nun eingetreten. Die BAILNOOD hatte die Passage nicht überstanden, der Unterstützung durch die Hypertronik zum Trotz, und obwohl die Antis den Flug mit ihren Paragaben zu steuern versucht hatten.
Sie drehte den SERUN leicht, sodass sie zur Bleisphäre sah. Der Anblick war genauso furchterregend und unheimlich wie am ersten Tag. Ein undurchdringliches silbrig-bleigraues Wabern tat sich vor ihr auf, nicht mehr und nicht weniger als eine endlos hohe Wand. Dancer wusste, dass die Sphäre insgesamt