Perry Rhodan 3052: Terra. Christian Montillon
terranischer Frauen durch die erhöhte Hyperimpedanz in diesem Teil des Dyoversums.«
»Und?«
»Nichts und. Es gibt keinerlei Beweise, nur irgendwelche schrägen Interpretationen einer Erbkrankheit, die es bereits vor fünfhundert Jahren gab – vor der Versetzung. Als ich ihm das sagte, wollte er nichts davon hören.« Sie winkte ab. »Derartigen Leuten begegnet die Chefwissenschaftlerin der Liga ...« Sie lächelte und klopfte sich gegen den Brustkorb. »... übrigens ständig. Eine solche Position scheint Spinner geradezu anzuziehen. Aber zurück zur Sache – du hast NATHAN also überzeugt?«
»Habe ich.« Und ganz nebenbei hatte Rhodan einige Informationen gesammelt. Er hatte sich einen Eindruck von NATHAN verschafft: Dieser hatte einen Teil des Mondes umgestaltet, um sein sogenanntes Ylatorium zu errichten – eine experimentelle Roboterzivilisation, die an seine positronische Tochter YLA erinnern sollte. Obwohl NATHAN eine Art eigene Philosophie zu entwickeln schien, war der lunare Großrechner Rhodans Einschätzung nach immer noch der treue Freund der Menschheit.
»Kommandantin Madouni soll uns nach Terra bringen«, berichtete Rhodan. »Dort werden wir aber nicht sofort die Residentin treffen, sondern zunächst einen alten Bekannten.«
»Und wen?«, fragte Sichu. »Homer G. Adams befindet sich noch für einige Tage in der Suspension, und sonst kann niemand von damals mehr am Leben sein.«
»Rico«, sagte Rhodan.
»Oh.«
»Ich war ebenso überrascht. Er ist Bürgermeister von Neu-Atlantis, genauer gesagt, einer der beiden Bürgermeister. Er teilt sich den Posten gleichberechtigt mit einer Frau. Xaphia da Zavaron, jüngster Spross einer alten arkonidischen Adelsfamilie.«
»Von der ich nie gehört habe.«
»Ebenso wenig wie ich«, meinte Rhodan. »Farye ist mit Mulholland und Tergén bereits in Madounis Flaggschiff. Fehlen nur wir beide. Aber das hat noch einen Moment Zeit.« Er nahm die Gabel und trennte einen Bissen des Kuchens ab. »Köstlich«, sagte er kurz darauf mit vollem Mund.
Sichu ließ ihr eigenes Stück liegen und probierte seines. »Findest du? Ich konnte Erdbeeren nie leiden.«
»Banausin«, sagte er.
*
In der Eingangshalle, kurz vor dem Verlassen des Kelchbaus, erhielt Rhodan einen Funkanruf von Ghizlane Madouni. Sie bat ihn, auf sie zu warten, da sie noch im Kelch persönlich mit ihm sprechen wollte, und versprach, höchstens zehn Minuten zu brauchen. Dabei klang ihre Stimme amüsiert, als würde sie sich ein Lachen verkneifen.
Während sie warteten, wirkte Sichu Dorksteiger ungeduldig, doch Rhodan genoss die Atmosphäre. Er fühlte sich zu Hause.
Egal, ob Terra und Luna in einem fremden Zwillingsuniversum ihre Bahnen zogen ... ob längst neue Generationen von Bewohnern herangewachsen waren ... ob die Gesellschaft sich verändert hatte ... ob er von manchen Gruppen angefeindet wurde oder nicht – dies war seine angestammte Heimat: die Erde und ihr Trabant.
Eine Truppe Raumsoldaten kam in das Gebäude, in voller Uniform und Montur, die Helme im Nacken eingefaltet. Männer und Frauen, die ihn in schnellem Tempo passierten, ohne ihn wahrzunehmen; überwiegend Terraner, aber er sah auch eine Arkonidin und einen Insektoiden, den er spontan keinem bestimmten Volk zuordnen konnte.
Einige Kinder strömten lärmend und lachend in die Halle. Sie eilten zu der Felsenlandschaft, die den künstlichen Bachlauf in der Seite des Raumes umgab. Ein Mädchen deutete zu den Soldaten und rief: »Papa!«
Einer der Piloten drehte den Kopf und winkte, ehe er mit den anderen weitereilte.
Kurz darauf traf die Kommandantin ein.
Rhodan kannte Ghizlane Madouni erst seit Kurzem, doch er wusste, dass er ihr vertrauen konnte. Die Erlebnisse mit der inhaftierten Topsiderin und während des Attentats im Tunnel zwischen den Bronzehütten hatten ihm bewiesen, dass sie auf derselben Seite standen.
»Es wird dich freuen zu hören«, sagte Rhodan, »dass NATHAN meine Identität bestätigt hat.«
»Erstens habe ich daran nicht mehr gezweifelt«, kommentierte sie, »und zweitens hat das Mondgehirn mich sofort informiert. Ich soll dich nach Terra bringen. Aber das werde ich nicht.«
Rhodan fiel auf, dass sich Sichus Haltung versteifte. »Und was spricht dagegen?«, fragte er.
Die Kommandantin machte eine umfassende Handbewegung. »Ich muss noch etwas erledigen. Mein Stellvertreter wird euch transportieren, mit der ANDOLFI, ganz offiziell. Dass ich zurückbleibe, braucht niemanden zu interessieren.«
»Außer uns«, meinte Sichu. »Was hast du im Ylatorium vor?«
»Jemand hat ein Attentat auf uns verübt«, sagte Ghizlane Madouni. »Genauer gesagt, wohl auf dich, Perry. Aber wer immer dahintersteckt, er oder sie hat den möglichen Tod anderer Personen in Kauf genommen.«
Rhodan nickte. »Allerdings denke ich, es war eher eine ... Stellungnahme als ein Attentat. Ein zerstörter Tunnel, der uns der Atmosphärelosigkeit aussetzt – während wir Raumanzüge tragen, was sich unser Gegner hat ausrechnen können. Falls es sich nicht um einen Idioten handelt.«
»Stellungnahme oder Attentat«, sagte Madouni. »Mir ist das egal. Ich will wissen, wer es war. Mit meinem Sicherheitschef Torr Nishal habe ich bereits die Ermittlungen aufgenommen.« Sie streckte abwehrend die Hand aus. »Leider gibt es bislang keine nennenswerten Ergebnisse, nur einen Ansatzpunkt. Ich halte euch auf dem Laufenden und bin überzeugt, dass wir uns wiedersehen werden.«
»Ohne jeden Zweifel«, sagte er.
Ghizlane Madouni verabschiedete sich. »Sei vorsichtig, Perry Rhodan. Es gefällt nicht allen, dass deine Ankunft Zündstoff bietet. Die Vanothen werden weiterhin aufbegehren. Dazu kommt das Auslieferungsultimatum der Topsider. Kommandantin Hokkno wartet in ihrem Schiff jenseits der Grenzen des Solsystems. Falls du meine Meinung hören willst, geht natürlich niemand auf das Ultimatum ein, aber das könnte den mühsam erhaltenen Frieden mit den Echsen beenden. Ein offener Krieg wäre ...« Sie brach mitten im Satz ab. »Das muss ich dir wohl nicht erklären.«
»Einen offenen Krieg wegen meiner Person lasse ich nicht zu«, stellte Rhodan klar.
»Und wenn du es nicht verhindern kannst?«
Er sah sie lange an. »Ich werde einen Weg finden«, sagte er schließlich.
*
In der Zentrale der ORATIO ANDOLFI warteten bereits Rhodans Enkelin Farye und die beiden anderen Teammitglieder auf sie – der Mutant Mulholland und der Vergleichende Historiker Tergén. Tergén war für Perry Rhodan eine Art Joker; sein Bauchgefühl hatte ihm geraten, ihn mitzunehmen, obwohl er ihn am wenigsten von allen kannte.
Iwán/Iwa Mulholland stellte sich während des kurzen Fluges nach Terra zu Rhodan. Mulholland changierte zwischen den Geschlechtern und sah sich mal dem einen, mal dem anderen Geschlecht zugehörig, wählte darum für sich selbst das sächliche Pronomen. Menschen, die ihm gegenüberstanden, nahmen Mulholland unterschiedlich wahr, Frauen eher als weiblich, Männer eher als männlich. Weshalb Rhodan in ihm stets einen Mann sah.
»Ich habe mich umgehört«, sagte es.
Rhodan wusste, dass sich Iwán dabei nicht ausschließlich auf seine Ohren verlassen, sondern seine Paragabe genutzt hatte, um telepathisch Informationen zu sammeln.
Nach diesem ersten Satz schwieg Mulholland – zumindest akustisch. Es verfügte über eine Telemittergabe, konnte Gedanken also gezielt senden. Rhodans Mentalstabilisierung würde ihn davor schützen, doch er öffnete die Stabilisierung. In Iwáns Gegenwart schaltete er meistens automatisch auf Empfang.
So erfuhr er, dass sich der Mutant sowohl im Kelchbau als auch an Bord der ORATIO ANDOLFI umgehört hatte.
Etliche Mitglieder der Schiffssicherheit glaubten, dass der Anführer der Vanothen – der Vano, der vermutlich seit einiger Zeit irgendwo auf dem Mars untergetaucht war – einem Spielplan