Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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aus­ge­wi­chen. Er habe ge­hört, dass Ens­lin dar­an ar­bei­te, die Le­hens­rech­te, die Ös­ter­reich über Würt­tem­berg habe, ab­zu­lö­sen, und dass er sich des­halb den Kai­ser ge­neigt er­hal­ten woll­te. Bis das er­le­digt sei, wer­de Würt­tem­berg dem Kai­ser in al­len Din­gen nach­ge­ben und sich auf nichts Ver­däch­ti­ges ein­las­sen. Jam­mer­voll sei es, wie am Hofe ge­haust wer­de, in ei­nem Freu­den­hau­se kön­ne es nicht är­ger zu­ge­hen. Mehr als fünf­hun­dert Per­so­nen zäh­le der Hof­staat, und die Ta­fel sei im­mer voll ge­deckt. Der Her­zog wol­le durch­aus eine statt­li­che Hof­hal­tung füh­ren, ob­wohl doch we­nig Adel im Würt­tem­ber­gi­schen vor­han­den sei und das Land ge­dei­hen könn­te, wenn es nicht ab­sicht­lich ver­derbt wür­de. Geld flie­ße wie Was­ser, und um es sich zu ver­schaf­fen, lie­ße der Her­zog Gold­ma­cher kom­men und ste­cke ih­nen Tau­sen­de von Ta­lern in die Ta­sche, be­vor eine Erb­se groß Gold aus ih­rem Tie­gel kom­me. Schlau ge­nug sei der Her­zog, aber er küm­me­re sich nur noch dar­um, et­was ins Bett und in den Beu­tel zu be­kom­men, und der Ens­lin kön­ne und wol­le nicht über Würt­tem­berg hin­aus­den­ken.

      In­des­sen hat­te der Groß­hof­meis­ter, Graf Solms, sei­ne Not mit dem Kur­fürs­ten, der, übel­lau­nig von der Rei­se zu­rück­keh­rend, auf sei­ne Ge­mah­lin schimpf­te, weil sie ihm nicht ent­ge­gen­ge­kom­men sei, und in ihre Ge­mä­cher drin­gen woll­te, um sie zur Rede zu stel­len. Er sei eben nicht in dem Zu­stan­de, der ho­hen Frau auf­zu­war­ten, sag­te Graf Solms ernst; er habe ge­trun­ken und sei nicht Meis­ter über sei­ne Zun­ge. »De­sto mehr über mei­ne Faust«, stam­mel­te der Kur­fürst und roll­te die Au­gen.

      Wenn er ihn ver­hin­dern kön­ne, sei­ne edle Ge­mah­lin zu be­lei­di­gen, so wol­le er Leib und Le­ben dar­an­set­zen, so­wohl ih­ret­we­gen wie sei­net­we­gen.

      »Wa­rum ver­birgt sie sich denn wie ein Weib, das sei­nem Ehe­herrn übel­ge­sinnt ist?« schrie der Kur­fürst. »Hät­te sie mich ge­liebt, wie es sich ge­bührt, so hät­te sie einen gu­ten Mann an mir ge­fun­den. Willst du leug­nen, dass ich ein gut­her­zi­ger, nach­gie­bi­ger Mensch bin? Ich will doch se­hen, ob ich ih­ren Stolz und Trotz nicht beu­gen kann! ob sie mit ih­rem La­tein und Fran­zö­sisch einen Aus­weg vor mei­nen Fäus­ten fin­det!«

      Der Graf stemm­te sich ge­gen die Tür und sag­te ru­hig: »Der Leib Eu­res Die­ners ist Euer Schild, er schützt Euch ge­gen Tod und ge­gen Schan­de.« Die­se Wor­te und der vor­wurfs­vol­le Blick des Gra­fen wen­de­ten Fried­richs Sinn au­gen­blick­lich; er warf sich, in Trä­nen aus­bre­chend, an sei­ne Brust und rief: »O mein Herz, mein treues­ter Jo­han­nes, ich tö­te­te ja mich selbst in dir! Ver­lass mich nicht! Denn was wäre ich ohne dich! Was habe ich dir ge­tan, dass du mir die kalt­her­zi­ge, un­ge­hor­sa­me Frau vor­ziehst und mich um ih­ret­wil­len dei­ner Lie­be be­raubst?«

      »Weil ich Euch lie­be«, sag­te Solms trau­rig, »will ich nicht, dass Ihr eine hohe Dame be­lei­digt, die Ihr viel­mehr be­schüt­zen soll­tet«, und fuhr fort, ihm in die­ser Wei­se zu­zu­spre­chen, wor­über er schläf­rig wur­de und zu Bett ge­bracht wer­den konn­te.

      Bei wie­der­er­lang­ter Nüch­tern­heit pfleg­te der Pfalz­graf An­wand­lun­gen von Reue über die ver­üb­ten Ex­zes­se zu ha­ben, be­son­ders seit er dem vom Land­gra­fen Mo­ritz bei Ge­le­gen­heit ei­nes Fa­mi­li­en­fes­tes in Hei­del­berg ge­grün­de­ten Mä­ßig­keits­or­den bei­ge­tre­ten war. Mo­ritz hat­te es da­mals är­ger­lich emp­fun­den, dass der Stumpf­sinn der Be­trun­ke­nen nicht die Art der Un­ter­hal­tung auf­kom­men ließ, die er lieb­te, und hat­te den Vor­schlag ge­macht, man sol­le sich eine ge­wis­se Be­schrän­kung im Es­sen und Trin­ken auf­er­le­gen und zu die­sem Zweck einen Ve­rein stif­ten. Der Mensch sei zum Eben­bil­de Got­tes, nicht zum Eben­bil­de von Af­fen und Schwei­nen ge­schaf­fen, de­nen er im Rausch ähn­lich wer­de.

      Es sei gar zu an­stren­gend, Mensch zu sein, sag­te der Her­zog von Würt­tem­berg, man müs­se sich von Zeit zu Zeit in der Säue­rei da­von er­ho­len. – So? sag­te Mo­ritz höh­nisch, das sei je nach­dem: ein Vier­füß­ler kön­ne nicht lan­ge auf­recht ge­hen, ihm wür­de es Mühe ma­chen, auf al­len vie­ren zu lau­fen. Gott habe den Men­schen ja ein Bad der Er­qui­ckung ge­rich­tet in der Be­trach­tung sei­ner Voll­kom­men­heit und in der Er­for­schung der Welt­wun­der. Da der Mensch aus Got­tes Geist ge­schaf­fen sei, kön­ne ihm auch nur durch den Geist Le­ben zu­flie­ßen. Frei­lich müs­se man es­sen und trin­ken, um den Kör­per zu er­hal­ten, mit dem der Geist ver­bun­den sei; aber wenn man zu viel Holz in den Ofen schie­be, so er­sti­cke das Feu­er, um des­sent­wil­len doch nur ge­heizt wer­de. Die Fürs­ten soll­ten des­sen vor al­len Din­gen ein­ge­denk sein, die ih­ren Un­ter­ta­nen ein Vor­bild auf­stel­len soll­ten. Sie als christ­li­che Fürs­ten möch­ten auch nicht einen Baal oder Mo­loch an­be­ten, der im ei­ser­nen Bauch Kin­der ver­bren­ne und sich mit Op­fer­blut be­gie­ßen las­se; so könn­ten sie auch christ­li­chen Völ­kern nicht zu­mu­ten, Her­ren zu die­nen, die im Sumpf der Völ­le­rei hei­misch wä­ren. Wenn sie ih­ren Un­ter­ta­nen nicht das Bei­spiel ei­nes ed­le­ren Le­bens ge­ben könn­ten, wozu wä­ren sie dann da? Hät­te Gott sie ein­ge­setzt, da­mit sie sich de­sto bes­ser be­sau­fen könn­ten? Ein Fürst ste­he auf be­leuch­te­ter Höhe, und sein Wan­del müs­se so sein, dass je­der ihn mit Lust be­trach­ten und sich da­nach bil­den kön­ne.

      Von sol­chen und ähn­li­chen Re­den des Land­gra­fen Mo­ritz wur­de der Pfalz­graf end­lich so er­schüt­tert, dass er zu wei­nen an­fing, dem Land­gra­fen um den Hals fiel und ihm sag­te, er habe sein Ge­wis­sen ge­weckt, es sei al­les wahr und rich­tig, er, der Pfalz­graf, wol­le nun vom Sau­fen las­sen und ein fürst­li­ches Le­ben füh­ren, da­mit die evan­ge­li­sche Wahr­heit durch ihn of­fen­bar wer­de. Es wur­de dem­nach zur Ein­rich­tung des Or­dens ge­schrit­ten, wo­nach nie­mand bei ei­ner Mahl­zeit mehr als sie­ben Be­cher Wein trin­ken durf­te; zu ei­nem klei­ne­ren Maße woll­te der Her­zog von Würt­tem­berg, der aber her­nach wie­der aus­trat, sich nicht ver­ste­hen, da er mein­te, Gott kön­ne es nicht dar­auf ab­ge­se­hen ha­ben, die Fürs­ten und Her­ren ver­schmach­ten zu las­sen. Au­ßer dem Land­gra­fen Mo­ritz und dem Pfalz­gra­fen tra­ten dem Or­den bei der Land­graf Lud­wig von Hes­sen-Darm­stadt, Mo­rit­zens Vet­ter, der Mark­graf von Jä­gern­dorf und ei­ni­ge Gra­fen von Nassau, Solms, Er­bach und Lei­nin­gen.

      Als Er­folg und Zu­wachs wur­de es in Hei­del­berg be­grüßt, dass Land­graf Mo­ritz von Hes­sen im Jah­re 1603 den re­for­mier­ten Glau­ben an­nahm. Auf ei­ner Rei­se durch die Schweiz und Frank­reich hat­te er die Ein­rich­tun­gen der re­for­mier­ten Kir­che durch ei­ge­ne An­schau­ung und ihre Lei­ter per­sön­lich ken­nen­ge­lernt und einen Ein­druck da­von ge­won­nen, der sei­ne schon be­ste­hen­de Nei­gung ver­stärk­te. In Ba­sel, Zü­rich und Genf fand er Fried­fer­tig­keit, Ord­nung und Tüch­tig­keit, sah er alle Kräf­te des Ge­mein­we­sens ge­sam­melt, um eine har­mo­ni­sche Er­schei­nung her­vor­zu­brin­gen. Die Geist­li­chen, mit de­nen er sich un­ter­hielt, schwärm­ten nicht in Ge­heim­nis­sen, die sie al­lein be­sit­zen woll­ten, viel­mehr such­ten sie die gött­li­che Ver­nunft al­len zu ent­schlei­ern. Es schi­en ihm, als hät­ten die Men­schen dort kla­re­re und fes­te­re Ge­dan­ken, ge­sun­de­re, re­gel­mä­ßi­ger schla­gen­de Her­zen, und Un­ge­duld er­griff ihn, einen ähn­li­chen Zu­stand nach Deutsch­land, we­nigs­tens nach dem ihm un­ter­ge­be­nen Hes­sen zu ver­pflan­zen. Den Kö­nig von Frank­reich, Hein­rich IV., be­trach­te­te er als noch


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