Fettnäpfchenführer Island. Marc Herbrechter
als urisländischen Feiertag sehen«, beginnt Ásgeir hochtrabend eine Rede – und wird jäh von Tobi unterbrochen: »… und er ist es auch nicht. Aber Ásgeir säuft halt gern, und an diesem, seinem quasi ganz persönlichen Feiertag ruft er deshalb alljährlich die gesamte Mannschaft auf, sich am Abend vernichtend zu betrinken. Denkt dran, dass manche von euch morgen früh raus müssen …«
Ein kleines Katzenbaby könnte nicht trauriger schauen als Ásgeir, der eine ganze Rede vorbereitet hat und diese vor den Kollegen halten wollte. Nun bleibt ihm also nichts anderes übrig, als die Scherben einzusammeln, die von der Motivation zum Trinken noch übriggeblieben sind.
Max hat von dem ganzen Spektakel gar nichts mitbekommen, denn er war in der Küche damit beschäftigt, den Kakao für die anstehende Tour zuzubereiten, und die blubbernden und pfeifenden Wasserkocher haben alles übertönt. »Du bist also auf jeden Fall auch dabei, ja?«, hört Max den etwas größeren und weitaus hagereren Kollegen fragen, als dieser ihn spielerisch in den Schwitzkasten nimmt und ihm die Haare zerzaust. »Was? Ja, ähm …« »Jawohl!«, kontert Ásgeir mit seinem besten deutschen Akzent, bevor Max auch nur fragen kann, worum es geht, und deutet auf die nicht vorhandene Uhr an seinem linken Handgelenk: »Um acht im Brugghús!«
Erst während der Fahrt zum Nationalpark erfährt Max, für welchen »Freiwilligendienst« er sich da gemeldet hat. Gar nicht so tragisch, denkt er sich, denn er ist einer der wenigen im Team, die am Folgetag frei haben. Max trinkt selten Alkohol, weiß aber, wie man sich rausredet, um nicht schon nach einem Bier unter dem Tisch zu liegen. Wegen seiner Statur hält man Max immer für trinkfest. Dass er nach einem Glas Wein bereits undeutlich spricht, weckt bei anderen meist nur den Wunsch, noch ein Glas zu bestellen. Er würde heute Abend strategisch klug vorgehen und den Spieß umdrehen!
Die Tour verläuft reibungslos, die Gäste haben großen Spaß, und bei Antritt der Rückfahrt schlafen sie bereits seelenruhig auf der Rückbank. So zumindest erzählt man es Max bei der Ankunft am Tauchladen, denn er hat auf dem Beifahrersitz ebenfalls seelenruhig geschlafen. Equipment aus- und Fotos hochladen, Busse reinigen und vor dem Laden abstellen, und dann ab nach Hause. Mittlerweile hat Max den Bogen raus, und die anfangs harte Arbeit geht ihm routiniert von der Hand.
Zu Hause angekommen, geht es kurz unter die Dusche und noch ein Stündchen an den Rechner. Facebook und Twitter updaten, schauen, was es Neues in der Welt gibt, und ein bisschen Zeitung lesen. Der Plan für den Abend: langsam anfangen, alle anderen ordentlich trinken lassen und schön unter dem Radar bleiben. Genau so würde er den Abend locker überstehen, ohne den kommenden freien Tag einem Kater opfern zu müssen.
Kurz vor sieben geht es los, durch die kleinen, engen Seitenstraßen in Richtung alter Hafen. Das Bryggjan Brugghús ist ein eher gehobenes Restaurant mit einer kleinen Bar. Wegen der Nähe zum Tauchladen ist es jedoch sehr beliebt bei den Kollegen, und durch die regelmäßigen Besuche gibt es auch hier und da mal ein Bierchen umsonst oder eine Schüssel Snacks gratis. Kaum angekommen wird Max sofort mit einem Glas Wein begrüßt, und sein Plan beginnt sich in Wohlgefallen aufzulösen. Nach diesem Glas wird Max bereits ordentlich angeschickert sein, und es wird ihm schwerfallen, den Abend diszipliniert ausklingen zu lassen. Wie soll das bloß enden …
Wie so häufig drehen sich die Gespräche anfangs ums Tauchen, um die Geschehnisse auf den vergangenen Touren und den Alltag als Fremder in Island. Jeder hat eine lustige Geschichte von Touristen beizusteuern, fast jeder eine von Beinahe-Tauchunfällen, und einige berichten von Fettnäpfchen, in die sie getappt sind.
Irgendwann kommt das Gesprächsthema auf Stereotype: Was macht einen typischen Polen aus und woran erkennt man ihn? Ist der isländische Hákarl (dazu später mehr) nun eine Delikatesse oder ein Abwehrmittel gegen Touristen? Und warum hat Max als einziger Deutscher in der Runde kein Bier in der Hand? Max sieht seine Felle davonschwimmen, bis sich das Blatt zu seinen Gunsten wendet. »Ich wette ein Oktoberfestbier, dass ich mehr über Bier weiß als Max«, prahlt Ásgeir. »Na, das wollen wir doch mal sehen!«, kontert Max – wohl wissend, dass er in dieser Kategorie keine großen Anstrengungen unternehmen muss, um haushoch zu verlieren. Er wird Ásgeir ein Glas Bier ausgeben und diesem damit einen großen Alkohol-Vorsprung geben.
Die Kollegen sollen also einer nach dem anderen Fragen zum Thema Bier stellen. Ásgeir und Max sollen nacheinander antworten. Der Erste, der eine Frage nicht oder nur falsch beantworten kann, muss dem anderen ein Oktoberfestbier ausgeben. Das würde leichter werden, als einem Baby den Schnuller zu klauen.
Bereits die dritte Frage, nämlich welche Inhaltsstoffe laut dem deutschen Reinheitsgebot in einem Bier landen dürfen, kann Max nicht korrekt beantworten und muss gesenkten Hauptes die Niederlage einstecken, wobei er still in sich hineingrinst. Weil er gerade neben der netten Bekannten eines Kollegen sitzt, die dieser mitgebracht und als »gute Freundin« bezeichnet hat, und Max diesen Platz nicht aufgeben will, gibt er Ásgeir einen 5000-Kronen-Schein (etwa vierzig Euro) und widmet sich wieder der Aufgabe, charmant zu seiner Sitznachbarin zu sein.
Als der Gewinner zurückkehrt, sieht Max ihn nur aus dem Augenwinkel an und hält seine Hand auf. Ein paar Münzen klimpern hinein, und obwohl er noch auf Papiergeld wartet, scheint es keines zu geben. Schockiert stellt er fest, dass sich umgerechnet keine zehn Euro in seiner Hand befinden, und realisiert allmählich das Ausmaß seines Verlustes, während Ásgeir ihm mit einem Maßkrug zuprostet.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Max war danach nicht mehr in der Lage, sein charmantes Gespräch weiterzuführen, und die Bekannte des Kollegen verlor irgendwann das Interesse an ihm.
Aber davon abgesehen hat Max zwei Dinge unterschätzt: den Durst der Isländer und den staatlichen Schutz vor dem Durst der Isländer. Im gesamten Land kann man Alkohol nicht einfach so kaufen. Es gibt spezielle Geschäfte, die so genannten Vínbúðin, in denen alkoholische Getränke verkauft werden. Doch nicht nur durch die eingeschränkte Verfügbarkeit wird es den Isländern schwer gemacht, zu viel zu trinken, sondern auch durch die enorme Besteuerung von Alkohol.
Ein Bier, ein Glas Wein oder Spirituosen kosten in Island das Zweibis Dreifache von dem, was man aus Deutschland gewohnt ist. Ein 0,3 Liter großes Bier kann über sechs Euro kosten, ein Glas Wein mehr als zehn Euro, und Cocktails liegen im preislichen Bereich eines guten Abendessens in München oder Hamburg. Der genaue Preis hängt immer vom Wechselkurs ab, doch auch bei einem freundlichen Kurs wird Alkohol in Island für Touristen immer ein teures Vergnügen sein.
Das Oktoberfestbier kam Max doppelt teuer zu stehen, denn es wurde nicht nur in einem für Isländer unvorstellbar großen Maßkrug serviert, sondern zuvor auch von findigen Isländern aus der Heimat des Bieres in das Land der Wikinger importiert. Das lässt man sich gut bezahlen, und so bekam Max am Ende doch noch große Lust, sich ordentlich zu betrinken!
Was können Sie besser machen?
Ein Geheimtipp für alle, die im Urlaub nicht auf alkoholische Getränke verzichten möchten, aber auf ihr Budget achten müssen: Den günstigsten Alkohol gibt es in Island am Flughafen. Im Dutyfree-Shop sollte man sich ausreichend eindecken. Auch als Geschenk sind Mitbringsel von hier bei den Einheimischen gern gesehen. Während man auf der ganzen Welt normalerweise mit deutscher Schokolade punkten kann, freuen sich die meisten Isländer wohl eher über eine Flasche Brennivín, einen bekannten isländischen Schnaps.
Wer sich in Reykjavík aufhält, ist gut beraten, die Smartphone-App AppyHour zu installieren. In dieser werden die Happy Hours von verschiedenen Bars in der ganzen Stadt gelistet, sodass man zum einen eine Übersicht der Bars bekommt, zum anderen aber auch weiß, in welcher das Bier zurzeit günstig zu haben ist.
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PLASTIK BEVORZUGT
NIEMAND WILL GELD VON MAX
Das Wetter ist ausnahmsweise einmal richtig frühlingshaft in Reykjavík,