Fettnäpfchenführer Südafrika. Elena Beis

Fettnäpfchenführer Südafrika - Elena Beis


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Vorsichtsmaßnahmen hält, ist man auf der sicheren Seite.

       DIE BERGE VON KAPSTADT: TAFELBERG, DEVIL’S PEAK, LION’S HEAD UND SIGNAL HILL

      Kapstadts Mittelpunkt ist der Tafelberg. Alle Stadtteile sind um den Berg herum gruppiert. Fragt man einen Kapstädter nach dem Weg, entlockt man ihm nur selten eine konkretere Wegbeschreibung als ›zum Berg hin‹, ›vom Berg weg‹ oder ›auf der anderen Seite des Berges‹ – was für einen nicht Tafelberg-kundigen Europäer auf der Suche nach beispielsweise Sea Point ganz schön verwirrend sein kann. Kapstädter orientieren sich nicht nur in puncto Wegbeschreibungen, sondern auch bei Wetterprognosen am Tafelberg. Überhaupt wird über das Wetter, den Wind und den Berg in Kapstadt immer lange und ausgiebig gesprochen.

      Der höchste Punkt des Tafelbergs, Maclear’s Beacon, liegt einen circa 45-minütigen Spaziergang von der Bergstation der Seilbahn entfernt.

      Der Tafelberg ist 600 Millionen Jahre alt, 1.086 Meter hoch, 1.400 Pflanzenarten reich (mehr als in ganz Großbritannien zusammengenommen!) und umfasst 6.000 Hektar unberührter Klippen, Ströme und einheimischer Vegetation, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt. Man schätzt, dass er früher, bevor ihn Wind und Wasser zurechtgestutzt haben, fünf Mal so hoch war wie heutzutage.

      Die Ureinwohner von Kapstadt nannten den Tafelberg Hoeri (Meeresbucht). Im Jahr 1503 wurde er vom portugiesischen Seefahrer Saldana zu Taboa do Cabo (Tafel des Kaps) umbenannt. Der Admiral war im Übrigen auch einer der ersten Europäer, der den Tafelberg 1503 über Platteklip Gorge erklomm.

      Nicht nur die Kapstädter lieben ihren Berg. Der Tafelberg ist die meistbesuchte Touristenattraktion in Südafrika. (Wandertipps siehe Kapitel 15.) Signal Hill und Lion’s Head (Löwenkopf) sind die zwei markanten grünen Bergkuppen neben dem Tafelberg.

      Lion’s Head ist 669 Meter hoch und nichts für Couch Potatoes – er ist nur zu Fuß zu besteigen. Die Belohnung für den relativ gut bewältigbaren 1,5 Stunden langen Aufstieg ist ein spektakulärer 360 Grad Blick auf die Stadt und die Atlantikküste – eine fantastische Sonnenuntergangs-Wanderung. Aus der Distanz betrachtet, ähnelt er einem Löwenkopf. Die Form vom Signal Hill, oder ›Löwenrumpf‹, gleicht wiederum dem ruhenden Körper des Tieres.

      Der runde Signal Hill verdankt seinen Namen der ›Noon Gun‹, der Kanone, die seit dem 17. Jahrhundert das Ankommen eines neuen Schiffes signalisiert. Heute wird sie nur noch aus Traditionsgründen jeden Tag um zwölf Uhr abgefeuert. Auf den 350 Meter hohen Berg kann man mit dem Auto fahren. Die Aussicht ist grandios. Je nachdem auf welcher Seite man herunterschaut, kann man die Strände von Clifton, die City Bowl oder die Waterfront mit der Tafelbucht im Hintergrund sehen.

      An der Ostseite des Tafelberges liegt der 1.002 Meter hohe Devil’s Peak (Teufelsspitze). Einer Legende nach hat sich der Pirat van Hunks um 1700 auf den Devil’s Peak zurückgezogen, um dort zu leben. Eines Tages tauchte ein Unbekannter auf und forderte ihn zu einem Rauchwettbewerb heraus, der bis heute andauert. Der Unbekannte entpuppte sich als der leibhaftige Teufel. Da niemand den Wettbewerb bisher gewonnen hat, setzen ihn die beiden bis heute fort. Die ›Rauchdecke‹ über dem Tafelberg, das ›table cloth‹, sieht man bis heute immer wieder.

      6

       STREET LIFE

      Die Verlängerung der Kloof Street ist die berühmt-berüchtigte Long Street. Früher war dies Kapstadts längste Straße und heutzutage gilt sie als ›the place to go‹, wenn man abends weggehen will.

      Während Silvie und Simon an der großen Kreuzung zwischen der Kloof und der Long Street auf die grüne Ampel warten, bemerkt Silvie eine junge Südafrikanerin mit einer schönen weißen Pünktchenverzierung auf dem Gesicht.

      (Apropos: Lehm- und ockerfarbene Gesichtsbemalungen sind typisch für Xhosas. Frauen tragen den Lehm nicht nur zu dekorativen Zwecken auf, sondern schmieren ihn manchmal als Sonnenschutz auf das gesamte Gesicht.)

      Sie trägt ihr Baby in einer Decke auf dem Rücken. Über ihrem langen traditionellen Kleid hat sie sich eine knallorangefarbene Weste gezogen auf der ›The Big Issue‹ steht – das ist wohl so etwas wie die Zeitschriften, die Obdachlose daheim auf der Straße verkaufen. Die Frau schlendert mit einem Packen Zeitschriften an den angehaltenen Autos vorbei und lächelt, obwohl sie abwechselnd ignoriert oder abgewiesen wird, unentmutigt weiter und wünscht allen einen schönen Tag. Verkäufer daheim könnten sich hier ein Scheibchen an positiver Verkaufstaktik abschneiden ...

      Muss trotzdem total frustrierend sein, tagein-tagaus wie Luft behandelt zu werden und stundenlang auf einen sozial engagierten Käufer zu hoffen, um am Ende des Tages hoffentlich ein wenig Essen für sein Kind kaufen zu können, das man den ganzen Tag mit sich durch die Autoabgase schleppt. Silvie würde sich die Kugel geben, wäre sie diese Frau.

      Aber die Südafrikanerin bewerkstelligt das Ganze mit so viel Würde und Elan, dass sie allein dafür jede Unterstützung verdient. Silvie kramt einen Schein aus ihrer Socke – hoffentlich hat sie niemand das Geld da herausholen sehen ... – und kauft ihr eine Zeitschrift ab. Die Südafrikanerin bedankt sich freudestrahlend, und auch Silvie ist froh, etwas Gutes getan zu haben.

      Keine zehn Meter weiter sitzt ein etwa 80-jähriger weißer Mann in Hemd, Fliege und ordentlich nach hinten gekämmtem Haar auf einem Klappstuhl am Straßenrand. Er ist zu schwach und zu alt zum Stehen – und verkauft genau die gleiche Zeitschrift. Hat er denn niemanden, der ihm helfen kann? Herzzerreißend. Silvie kann sich doch jetzt nicht schon wieder dieselbe Zeitschrift kaufen? Sie schlendert an dem Mann vorbei, ohne ihm etwas zu geben. Und keine drei Meter später plagen sie fürchterliche Schuldgefühle. Die zwei Euro hätten sie jetzt auch in keine Finanzkrise gestürzt. Wo aber zieht man eine Grenze?

      Die Armutsverhältnisse und sozialen Kontraste in Südafrika können einen zunächst einmal mitnehmen, vor allem wenn man das erste Mal in ein Entwicklungsland reist und mit ›Armut‹ bis dato deutsche Sozialhilfeempfänger assoziiert hat. Abwechselnde Emotionsschübe von Schuld, Mitleid und totaler Genervtheit sind durchaus normale Eingewöhnungsphänomene.

      Leider kann man nicht allen helfen, die Hilfe verdienen. Eine gute Idee ist es, Initiativen und Organisationen zu unterstützen, die ihr Geld sinnvoll einsetzen.

      Südafrika hat leider kein Sozialsystem wie Deutschland, was solche Initiativen zu einem wichtigen Überlebensfaktor für viele Menschen macht.

      Sobald man die Ampel von der Kloof Street zur Long Street überquert, wird alles lauter, chaotischer, betriebsamer und, aufgrund der vielen unterschiedlichen Menschen, die Silvie nirgendwo einordnen kann, bedrohlicher.

      Hippe Alternativcafés reihen sich an afrikanische Restaurants, kubanische Zigarren-Bars, dubiose Billard-Spelunken, Livemusik-Schuppen, teure Öko-Restaurants, orientalische Bars mit Wasserpfeifen und Bauchtanz, Irish Pubs und kreativ eingerichtete Klamotten-, Deko-, und Antiquitätengeschäfte. Zwischen den Altbauten mit kunstgeschmiedeten Balkongittern und kunterbunten Art-Déco-Fassaden befinden sich ein paar extrem hässliche Häuser – das eine mit den eingeschlagenen Scheiben sieht aus wie ein Asylantenheim und das andere weiter hinten wie ein heruntergekommener Bürokomplex aus den 60er-Jahren. Mein Gott, was für ein wilder Stil- und Menschenmix hier!

      »Sisi, Sisi!« Jemand schreit Silvie hinterher. Der verwechselt sie wohl grad.

      »Sisi, Sisi!! Etwas Kleingeld bitte!« Ein schmächtiger farbiger Junge mit braunen Kulleraugen und dreckigem Gesicht kommt schnurstracks auf Silvie zugeschossen und hält ihr seine leere Hand hin.

      »Bitte Sisi!«

      Warum nennt der sie die ganze Zeit Sisi?

      (Apropos: Schwarze Südafrikaner sprechen


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