Medizin und Gesellschaft. Andreas Kögel

Medizin und Gesellschaft - Andreas Kögel


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auch die Versuche zuordnen, das Altern des Organismus zu verlangsamen oder aufzuhalten. Dieses Thema ist besonders interessant, da mit dem Alter die Zahl der Krankheiten bzw. Beeinträchtigungen und Behinderungen zunimmt und viele Begleiterscheinungen des Altersprozesses Erkrankungen ähneln. Die Frage, ob das Altern per se Krankheitscharakter hat, ist ein klassischer Streitpunkt, in den oft das schwammige philosophische Konzept der Natürlichkeit miteinbezogen wird. Die Begründung lautet dann, dass Altern natürlich und damit keine Krankheit sei. Allerdings ist die Markierung eines Sachverhaltes als natürlich willkürlich, bereits innerhalb der Medizin. So werden Krankheiten als natürliche Todesursachen von gewaltsamen Einwirkungen wie Unfall oder Totschlag abgegrenzt; die Abgrenzung des reinen Alterns wäre dann eher an seiner Universalität zu verankern – ausnahmslos jeder komplexere biologische Organismus ist ihm unterworfen. Jedenfalls ist auch die Beschäftigung mit den biologischen Grundlagen des Alterns und die Bearbeitung seiner Begleiterscheinungen ein Feld der Biomedizin.59

      Quasi das Gegenteil von Enhancement ist das gezielte Schädigen des menschlichen Körpers im Zuge von Hinrichtungen, Folter oder Körperstrafen (z. B. die Amputation von Gliedmaßen). Vermutlich fanden und finden solche Praktiken unter Mitwirkung (oder zumindest Konsultation) von Ärztinnen und Psychologen statt, zur Sicherstellung und Steigerung ihrer Effektivität oder zur Kontrolle ihrer Auswirkungen.

      Möchte man diese Bereiche in den Geltungsbereich der Biomedizin mit einbeziehen, kann man Humanmedizin definieren als eine Profession, die sich mit den Funktionen des menschlichen Organismus befasst und Eingriffe in diesen vornimmt, in der Regel mit dem Ziel einer Beseitigung oder Verhinderung von Funktionsstörungen bzw. einer Anpassung an soziokulturelle Erfordernisse. Die Medizin zur organisierten Krankenbehandlung, Prävention und Salutogenese deckt davon nur einen Teilbereich ab, wenn auch den bedeutendsten. Der biomedizinische Fokus lässt sich dann wiederum erweitern durch Berücksichtigung der sozialen Umwelt des medizinischen Handelns, wodurch man zur Sozialmedizin und den Gesundheitswissenschaften gelangt.


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