Kunst und Handwerk des Schauspielers. William Esper

Kunst und Handwerk des Schauspielers - William  Esper


Скачать книгу
und nickt mir zu. »Sie scheinen es zu verstehen«, sagt er und nimmt hinter seinem Schreibtisch Platz.

      »Es ist eine gute Gruppe. Du hast Glück.«

      »Ich habe sehr viel Glück gehabt. Für gewöhnlich habe ich sehr engagierte Schüler.« Bill macht es sich auf seinem Stuhl bequem, tippt auf die Tastatur seines Apple-Computers. Der Bildschirm leuchtet auf und er öffnet sein E-Mail-Programm. »Glaubst du, du hast alles, um über die Wiederholungsübung zu schreiben?«

      »Fast. Ich würde gerne noch ein paar Dinge klären, bevor ich weitermache.«

      »Schieß los.«

      Ich setze mich neben Bill, ziehe Notizbuch und Stift heraus. »Hauptsächlich mache ich mir Sorgen, dass das Schreiben über Wiederholungen dem nicht gerecht wird. Die Übung ist so spontan, dass, wenn sie in vollem Gange ist, jeder Moment völlig neu und unerwartet ist. Darüber zu lesen wird nicht dasselbe sein, wie sie in Aktion zu erleben.«

      »Das ist richtig«, sagt Bill. »Aber bei diesem Punkt sollten wir beachten, dass das Lesen eines Buches über das Schauspielen niemals das Studium und Training mit einem qualifizierten Lehrer ersetzen kann.«

      »Ich kann ein oder zwei Sätze darüber schreiben.«

      »Mach das. Ich würde nur ungern einen Haufen Leute herumrennen sehen, die glauben, sie wüssten alles über die Meisner-Technik, nachdem sie unser Buch gelesen haben. Die Wiederholung ist eine außergewöhnliche Übung. Selbst nach vierzig Jahren Arbeit mit dieser Übung bin ich immer noch erstaunt, wie schnell sie einen Schauspieler aus seiner Kopflastigkeit herausholt und alle seine Reaktionen etwa dreißig Zentimeter Richtung Süden verschiebt.« Bill klopft sich mit der Hand an die Stirn und dann auf die Brust. »Nun agiert er von dort aus, von wo aus er sollte, aus seinem Herzen heraus. Die Wiederholung ist eine so einfache Übung, aber bedenke, was sie von jemandem verlangt. Sie zwingt den Schauspieler, wirklich zuzuhören. Sie zwingt den Schauspieler, wirklich und wahrhaftig zu reagieren. Sie zwingt den Schauspieler, von einem Moment zum andern zu arbeiten, und sie zwingt ihn zu echter Spontaneität.«

      »Ein guter Ausgangspunkt, um das Handwerk zu erlernen«, sage ich.

      Bill korrigiert mich: »Es ist der entscheidende Ausgangspunkt, um das Handwerk zu erlernen. Die Wiederholung ist deshalb sehr wichtig für die Meisner-Technik. Weißt du, wer mit dieser Arbeit gut zurechtkam, nebenbei bemerkt? Ich hatte einmal die Gelegenheit, John Riggins zu unterrichten, einen der größten Runningbacks in der Geschichte des Profi-Footballs. Er spielte für die Washington Redskins und war der Most Valuable Player (MVP) des Super Bowls XVII. Als John vom aktiven Sport zurücktrat, wollte er der Schauspielerei eine Chance geben. Er kam also zu mir, und wir begannen für ein paar Jahre zusammenzuarbeiten. Er stürzte sich ins Schauspieltraining mit der gleichen Energie, die er einst ins NFL-Training steckte, um bester Running Back zu werden. Eines Tages gratulierte ich ihm zu seiner harten Arbeit, aber er antwortete: ›Bill, ich sollte dir danken. Für mich bist du ein ebenso wertvoller Trainer wie Vince Lombardi.‹«

      Ich schließe die Augen. »Ein großes Lob.«

      Bill lacht. »Ich sagte: ›John, wie meinst du das?‹, und er antwortete: ›Ich verstehe, was du mit den Schauspielern machst. Du konditionierst sie. Konditionierung ist etwas, was ich verstehe. Als ich noch Football spielte, trainierte ich Tag und Nacht, weil ich wusste, dass, wenn ich das Spielfeld betrat, meine Fähigkeiten so perfektioniert sein mussten, dass sie mir in Fleisch und Blut übergegangen waren. Wenn du kurz davor stehst, von einem über 150 Kilo schweren Linebacker umgehauen zu werden, hast du keine Zeit zum Nachdenken. Wenn du mitten im Spiel anfängst nachzudenken, bist du erledigt.‹

      John sagte: ›Schauspiel funktioniert genauso, richtig? Wenn du nicht bereit bist zu arbeiten, hast du kein Recht, einen Fuß auf die Bühne oder vor die Kamera zu setzen. Und du kannst nicht anfangen zu arbeiten, solange du dein Handwerk nicht verfeinert hast. Dein Handwerk zu verfeinern heißt, dass du dich so weit konditioniert hast, dass du nicht anders kannst, als bestimmte Dinge auf eine bestimmte Art und Weise zu tun. Du hast die Arbeit verinnerlicht. Handwerk ist Gewohnheit. Wenn du dein Handwerk so weit verfeinert hast, dass es ein Teil von dir ist, dann steht es dir frei, deine ganze Aufmerksamkeit auf die Interpretation deiner Rolle zu richten.‹«

      »Kluger Junge«, sage ich.

      »Er war ein wunderbarer Schüler«, sagt Bill. »Jeder darstellende Künstler sollte die Disziplin eines Weltklasse-Athleten haben. Die Disziplin ist das, was den Künstler vom Kunstliebhaber unterscheidet. Wir alle kennen Menschen, die ein Musikstück so sehr lieben, dass sie sogar jedes Mal weinen, wenn sie es hören. Aber wenn sie sich nicht so weit schulen, dass sie alle Töne – klar und mühelos – treffen, sind sie keine Sänger. Sie sind einfach nur Musikliebhaber.«

      Bill legt eine Pause ein. »Jetzt, wo wir ein Loblied auf die Wiederholung gesungen haben, sollten wir natürlich auch die Schwachstelle erwähnen.«

      »Welche Schwachstelle?«

      Bill zieht ein Gesicht. »Viele Leute assoziieren die Meisner-Technik mit der Wiederholung. Ich möchte, dass du dich daran erinnerst – wir müssen es in dem Buch erwähnen: Die Wiederholung sollte nicht überbewertet werden. Sanford Meisner sagte einmal zu mir: ›Die Wiederholung ist sehr gefährlich, weil jeder sie machen kann und viele Leute glauben, dass sie sie unterrichten können.‹ Er meinte damit, dass es einfach ist, sich in der Erforschung der Wiederholung zu verlieren – der Spontaneität der Übung, der Art und Weise, wie sie Schauspieler zum Zusammenwirken zwingt, und all die anderen Dinge, auf die wir bereits hingewiesen haben und die sie zu einem nützlichen Werkzeug machen. Aber die Wiederholung alleine kann den Schauspieler nicht in die tieferen Ebenen seiner Arbeit führen.«

      »Ich verstehe. Sie ist also nur die Spitze des Eisbergs.«

      »Man könnte es so betrachten, ja. Tatsächlich ist die Wiederholung ein sehr kleiner Teil der Meisner-Technik. Wenn überhaupt, dann dient die Wiederholung lediglich als Initialzündung für alles andere, was folgt. Sie ist nur die erste Stufe der Rakete; sie ist so konstruiert, dass sie abstürzt, sobald ihr Zweck erfüllt ist.

      Die Kunst des Schauspielens erfordert viel mehr als die Wiederholung. Man muss darüber hinausgehen, um tiefer in die Technik einzudringen. Und dennoch ist sie ein wunderbarer Ausgangspunkt, und wir werden die nächsten Wochen dabeibleiben.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.

      Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.

/9j/4ROERXhpZgAATU0AKgAAAAgABwESAAMAAAABAAEAAAEaAAUAAAABAAAAYgEbAAUAAAABAAAA agEoAAMAAAABAAIAAAExAAIAAAAgAAAAcgEyAAIAAAAUAAAAkodpAAQAAAABAAAAqAAAANQACvyA AAAnEAAK/IAAACcQQWRvYmUgUGhvdG9zaG9wIENTNS4xIE1hY2ludG9zaAAyMDIxOjAzOjAxIDE0 OjE1OjUxAAAAAAOgAQADAAAAAQABAACgAgAEAAAAAQAAB4igAwAEAAAAAQAAC7wAAAAAAAAABgED AAMAAAABAAYAAAEaAAUAAAABAAABIgEbAAUAAAABAAABKgEoAAMAAAABAAIAAAIBAAQAAAABAAAB MgICAAQAAAABAAASSgAAAAAAAABIAAAAAQAAAEgAAAAB/9j/7QAMQWRvYmVfQ00AAf/uAA5BZG9i ZQBkgAAAAAH/2wCEAAwICAgJCAwJCQwRCwoLERUPDAwPFRgTExUTExgRDAwMDAwMEQwMDAwMDAwM DAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwBDQsLDQ4NEA4OEBQODg4UFA4ODg4UEQwMDAwMEREMDAwMDAwR DAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDAwMDP/AABEIAKAAZwMBIgACEQEDEQH/3QAEAAf/xAE/ AAABBQEBAQEBAQAAAAAAAAADAAECBAUGBwgJCgsBAAEFAQEBAQEBAAAAAAAAAAEAAgMEBQYHCAkK CxAAAQQBAwIEAgUHBggFAwwzAQA
Скачать книгу