Entdeckungsfahrten im Pazifik. James Cook

Entdeckungsfahrten im Pazifik - James Cook


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Hemisphäre kaum groß genug; jetzt umfangen mich die Mauern des Greenwich Hospitals – viel zu eng für meinen aktiven Geist.“ Doch der Pazifik ersparte ihm die geistigen und körperlichen Beschwerden des Alters; er holte Cook, wie er Magellan geholt hatte und La Pérouse holen sollte. Zurück blieben ein König, der die Hiobsbotschaft weinend aufnahm, eine trauernde Nation und eine gramgebeugte Witwe, der die See den Gatten und zwei hoffnungsvolle Söhne nahm.

      Fast ein Jahrhundert sollte vergehen, ehe sich die umwälzenden Folgen von Cooks großen Leistungen klar abzeichneten – die britische Erschließung Australiens und Neuseelands; der blühende Handel im nördlichen Pazifik; die kanadische Besetzung von Britisch-Kolumbien; die amerikanische Besitznahme von Hawaii und Alaska. Selbst heute noch hat man die wahren Verdienste dieser stillen, unromantischen Persönlichkeit nicht voll erfasst; selten setzt man Cook ein Denkmal, kaum ist ihm der Dank des Vaterlandes gewiss. Doch eine Tatsache bleibt bestehen: Millionen Menschen englischer Zunge, deren Heimat (darunter Teile des US-Territoriums) der Pazifik umspült, verdanken ihre Heimat und ihren Wohlstand den Pioniertaten des James Cook.

       A. Grenfell Price

      ENTDECKUNGSFAHRTEN

      IM PAZIFIK

      ERSTES KAPITEL

      PROBLEME DER SEEFAHRT IM 18. JAHRHUNDERT

      „Der unbekannte Raum vom Wendekreis des Steinbocks bis hin zu 50° südlicher Breite muss nahezu zur Gänze aus Land bestehen. ALEXANDER DALRYMPLE, 1762

      Kaum ein Historiker wird leugnen, dass die Fahrten des Bartholomeu Diaz, Christoph Columbus, Fernando Magellan und James Cook zu den bedeutendsten europäischen Beiträgen zur Erforschung der Meere zählen; doch kaum ein Historiker wird auch versuchen, die Verdienste von Seefahrern zu vergleichen, die in verschiedenen Zeiten, Regionen und Schiffen aufs Meer fuhren, mit verschiedenen Mannschaften und wissenschaftlichen Hilfsmitteln. Allesamt bereicherten sie das menschliche Wissen von der Gestalt der Erde; alle beeinflussten sie in entscheidendem Maße Entwicklungen, die der Alten Welt vier neue, unbekannte Kontinente erschlossen. Doch kein Forscher vor James Cook leistete einen so umfassenden Beitrag zur Lösung der Meeresrätsel seiner Zeit und seiner Generation – des achtzehnten Jahrhunderts. Selbst wenn wir einräumen, dass der europäische Schiffbau, die Navigation und die Kartografie zwischen Diaz‘ Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung (1487) und Cooks Entdeckung von Ostaustralien (1770) enorme Fortschritte erzielt hatten – selbst dann erscheint es dem Forscher und Wissenschaftler kaum fasslich, dass ein einziger Mann den jahrhundertealten Mythos des riesigen „Südlands“ entschleierte, dass er Ostaustralien, Hawaii und andere pazifische Inseln entdeckte, dass er Neuseeland erfasste und dessen künftigen Wert voraussagte, dass er Berings Entdeckungen in der Arktis bestätigte, dass er Navigation und Kartografie einen großen Schritt vorwärts brachte und dass er auf den Erkenntnissen von Lind und anderen aufbaute, um durch Antiskorbutika das Leben von Millionen Seeleuten zu retten.

      Einige Charakterzüge dieses großen Mannes enthüllen die folgenden Auszüge aus seinen schlicht und sachlich-klar verfassten Logbüchern. Nur eines bleibt noch zu bemerken: Cook vollbrachte höchste Leistungen – trotz niedrigster Herkunft – durch große Befähigung, großen Mut, große Bestimmtheit, große Arbeitskraft und Härte gegenüber unendlicher Mühsal. Diese Fähigkeiten ermöglichten ihm ohne große Hilfe und angesichts überwältigender Schwierigkeiten, eine bemerkenswerte Begabung für Mathematik und ein Genie für Kartografie zu entwickeln – jenes erstaunliche Geschick bei der Erfassung unbekannter Küsten, das ihn nach Admiral Wharton „befähigte, und das darf man getrost behaupten, die moderne Vermessungstechnik der Marine zu begründen“. Doch obwohl ihn seine großen Leistungen schon zu Lebzeiten berühmt machten, blieb er reserviert, zurückhaltend und bescheiden.

      Um Cooks Beitrag zur Lösung der Seefahrtsprobleme des 18. Jahrhunderts würdigen zu können, muss man sich den Stand der Kenntnisse zu jener Zeit in wenigstens fünf großen Fragen vergegenwärtigen. Diese Fragen kreisten um die Existenz eines riesigen südlichen Kontinents, um die Größe und Gestalt Ostaustraliens und Neuseelands, die Geografie des nördlichsten Pazifiks und der angrenzenden Arktis, um Navigation und Kartografie und um das Problem der Seekrankheiten. Die folgenden Logbuch-Auszüge belegen jedoch auch andere Beiträge Cooks und seiner Mitarbeiter zu Fachgebieten wie der Anthropologie, Botanik und Zoologie.

      Der Mythos eines südlichen Kontinents war schon in der Antike entstanden; die Griechen hatten geglaubt, südliche Landmassen müssten ein Gegengewicht zu den nördlichen bilden. Ptolemäus (um 150) und manche mittelalterlichen Geografen füllten die südliche Hemisphäre deshalb mit einem riesigen Erdteil. Um 1500 wiesen Forscher wie Columbus und Magellan nach, dass die Erde eine Kugel ungeheuren Ausmaßes ist – dass in den Wasserwüsten des Pazifiks und der südlichen Meere neben Amerika auch weitere Kontinente reichlich Platz hätten. Jedoch: Diaz‘ Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung, Magellans Entdeckung der dann nach ihm benannten Straße und schließlich Drakes Entdeckung der Kap-Horn-Passage (1578) trieben die Seefahrer vom östlichen und westlichen Atlantik zu den neu entdeckten Meeren; und dies – bei der Kenntnis asiatischer Seeverhältnisse – markierte die Trennung der Alten Welt von jedweden südlichen Landmassen. In den folgenden Jahren zeigten spanische, holländische, englische und andere Pazifik-Reisen der verschiedensten Zielsetzung, dass in den nördlichen und zentralen Teilen dieses Ozeans kein großer Kontinent liegen konnte. Aber die meisten Expeditionen segelten mit den Passatwinden von Osten nach Westen; zwar entdeckten sie zahlreiche Inseln, ohne sie kartografisch zu erfassen (sie vermochten ihre geographische Länge nicht auszumachen), doch blieben ihnen die Geheimnisse der Südsee verschlossen. So konnten manche Geografen, welche die Berichte Marco Polos und der Expedition Magellans falsch interpretierten, in diesen Breiten immer noch einen riesigen Kontinent lokalisieren. Seit die Holländer jedoch einen regen Gewürzhandel mit Ostindien trieben (ab 1606), lieferten sie konkrete Hinweise auf die Existenz südlicher Landmassen. Ein hervorragender holländischer Seemann, der spätere Admiral Willem Jansz, entdeckte im Frühjahr 1606 Australien; weitere Holländer, die nach Osten oder Süden – nach oder von Ostindien – segelten, vervollständigten die Karte des Kontinents von der Großen Australischen Bucht im Süden bis zu Jansz‘ Entdeckungen im nordöstlichen Golf von Carpentaria. Doch die fruchtbare Ostküste entdeckten die Holländer nicht – vielleicht deshalb, weil es ihnen nicht gelang, vom Westen in die Straße zwischen Australien und Neuguinea zu gelangen; eine spanische Expedition unter Torres und Prado durchsegelte diese Straße Ende 1606 von Osten, wahrscheinlich ohne den südlich gelegenen Kontinent zu sichten. 1642/43 leistete Anton van Diemen, der bedeutende holländische Gouverneur Ostindiens, einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems: Er griff einen Vorschlag des vorausschauenden Seemanns Visscher auf und beauftragte Abel Tasman und Visscher, von Mauritius aus eine Handelsroute nach Südamerika zu suchen. Viel weiter südlich als frühere Expeditionen passierten sie den Süden Australiens, „Neuholland“, sie entdeckten Van Diemens Land (Tasmanien) und Staten Land (Neuseeland) – obwohl die Forscher einen lückenhaften Bericht der erstgenannten Insel gaben – und mussten der gefährlichen Maoris wegen auf eine Landung in Neuseeland verzichten. Tasman und Visscher hatten jedoch bewiesen, dass Neuholland ein vergleichsweise kleiner Kontinent oder eine Inselgruppe sein musste – nicht eine riesige Landmasse, die sich über den Pazifik bis Neuseeland oder südlich in Richtung Pol erstreckte.

      Die Holländer waren jetzt der unersprießlichen Forschungsreisen müde. Statt Gold und Gewürzen wies Neuholland kaum mehr als unglaublich primitive Männer und unglaublich hässliche Weiber auf. So konzentrierten sich die Niederländer, mehr Kaufleute als Kolonisatoren, von nun an auf den Reichtum der Tropen; Entdeckungen und Kolonisierungen in gemäßigteren Zonen überließen sie den aufstrebenden Seefahrern Englands und Frankreichs.

      Unmittelbar vor Cooks Fahrten entsandte Frankreich den fähigen Forscher Bougainville in den Pazifik. Er segelte weiter südlich als seine Vorgänger – außer Tasman und vielleicht Torres – und sichtete das große Barriereriff Nordostaustraliens tatsächlich vor Cook; um ein Haar entging er dem Schiffbruch, den Cook dann nicht vermeiden konnte.

      Auch die britische Regierung blieb nicht untätig: Die „Dry Land“-Propaganda, der Ehrgeiz und die Furcht vor französischen Entdeckungen führten


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