Essays. Francis Bacon
Untergebene, manchmal um Kollegen oder Genossen oder ähnliche Personen. Es mangelt nie an Menschen von heftiger und wagemutiger Natur, die alles tun, um zu Macht und Ansehen zu gelangen.
Nun wollen wir über den öffentlichen Neid reden. An ihm ist einiges Gute, während dies beim privaten Neid nicht der Fall ist, denn der öffentliche Neid ist wie eine Ächtung, die all jene Personen auf den Boden zurückholt, welche zu hoch aufgestiegen sind. Daher ist er auch für die Großen ein Zügel, der sie im Zaume hält.
Dieser Neid, der mit dem lateinischen Wort „invidia“ bezeichnet wird, heißt in den modernen Sprachen „Unzufriedenheit“, worüber wir noch weiter unten in der Abhandlung über den Aufruhr sprechen werden. Es ist dies eine Erkrankung des Staates, die einer Infektion gleicht. So wie sich eine Infektion auf alles ausbreitet, was gesund ist, und es dadurch verdirbt, so ist es auch, wenn der Neid in das Staatswesen eingedrungen ist. Er verleumdet die besten Handlungen und belegt sie mit einem üblen Ruch. Da helfen auch die rühmlichsten Taten nicht mehr, denn diese zeugen nur von Schwäche und Angst vor dem Neid und schmerzen daher umso mehr. Es ist genauso wie bei einer ansteckenden Krankheit: je mehr man sie fürchtet, desto mehr lockt man sie an.
Dieser öffentliche Neid scheint sich vor allem auf hohe Beamte und Minister zu richten und nicht auf die Könige oder die Staaten selbst. Aber es ist eine feste Regel, dass, wenn sich der Neid auf einen Minister (auch wenn er dazu nur geringen Anlass gegeben hat) oder auf alle Minister eines Staates im gesamten richtet, dieser Neid (wenn auch nur insgeheim) in Wahrheit dem Staate selbst gilt. So viel sei vom öffentlichen Neid oder der Unzufriedenheit und der Abgrenzung zum persönlichen Neid gesagt, den wir oben abgehandelt haben.
Im Hinblick auf das Gefühl des Neides möchten wir noch hinzufügen, dass es von allen Gefühlen das heftigste und beständigste ist, denn für die anderen Gefühle gibt es nur hin und wieder einen Grund. Daher heißt es zurecht: „Invidia festos dies non agit [Der Neid hält keine Feiertage].“ Er findet immer das eine oder andere, worauf er sich richten kann. Es heißt auch, dass Liebe und Hass einen Menschen verzehren, während andere Gefühlsregungen dies nicht tun, weil sie nicht so anhaltend sind. Überdies ist der Neid die niederträchtigste und verdorbenste Regung, weswegen er eine passende Eigenschaft des Teufels ist, der der Neider genannt wird, der des Nachts „säte Unkraut mitten unter den Weizen.“ Es ist in der Tat so, dass der Neid im Geheimen, im Dunklen und zum Schaden des Guten wirkt, worunter der Weizen zu verstehen ist.
ZEHNTE ABHANDLUNG:
ÜBER DIE LIEBE
Die Liebe ist auf der Bühne angenehmer zu gewahren als im Leben des Menschen, denn auf der Bühne ist sie stets Gegenstand von Komödien und nur hin und wieder von Tragödien, doch im Leben richtet sie viel Unheil an. Manchmal ist sie wie eine Sirene, manchmal wie eine Furie. Es ist beachtenswert, dass unter all den großen und ehrwürdigen Geistern (deren man sich noch erinnert, entweder aus alter oder aus neuerer Zeit) nicht ein einziger ist, der sich von der Liebe bis zum Wahnsinn hätte anstacheln lassen, was beweist, dass große Geister und große Taten sich von dieser schwächenden Leidenschaft fernhalten. Jedoch müssen wir dabei Marcus Antonius, den Mitregenten des Römischen Reiches, und Appius Claudius, den Decemvir und Gesetzgeber, ausnehmen. Der Erstere war wahrlich ein zügelloser Lüstling, aber der Letztere war ein asketischer und weiser Mann. So scheint es, dass (wenn auch selten) die Liebe nicht nur Eingang in ein offenes Herz, sondern auch in ein wohl verschlossenes zu finden vermag, wenn es nicht wachsam genug ist. Es ist ein armseliger Ausspruch Epikurs, wenn er sagt: „Satis magnum alter alteri theatrum sumus [Es reicht aus, wenn der eine dem anderen ein großes Schauspiel bietet].“ Als ob der Mensch, der zur Betrachtung des Himmels und aller erhabenen Objekte geschaffen ist, vor einem kleinen Idol niederknien und sich ihm unterwerfen würde, zwar nicht durch den Mund (wie es bei Tieren der Fall ist), wohl aber durch das Auge, das ihm zu höheren Zwecken verliehen wurde. Es ist seltsam, das Übermaß dieser Leidenschaft zu betrachten, welche die Natur und den wahren Wert der Dinge durch ein andauerndes Reden in Übertreibungen verzerrt, was ausschließlich in der Liebe anmutig wirkt. Dies betrifft nicht nur die gebrauchten Redewendungen; denn wenn, wie es heißt, der Mensch sich selbst gegenüber der Erzschmeichler ist, mit dem alle geringeren Schmeichler in Einklang stehen, dann gilt das noch mehr für den Liebenden. Denn nicht einmal der stolzeste Mensch hält von sich selbst so viel wie der Liebende von der Person, die er liebt. Daher rührt das weise Sprichwort: „Es ist unmöglich, zu lieben und gleichzeitig weise zu sein.“ Auch ist diese Schwäche nicht nur für die Anderen erkennbar, sondern auch für die geliebte Person, ja vor allem für sie, es sei denn, sie erwidert diese Liebe. Denn es ist eine eherne Regel, dass Liebe entweder mit ihrer Erwiderung oder mit geheimer und stiller Verachtung belohnt wird. Umso mehr sollte sich der Mensch vor dieser Leidenschaft in Acht nehmen, bei der er nicht nur Dinge verlieren kann, sondern auch sich selbst. Was diese Dinge angeht, die zu verlieren er befürchten muss, so drückt der Dichter sie sehr gut aus, wenn er beschreibt, wie jener, der Helena den Vorzug gab, die Geschenke der Juno und der Pallas zurückerstatten musste. Wer das Gefühl der Liebe zu hoch achtet, begibt sich sowohl des Reichtums als auch der Weisheit. Diese Leidenschaft ist am stürmischsten in Zeiten der Schwäche, nämlich in großem Glück oder in großem Unglück (auch wenn sie bei Letzterem seltener beobachtet wurde). In solchen Zeiten entzündet sich die Liebe, wird immer glühender und erzeigt sich auf diese Weise als ein Kind der Narrheit. Jene, die der Liebe nicht entsagen können, tun gut daran, sie im Zaume zu halten und völlig von den ernsten Geschäften und Handlungen ihres täglichen Lebens abzusondern, denn wenn sich die Liebe mit dem Geschäft verbindet, trübt sie den Wohlstand und lenkt den Menschen von seinem eingeschlagenen Weg ab. Ich weiß nicht warum, aber Soldaten sind besonders der Liebe ergeben. Ich vermute, sie sind es auf die gleiche Weise, wie sie dem Wein ergeben sind, denn Gefahr will mit Vergnügen aufgewogen werden. In der Natur des Menschen liegt eine heimliche Neigung zur Liebe des anderen, die sich, wenn sie nicht auf nur eine oder wenige Personen beschränkt wird, auf viele erstreckt und den Menschen barmherzig und mildtätig macht, wie man es bisweilen bei Mönchen beobachten kann. Eheliche Liebe sichert den Fortbestand der Menschheit; freundschaftliche Liebe vervollkommnet sie, aber wollüstige Liebe verdirbt und beschämt sie.
ELFTE ABHANDLUNG:
ÜBER DIE HOHE STELLUNG
Männer in hohen Stellungen sind dreifache Diener: Diener des Herrschers oder des Staates, Diener ihres Rufes und Diener ihres Amtes. Somit haben sie keine Freiheit – weder in ihrer Person, noch in ihren Handlungen, noch in der Einteilung ihrer Zeit. Es ist ein seltsames Verlangen, Macht zu begehren und dabei Freiheit zu verlieren oder Macht über andere zu gewinnen und dabei die Macht über sich selbst abzugeben. Der Aufstieg zur Macht ist mühsam, und diese Mühen ziehen bloß weitere Mühen nach sich; und manchmal geschieht er auf niederträchtige Art, doch durch Ehrlosigkeit kommt der Mensch zu Ehren. Am Ende hat er jedoch schwankenden Boden unter den Füßen und ihm steht entweder der Sturz oder zumindest der Niedergang bevor; beides ist eine traurige Angelegenheit. „Cum non sis qui fueris, non esse cur velis vivere [Da du nicht mehr der bist, der du warst, gibt es keinen Grund, weiterzuleben].“ Ferner können solche Männer nicht zurücktreten, wenn sie wollen, doch sie wollen es zumeist auch nicht – nicht einmal dann, wenn es vernünftig wäre, denn selbst in Alter und Krankheit, die eigentlich der Abgeschiedenheit bedürfen, wollen sie sich nicht ins Private zurückziehen. Sie sind wie alte Bürger, die noch immer vor ihrer Haustür sitzen und dadurch zum Spott herausfordern. Gewiss, hochgestellte Personen bedürfen der Meinung anderer, um sich selbst glücklich schätzen zu können, denn wenn sie nach ihrem eigenen Gefühl urteilen, sind sie es nicht. Aber wenn sie das von sich halten, was andere Menschen von ihnen halten, und wenn sie sich vergegenwärtigen, dass die anderen gern so wie sie wären, dann sind sie aufgrund dieses Zeugnisses glücklich, obwohl sie tief in ihrem Inneren vielleicht eine andere Meinung hegen. Denn sie sind die ersten, die ihr eigenes Leid sehen, auch wenn sie möglicherweise die letzten sind, die ihre eigenen Fehler erkennen. Gewiss sind Menschen, die in glücklichen Umständen leben, sich selbst fremd, und während sie ihre aufreibenden Geschäfte führen, haben sie keine Zeit, sich um ihre Gesundheit zu kümmern – weder um die körperliche noch um die seelische. „Illi mors gravis incubat qui notus nimis omnibus, ignotus moritur sibi [Jenen bedrängt der Tod schwer, der zwar allen Anderen bekannt, aber sich selbst unbekannt war].“