Beziehungsstark. Marc Bareth

Beziehungsstark - Marc Bareth


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scheiden lassen, zuvor eine Beratung oder Therapie in Anspruch genommen haben. Und die Paare, die diesen Schritt machen, machen ihn in der Tendenz zu spät. Gemäß Untersuchungen des Beziehungsexperten Dr. John Gottman halten Paare ihre unglückliche Beziehung im Durchschnitt sechs Jahre lang aus, bevor sie Hilfe in Anspruch nehmen.

      Es ist einleuchtend, dass es deutlich einfacher ist, sich coachen zu lassen, solange die Probleme noch nicht vorhanden oder noch klein sind. Ist die Beziehung erst mal an die Wand gefahren, ist es viel anstrengender, sie mithilfe eines Coachings wieder auf die richtige Spur zu bringen.

      Stell dir eure Beziehung vor wie ein Haus, das ihr besitzt. Da fallen regelmäßige Reparaturen an und es macht Sinn, von Zeit zu Zeit auch einen Experten zurate zu ziehen, um zu schauen, welche Erneuerungen sinnvoll wären. Man kann natürlich auch abwarten, aber irgendwann wird das Haus zur Bruchbude und stürzt ganz zusammen. Wenn man sich erst dann Hilfe holt, wird es richtig teuer und aufwendig, das Gebäude wiederaufzubauen. Deshalb bin ich ein großer Befürworter von präventivem Beziehungscoaching.

      Carlos wird auf seinem Weg zum Spitzensportler unweigerlich auch Rückschläge erleben. Er wird Phasen des Misserfolgs genauso wie Verletzungspausen durchstehen müssen, wenn er sich seinen Lebenstraum erfüllen will. Und er darf nicht aufgeben, auch wenn alles in ihm das Gegenteil sagt und sich sein Ziel und der Weg dorthin nicht mehr richtig anfühlen. Er braucht eine langfristige Perspektive, um die täglichen Schwankungen und den Wechsel von Erfolg und Misserfolg zu überstehen. Wer dreißig oder vierzig Jahre verheiratet ist, kennt das bestimmt aus eigener Erfahrung. Eine Ehe, die so ohne schwerwiegende Krise überstanden hat, ist die Ausnahme und nicht die Regel.

      Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, man stehe mit seinen Kämpfen allein da. Alle scheinen so eine harmonische, problemlose Ehe zu haben. Dass der Eindruck täuscht, merken wir erst, wenn sich viele dieser Vorzeigepaare in unserem Umfeld plötzlich scheiden lassen. In allen Beziehungen gibt es herausfordernde Phasen, das liegt in der Natur der Sache.

      In Krisen gilt für die Ehefrau und den Ehemann das Gleiche wie für die Läuferin und den Läufer: Es lohnt sich dranzubleiben, auch wenn alles in ihnen das Gegenteil sagt und sich die Partnerschaft nicht mehr richtig anfühlt. Wenn bis jetzt kein Coach beigezogen wurde, ist es jetzt höchste Zeit. Wenn bis heute nicht bewusst in die Beziehung investiert wurde, dann ist heute der Zeitpunkt gekommen. Und dann gilt es dranzubleiben, bis die Talsohle durchschritten ist.

      Um dranzubleiben, hilft eine langfristige Perspektive. Carlos kann in einer Woche den Lauf seines Lebens laufen und in der nächsten Woche keinen Fuß vor den anderen bekommen. Auch in unserer Beziehung sind wir fast täglichen Schwankungen ausgesetzt. Erfolge und Misserfolge wechseln sich ab. Diese emotionale Achterbahnfahrt kann etwas entschärft werden, wenn wir unseren Blick in die Zukunft richten und uns bewusst machen, dass wir als Paar auch wieder ruhigere Zeiten erleben werden.

      Der Schweiß und die Tränen in guten und in schlechten Zeiten sind es wert, denn der Lohn dafür ist gewaltig. Erfahrene Paare berichten von einer Nähe, Verbundenheit, persönlichem Wachstum und Glücksgefühlen, die nicht möglich wären, hätten sie in ihren Herausforderungen die Flinte ins Korn geworfen.

      In Iten ist eine richtige Laufkultur entstanden. Man spornt sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Meine Vision ist es, dass analog dazu bei uns eine Beziehungskultur entsteht und dass du als Leserin oder als Leser ein Teil davon wirst. Eine Kultur, in der es keine Kluft mehr gibt zwischen dem Stellenwert von Partnerschaft und den Investitionen in diese. Eine Kultur mit transparenten Vorbildern, welche gute Beziehungen vorleben und die auch ehrlich Einblick in ihr eigenes Scheitern und ihre Kämpfe geben. Und eine Kultur, in der wir wieder daran glauben, dass in langjährigen Beziehungen unbeschreiblich viel Fruchtbarkeit, Wachstum und auch Glück möglich ist.

      Auf die Frage, ob und weshalb man in seine Beziehung investiert, gibt es vier mögliche Antworten, die auf vier verschiedenen Stufen stehen. Mit der Zeit kann sich das Hauptmotiv für unsere Bemühungen verändern und wir erklimmen sozusagen die nächste Stufe. Unsere Motive bleiben aber immer gemischt und oft sind Anteile aller vier Stufen vorhanden.

      1. Stufe: Nicht beziehungsstark – keine bewussten Investitionen

      Auf der ersten Stufe wird die Beziehung einfach gelebt und nicht darüber nachgedacht, wie sie gestärkt werden kann. Natürlich investieren auch solche Paare immer wieder in ihre Partnerschaft, beispielsweise indem sie einander Komplimente machen oder Zeit zusammen verbringen. Diese Investitionen ergeben sich im Alltag, sie werden aber nicht bewusst getätigt. Dadurch bleiben sie eher zufällig und können genauso leicht wieder verschwinden, wie sie aufgetaucht sind.

      2. Stufe: Beziehungsstark – für mich

      Auf der zweiten Stufe investieren wir in unsere Beziehung, weil es uns selbst nützt. Wir profitieren selbst wahrscheinlich am allermeisten von einer gesunden Partnerschaft. Jede zur Beziehungspflege eingesetzte Stunde zahlt sich für mich persönlich mehrfach wieder aus. Ich möchte für mich selbst beziehungsstark werden. Das mag jetzt egoistisch klingen. Doch es ist nicht zu verachten, denn mit dieser Motivation an seiner Beziehung zu arbeiten, ist um Welten besser, als gar nichts zu unternehmen. Man könnte sogar behaupten, diese Motivation sei biblisch: »Ein Mann, der seine Frau liebt und ihr Gutes tut, tut sich damit selbst etwas Gutes« (Epheser 5,28b).

      3. Stufe: Beziehungsstark – für dich

      Auch wenn in einer Beziehung so viel Gutes für uns selbst bereitliegt, geht es schlussendlich nicht um uns. Diese Erkenntnis führt auf die dritte Stufe der Liebe. Wahre Liebe verschenkt sich an das Gegenüber, ohne den eigenen Gewinn zu fokussieren. Wenn wir uns selbst nicht mehr in den Mittelpunkt stellen müssen und unsere Selbstorientierung abstreifen können, ist das für beide Seiten befreiend. Eine Partnerschaft, in der beide nicht aus Egoismus handeln, sondern das Beste für ihre Partnerin respektive ihren Partner wollen, ist himmlisch. Auf der dritten Stufe der Liebe geht es also um das Fördern des Gegenübers. Es geht um die Frage, wer du bist. Ich will dich besser kennenlernen und herausfinden, was Gott mit dir vorhat. Ich möchte für dich beziehungsstark werden.

      4. Stufe: Beziehungsstark – für andere

      Auf der vierten Stufe geht es schließlich mehr und mehr um das Erkennen eines gemeinsamen übergeordneten Themas in der Partnerschaft. Es stellt sich die Frage, wie man sich die eigene gute Beziehung zunutze machen kann, um damit auch über seine Ehe hinaus Gutes zu tun.

      Der starke Rückhalt und die Wachstumsmöglichkeiten in der eigenen Beziehung helfen, dass man stärker nach außen wirken kann. Als Leiter von FAMILYLIFE habe ich für alle Menschen, die mit uns in Kontakt kommen, dieses Ziel. Mit Angeboten wie Ehewochenenden, Blogs oder Elternkursen versuchen wir, Paare auf allen vier Stufen abzuholen, sie für einen Sprung auf die nächste Stufe zu begeistern und sie herauszufordern, sich in andere Menschen zu investieren. Die Vision von FAMILYLIFE lautet: »Wir wollen sehen, wie Menschen in ihrer familiären Beziehung und in ihrer Beziehung zu Gott gestärkt und weitergeführt werden. So entstehen Ehen und Familien, die mit Gott im Zentrum eine positive Ausstrahlung in ihr Umfeld haben.«

      Eine starke Paarbeziehung ist kein Endziel, sondern nur ein Etappenziel. Ich bin überzeugt, dass schlussendlich diese positive Ausstrahlung in das eigene Umfeld das Ziel einer starken Ehe sein muss. Von eurer Liebesbeziehung wirst nicht nur du und dein Gegenüber profitieren, sie wird auch zum Segen für andere werden. Was ihr zusammen als Paar erlebt, darf überfließen und zum Nutzen für


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