Gia Yü. Konfuzius
der Wellen an und wagte nicht, einen eigenen Willen zu haben; darum konnte ich hinein und auch wieder heraus.«
Da sprach Meister Kung zu seinen Jüngern: »Kinder, merkt es euch. Selbst dem Wasser kann man sich anvertrauen, wenn man sich im Glauben fest gemacht hat, wieviel eher noch gilt das den Menschen gegenüber.«
15. Der nicht entlehnte Regenschirm
Einst war Meister Kung dabei auszugehen. Es regnete, und er hatte keinen Schirm. Da sprach einer der Jünger: »Schang10 hat einen.«
Meister Kung sprach: »Schang ist ein Mann, der sehr an seinen Gütern hängt. Es heißt, im Verkehr muß man sich an die Vorzüge der Leute halten und ihre Schwächen übergehen, dann ist die Freundschaft dauerhaft.«
16. Das glückliche Vorzeichen
Der König von Tschu überschritt den Fluß. Im Fluß war ein Gegenstand, groß wie ein Scheffel, rund und rot, der stieß genau an das Boot des Königs, und ein Bootsmann fischte ihn heraus. Der König war sehr erstaunt und fragte alle seine Beamten der Reihe nach, aber keiner wußte, was es war. Da schickte der König einen Gesandten nach Lu, um den Meister Kung zu befragen. Der Meister sprach: »Dies wird die Ping-Frucht11 genannt. Man kann sie schälen und essen. Es ist ein glückliches Vorzeichen. Nur ein Hegemon kann eine bekommen.«
Der Gesandte kehrte zurück. Daraufhin aß der König die Frucht und fand sie sehr gut.
Nach längerer Zeit kam ein Gesandter nach Lu und erzählte dies einem Großbeamten. Der Großbeamte ließ den Dsï Yu den Meister fragen: »Meister, woher wußtet Ihr, daß es so ist?« Der Meister antwortete: »Als ich einst nach Dscheng ging und durch die Ebene von Tschen kam, da hörte ich einen Knaben singen:
Wenn der König von Tschu den Fluß überschreitet,
Findet er eine Ping-Frucht.
Groß ist sie wie ein Scheffel und rot wie die Sonne.
Er schält sie und ißt sie, sie ist süß wie Honig.
Es hat sich nun begeben, daß der König von Tschu dem entsprach, daher wußte ich es.«
17. Über das Leben nach dem Tode
Dsï Gung fragte den Meister Kung und sprach: »Haben die Toten Bewußtsein oder haben sie kein Bewußtsein?«
Der Meister sprach: »Wollte ich sagen, die Toten haben Bewußtsein, so wäre zu fürchten, daß ehrfürchtige Söhne und gehorsame Enkel die Lebenden zu kurz kommen ließen, um der Bestattung der Toten willen. Wollte ich sagen, die Toten haben kein Bewußtsein, so wäre zu fürchten, daß ungeratene Söhne ihre Eltern unbestattet liegenließen. Dein Wunsch zu wissen, ob die Toten Bewußtsein haben oder nicht, ist zunächst keine dringende Sache. Später wirst du es von selber wissen.«
18. Von Pferden und Menschen
Dsï Gung fragte den Meister Kung über die Regierung des Volkes. Meister Kung sprach: »Sei behutsam, als führtest du ein wildes Pferd an morschem Strick.«
Dsï Gung sprach: »So sehr muß man sich in Acht nehmen?« Meister Kung sprach: »Es kommt alles auf den Mann an, ob er es versteht, zu lenken. Wenn ich sie auf die rechte Art leite, so sind sie meine guten Haustiere. Wenn ich sie nicht auf die rechte Art leite, so sind sie meine Feinde. Und da sollte man sich nicht in Acht nehmen!«
19. Auslösung von Gefangenen
Im Staate Lu herrschte die Sitte, daß, wenn Gefangene auszulösen waren bei anderen Fürsten, das Geld dafür der Staatskasse entnommen wurde. Dsï Gung kaufte einst einen Gefangenen los und zahlte das Geld aus eigener Tasche.
Meister Kung hörte davon und sprach: »Du hast es falsch gemacht. Der Heilige betreibt die Dinge so, daß er die Sitten und Gebräuche reformiert; auf diese Weise können sich seine Lehren im Volk ausbreiten, und er ist nicht nur auf seine eigenen Handlungen angewiesen. Nun sind im Staate Lu nur wenige reiche Leute und viele Arme. Wenn es nun für geldgierig angesehen wird, Geld anzunehmen zur Auslösung von Gefangenen, womit soll man sie dann auslösen? Von nun an werden die Leute von Lu ihre Gefangenen von anderen Fürsten nicht mehr loskaufen.«
20. Regierung einer aufsässigen Bevölkerung
Dsï Lu hatte den Kreis Pu zu verwalten. Er trat vor Meister Kung und sprach: »Ich möchte Belehrung von Euch haben, Meister.«
Der Meister sprach: »Wie sind denn die Leute von Pu?«
Er erwiderte: »In der Stadt sind viele starke Leute, die schwer zu leiten sind.«
Der Meister sprach: »Wahrlich, ich sage dir: Mit Ernst und Sorgfalt kann man die Mutigen im Zaum halten, mit Weitherzigkeit und Gerechtigkeit kann man die Starken an sich ziehen. Mit Liebe und Rücksicht kann man für die Bedrängten sorgen. Mit Milde und Entschiedenheit kann man die Ränkesüchtigen unterdrücken. Wenn du dies anwendest, ist die Regierung nicht schwer.«
9. KAPITEL
SAN SCHU / Dreifache Wechselseitigkeit
Die Episoden des 9. Kapitels gehören durchweg einer früheren Traditionsschicht an als die des 8. Die meisten sind im Buche Sündsï belegt, und zwar in den Kapiteln Fa Hing (Abschnitt 1), Yu Dso (Abschnitte 3–6) und Dsï Dau (Abschnitte 7–9). Eine stark abweichende Version des 2. findet sich im Yen Dsï Tschun Tsiu, der 3. ist auch in Han Schï Wai Dschuan 3, im Schuo Yüan, Kap. Ging Schen, im Huainandsï, Kap. Dau Ying Hün, und im Wen Dsï, Kap. Schï Schou, enthalten. Der 8. findet sich leicht abweichend im Hiau Ging wieder (Wilhelm S. 17–18), der 9. auch im Han Schï Wai Dschuan 3 und im Schuo Yüan, Kap. Dsa Yen. Der 10. Abschnitt ist sonst nicht belegt.
1. Dreifache Wechselseitigkeit1 und drei Warnungen
Meister Kung sprach: »Der Edle kennt drei Wechselseitigkeiten. Wer einen Herrn hat, dem er nicht dienen kann, und einen Diener hat, von dem er dennoch Dienste verlangt, der fehlt gegen die Wechselseitigkeit. Wer Eltern hat, die er nicht ehrfurchtsvoll behandeln kann, und Söhne hat, von denen er dennoch Anerkennung verlangt, der fehlt gegen die Wechselseitigkeit. Wer einen älteren Bruder hat, den er nicht ehren kann, und einen jüngeren Bruder hat, von dem er dennoch Gehorsam verlangt, der fehlt gegen die Wechselseitigkeit. Wer klar zu sein vermag über die Wurzeln dieser dreifachen Wechselseitigkeit, den kann man eine aufrechte Person nennen.«
Meister Kung sprach: »Der Edle kennt drei Gedanken, die man nicht außer Acht lassen darf. Wer in der Jugend nicht lernt, hat im Alter keine Kenntnisse. Wer im Alter nicht lehrt, hinterläßt nach dem Tode kein Andenken. Wer im Wohlstand nicht spendet, findet in der Armut niemand, der ihm beisteht. Darum denkt der Edle in der Jugend an die Zeit, da er erwachsen sein wird, und verlegt sich deshalb aufs Lernen. Im Alter denkt er an die Zeit, da er gestorben sein wird, und verlegt sich deshalb aufs Lehren. Im Wohlstand denkt er an die Zeit, da er arm sein wird, und verlegt sich deshalb aufs Wohltun.«
2. Der Weg des Wirkens
Bo-Tschang Kiën2 befragte den Meister Kung und sprach: »Ich bin freilich nur ein niedriger Diener des Hauses Dschou, doch halte ich mich nicht für unwürdig, einem Edlen ehrfürchtig zu dienen, deshalb erlaube ich mir eine Frage: Wollte