Reisen ans Ende der Welt. Ibn Battuta

Reisen ans Ende der Welt - Ibn Battuta


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erschrecken? Weiß ich doch, dass es Feuer ist! Mach mir Platz!« Lächelnd faltete sie die Hände über dem Kopf zusammen als Huldigung für die Flammen und stürzte sich in das Feuer. Hörner und Trompeten erklangen, die Männer warfen das Holz auf die Frau und drückten ihren Körper mit den Stangen nieder, damit sie sich nicht etwa bewege. Ein ungeheures Geschrei erhob sich. Als ich dieses grässliche Schauspiel sah, wäre ich beinahe ohnmächtig umgefallen, hätten mich meine Gefährten nicht mit Wasser erfrischt. Ich ließ mir von ihnen das Gesicht waschen und eilte nach Hause.

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       Badende Frauen

       (Indische Miniatur)

      Eine ähnliche Sitte haben die Inder mit dem Ertränken. Viele Leute ertränken sich freiwillig im Ganges, zu dem sie eine Pilgerfahrt unternehmen und in den die Aschenreste derjenigen gestreut werden, die verbrannt worden sind. Die Inder behaupten, dass der Ganges im Paradies entspringe. Kommt jemand mit der Absicht, sich zu ertränken, so erklärt er den Umstehenden: »Glaubt nicht, dass ich mich irgendeiner weltlichen Sache oder der Armut wegen ertränke. Mein Wunsch ist nur, Kusai nahe zu sein.« Mit Kusai meinen sie Gott in ihrer Sprache. Daraufhin ertränkt er sich. Dann zieht man den Toten an Land, verbrennt ihn und streut seine Asche in den Fluss.

      Vier Tage nach unserer Abreise von Ajudehen kamen wir in die Stadt Sarsati. Hier wird sehr viel Reis angebaut und in die Stadt Delhi gebracht. Über Hansi gelangten wir zwei Tage später nach Masud-Abad, nur noch zehn Meilen von der Residenz Delhi entfernt. Hier hielten wir uns drei Tage auf. Des Königs Wesir Chodscha Jihan sandte uns aus der Hauptstadt seine Leute entgegen, uns zu empfangen. Zur Begrüßung eines jeden von uns waren Männer auserwählt worden, die von gleichem Rang wie wir waren. Der darunter befindliche Rechtsgelehrte Ala ed-Din schrieb an den Sultan, um ihm unsere Ankunft mitzuteilen, und sandte den Brief mit der Läuferpost ab. Bereits drei Tage danach traf die Antwort des Sultans ein, sodass uns die Richter, Rechtsgelehrten, Scheichs und einige Emire offiziell willkommen heißen konnten.

      Daraufhin verließen wir Masud-Abad und stiegen in der Nähe des Ortes Palem ab. Am nächsten Morgen erreichten wir die Residenz Delhi.

      Indiens Früchte und Getreidearten

      In Indien gibt es sehr viele bei uns nicht bekannte Bäume, die deshalb besonders erwähnenswert sind. Da ist zunächst der Mangobaum, der Orange sehr ähnlich, jedoch viel blattreicher. Seine Frucht ist etwas größer als eine Birne. Vor der völligen Reife nimmt man das Obst, bestreut es mit Salz und legt es wie bei uns die Limone ein. In gleicher Weise legen die Inder den Ingwer und die Pfefferschoten ein, um sie zur Mahlzeit zu essen. Dabei nehmen sie nach jedem Bissen ein wenig von diesen gesalzenen Früchten. Die ausgereiften Früchte des Mangos sind gelb. Dann werden sie von den Einwohnern wie Äpfel gegessen. Einige zerschneiden sie mit dem Messer, während andere nur ihren Saft saugen. Die Frucht ist süß, jedoch mit etwas Herbheit vermengt. Sie hat einen großen Kern, den man aussät, worauf daraus ein neuer Baum sprießt, ebenso wie bei den Orangenkernen.

      Ein hohes Alter erreichen die Schaki- und Barkibäume (zwei Gattungen des Brotbaumes), deren Laub wie Nussblätter aussieht, während die Früchte am Stamm wachsen. Beim Barki berühren sie den Erdboden; sie sind süß und angenehm zu essen. Hoch über der Erde wachsen die Früchte des Schaki, die dem Wasserkürbis ähnlich sind. Sind sie im Herbst gelb geworden, so schneidet man sie ab und spaltet sie mittendurch. Im Inneren jeder Frucht befinden sich hundert bis zweihundert Fruchtkapseln, die wie Gurken aussehen. Jede enthält einen bohnenähnlichen Kern. Sind die Kerne geröstet oder gekocht, so schmecken sie auch wie Bohnen, die in Indien nicht vorkommen. Man bewahrt die Kerne in einer roten Erde auf, in der sie sich bis zum nächsten Jahr halten. Der Schaki und der Barki bringen die besten Früchte Indiens hervor.

      Die Frucht des Ebenholzbaumes heißt Tendu. Sie hat die Größe der Aprikose, ist jedoch weit süßer. Der Jumun erreicht ein hohes Alter. Seine schwarze Frucht enthält nur einen Kern, der dem der Olive sehr ähnelt. Während man die saure Orange nur recht selten antrifft, kommt die süße Orange in Indien häufig vor. Dazwischen gibt es noch eine Gattung, die halb süß und halb sauer ist. Da sie einen herrlichen Geschmack hat, aß ich sie gern und oft.

      Der Mahwa ist eine Baumart, die sehr alt wird. Die Blätter gleichen dem Laub des Nussbaumes, nur haben sie einen Stich ins Rote und Gelbe. Die Frucht hat die Größe einer kleinen Birne und schmeckt außergewöhnlich süß. Am oberen Ende jeder Frucht befindet sich eine kleine, hohle Beere, die das Aussehen und den Geschmack der Weinbeere hat. Isst man davon jedoch zu viel, so bekommt man leicht Kopfschmerzen. Wird sie in der Sonne getrocknet, so schmeckt sie genau wie die Feige, die in Indien nicht zu Hause ist. Die Bewohner nennen diese Beere Angur, was in ihrer Sprache auch Weinbeere heißt. Allerdings wächst dieses Obst in Indien nur sehr selten, und zwar hauptsächlich in der Umgebung von Delhi. Der Mahwabaum trägt im Jahr zweimal Früchte. Aus ihren Kernen erzeugt man Öl, das zu Beleuchtungszwecken verwendet wird.

      Im Boden gedeiht die Kastra, eine knollige Wurzel, der Kastanie ähnlich und von süßem Geschmack. Der aus unserer Heimat bekannte Granatapfel trägt in Indien zweimal Früchte. Auf den Malediven sah ich, dass er fortwährend Früchte hat. Die Inder nennen ihn Anar. Ich glaube, dass dies der Ursprung des Wortes Julnar ist, da Jul auf Persisch Blüte und Anar Granatapfel heißen.

      Die Bewohner Indiens säen zweimal im Jahr Getreide aus. Wenn mitten im Sommer die Regenzeit eintritt, so säen sie und ernten rund 60 Tage später. Von den Körnerfrüchten sind bemerkenswert: das Kudru, eine Art Hirse, die am häufigsten in Indien vorkommende Getreideart, und das Kal, eine Gattung der Negerhirse. Kleinere Körner als das Kal hat das Schamah, das sehr häufig wild wächst. Es ist die Nahrung der Frommen und Asketen, der Armen und Bettler, die über das Land gehen und aufsammeln, was ohne Aussaat aufgewachsen ist. Dazu trägt jeder in der linken Hand einen Korb, während er mit der rechten eine Geißel schwingt und die Körner herausschlägt, sodass sie in den Korb fallen. Auf diese Weise sammeln sie genug Vorrat für das ganze Jahr. Das Korn des Schamah ist sehr klein. Hat man es geerntet, so breitet man es in der Sonne aus. Anschließend wird es in hölzernen Mörsern gestoßen, wobei die Spreu wegfliegt und das weiße Mehl übrigbleibt. Man bereitet daraus einen dicken Brei, den man mit Büffelmilch abkocht. Es schmeckt weit besser als das aus dem üblichen Mehl gewonnene Brot. Ich habe in Indien sehr oft davon gegessen.

      Ein weiteres Nahrungsmittel ist das Masch, eine Art Erbsen. Besonders viel verwendet wird das Munj, eine weitere Art des Masch, jedoch mit länglichen Körnern in kräftiger grüner Farbe. Man kocht das Munj mit Reis, isst es mit Butterschmalz und nennt das Gericht Kiscgri. Es ist das tägliche Frühstück der Inder. Das Lubiya ist eine Art Bohne. Das Mot hat kleine Körner und dient als Futterpflanze für die Saumtiere, die recht fett davon werden. Gerste kennt man nicht. Als Tiernahrung wird auch die Kichererbse verwendet. Zu diesem Zweck wird sie grob gestoßen und ins Wasser gelegt, wo sie aufquillt. Anstelle von Grünfutter gibt man den Tieren Maschblätter, nachdem man sie zehn Tage lang zerlassene Butter hat trinken lassen, täglich etwa drei bis vier Pfund. In dieser Zeit darf man die Tiere nicht reiten. Dann erhalten sie einen Monat lang Maschblätter.

      Die bisher beschriebenen Körnerfrüchte sind die des Herbstgetreides. Hat man sie 60 Tage nach der Aussaat geerntet, so baut man jenes Getreide an, das man im Frühjahr ernten will, nämlich Kichererbsen und Linsen. Die Aussaat geschieht auf dem gleichen Boden, auf dem die Herbstfrüchte gewachsen waren. Die Erde ist dort sehr fruchtbar und ertragreich. Der Reis, eine der wichtigsten Getreidearten Indiens, wird dreimal im Jahr gesät und geerntet. Mit der Herbstsaat zusammen werden Sesam und Zuckerrohr gepflanzt.

      Im Dienst des Herrschers von Indien

      Delhi ist eine gewaltige, Weltruf genießende Stadt, die Schönheit und Befestigungsanlagen in sich vereint. Sie wird von Mauern umgeben, wie man sie in keinem Land der Erde kennt. Delhi ist die größte Stadt Indiens, die größte sogar von allen Städten des Islam im Osten.

      Delhi hat eine große Flächenausdehnung und sehr viele Gebäude.


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