Fürstenkrone 11 – Adelsroman. Viola Larsen

Fürstenkrone 11 – Adelsroman - Viola Larsen


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      Inhalt

       E-Book 101-110

       Die Moorprinzessin

       Leis' erklingt die Abschiedsmelodie

       Das Geheimnis der Fürstin Carolin

       Die bürgerliche Komtess

       Heimweh nach Schloss Hohenfels

       Die Erbin von Montfort

       Es gibt eine Zukunft für uns

       Tina läuft ins Glück

       Nur ein Hauch Glückseligkeit

       Das Schloss in Südtirol

Fürstenkrone – 11 –
Die Moorprinzessin

      Als er sie nach Jahren der Trennung wiedersieht, ist sein Herz schwer vor Sehnsucht und Erwartung und ganz erfüllt von der unsinnigen Vorstellung, sie sei immer noch das kleine Mädchen, sein Mündel, das er in dem Schloss seiner Väter in sicherer Obhut zurückließ, als ihn die Erfüllung seines künstlerischen Berufes in die Ferne rief. Das einsame Moor, die Heideinsel, der Frühlingshimmel, die Fahne mit dem silbernen Falken, die zu seiner Begrüßung auf dem Schlossturm weht, all dies nimmt er kaum wahr. Er wartet nur auf den Augenblick, da er sein kleines Mädchen, seine Sabrina, in die Arme schließen kann.

      Aber dann sieht er sie – und erstarrt. Seine halb erhobenen Arme sinken herab. Auf seinen ausdrucksvollen Zügen malt sich eisige Abwehr.

      Es währt nur Bruchteile von Sekunden, und Sabrina nimmt die Veränderung in der Haltung des Fürsten gar nicht wahr, denn sie ist nur erfüllt von dem großen Glück des Wiedersehens.

      »Willkommen daheim, Wolfhart!«, lacht sie selig. »Willkommen auf der Heideinsel!« Ihre frischen Lippen berühren zärtlich seine Wange.

      *

      Den ganzen Tag über hat Sabrina diesem Augenblick entgegengefiebert, schon seit dem frühen Morgen. Es ist schließlich ihr Geburtstag, und schon in aller Frühe hat sie Tante Tabea einen gehörigen Schrecken eingejagt, weil sie einfach über die Insel fortgelaufen und nicht mehr wiedergekommen war. Jedes Mal, wenn Sabrina ihre langen, einsamen Wanderungen über die Insel unternimmt, hat Tante Tabea Angst. Denn der mächtige Bau des Schlosses der Fürsten Ravenhill erhebt sich inmitten des Moors auf einer blühenden Heideinsel.

      Mit seinen beiden Ecktürmen ragt das Schloss einsam und stolz in die düstere Landschaft hinein und ist im Laufe unzählbarer Jahre doch eins geworden mit ihr.

      So ist auch an diesem Geburtstag Tante Tabea wieder von Angst um Sabrina geplagt gewesen. Genau in dem Augenblick, da der klagende Ruf eines Moorhundes die Stille des Morgens zerreißt, die die Landschaft fast gespenstisch einhüllt, wird im Schloss eines der vielen Fenster geöffnet, ein rundes, von silbergrauem Haar und einem weißen Spitzenhäubchen umrahmtes Gesicht erscheint, und zwei graue Augen spähen durch funkelnde Brillengläser besorgt über die Heide­insel.

      Fräulein Tabea, die das Hauswesen auf Schloss Ravenhill leitet, schüttelt bekümmert den Kopf, vermeidet es aber, über das Moor zu blicken. Dann formt sie beide Hände zu einem Trichter, schöpft tief Atem und ruft, so laut sie kann: »Sabrina! Sabrina!«

      »Sabrina!«, äfft ein dünnes Echo, das aus dem Nichts zu kommen scheint, ihr nach, und Fräulein Tabea seufzt: »Rein außer Rand und Band ist sie heute, die Sabrina! Wo kann sie nur hingelaufen sein? So groß ist die Insel doch wahrhaftig nicht, dass man sich darauf verirren könnte!«

      Noch einmal sieht sie aufmerksam und angstvoll über die leichtgewellte Fläche der Heideinsel, die zwischen Kiefern und hellstämmigen Birken im rosenroten Schimmer der Erika erglüht. Aber so sehr sie sich auch anstrengt, kein Zipfelchen von Sabrina ist zu erspähen.

      Fräulein Tabea liebt die Heideinsel so sehr, wie sie das Moorland fürchtet. In den dreißig langen Jahren, die sie nun auf Schloss Ravenhill lebt, hat sich ihre Furcht vor dem tückischen braunen Moor nicht gemindert, sondern vertieft. Aber die Heide ist schön, und ihr gehört Fräulein Tabeas ganze Liebe. Und wie immer, wenn ihr Blick über die Heide schweift, gerät sie auch jetzt ins Träumen. Aber energisch ruft sie sich bald darauf zur Ordnung, denn sie hat wahrhaftig keine Zeit zu versäumen, wenn alle Arbeit, die ihrer wartet, bis zur Ankunft Seiner Durchlaucht noch getan werden soll.

      Seufzend schließt sie darum das Fenster und wendet sich zurück in den Raum, in dessen großzügiger Weitläufigkeit ihre kleine rundliche Gestalt fast verschwindet.

      Vor langen Jahren ist Fräulein Tabea während einer Wanderung durch das Moor einmal so unglücklich gestürzt, dass sie sich ein Fußleiden zuzog. Jeden ihrer Schritte begleitet deshalb das Aufpochen eines Stockes auf dem glänzenden Parkett. So auch jetzt, als sie den unbewohnten Teil des Obergeschosses verlässt, das sie nur betreten hat, um an einem der Fenster nach Sabrina Ausschau zu halten. Mit kleinen energischen Schritten durchquert sie den dunklen Flur und geht, so rasch sie es vermag, die breite Holztreppe zum Erdgeschoss hinunter.

      Durch die hohen Fenster der Halle fällt gedämpft das milde Sonnenlicht.

      Es lässt den grünen Schieferstein des Kamins magisch aufleuchten, und Fräulein Tabea beschließt, bis zur Ankunft des Herrn vorsorglich ein Feuer im Kamin anzuzünden, denn die Abende sind selbst nach einem sonnigen Tag auf der Heideinsel im Moor kühl.

      Auf dem Kachelsims unter den hohen Fenstern steht Sabrinas Geburtstagstisch. Fräulein Tabea rückt die silbernen Leuchter rechts und links der prachtvollen Geburtstagstorte zurecht und findet es sehr schön, dass Wolfhart Fürst von Ravenhill nach über dreijähriger Abwesenheit gerade zu Sabrinas achtzehnten Geburtstag heimkehrt. Während sie die Vase mit blühendem Heidekraut auf dem Geburtstagstischchen betrachtet, fragt sie sich jedoch, was der Fürst wohl dazu sagen wird, dass aus seinem Mündel in den vergangenen drei Jahren eine junge Dame geworden ist.

      Wieder muss sich Fräulein Tabea zur Ordnung rufen, und eilends setzt sie ihren Rundgang fort, der sie nun ins Musikzimmer führt, in dem der weltberühmte Dirigent Fürst von Ravenhill die meiste Zeit verbringt, wenn er auf das Schloss seiner Väter heimkehrt. Sie rückt auch hier auf dem niedrigen Klubtischchen die kristallene Vase mit blühendem Heidekraut zurecht und kehrt in die Halle zurück, von der aus sie durch eine weitere, von schweren Vorhängen halb verdeckte Tür in den Speisesaal gelangt.

      Dieser Raum ist in seiner klassischen Strenge das schönste Gemach von Schloss Ravenhill, doch dafür hat Fräulein Tabea im Moment keinen Blick. Zornig reißt sie ein Staubtuch an sich, was das Hausmädchen Fine nach dem Staubwischen wahrscheinlich vergessen hat, und nimmt sich grimmig vor, dem jungen Ding ganz gehörig den Kopf zurechtzusetzen.

      Wieder in der Halle angelangt, überlegt sie nun ganz genau, was jetzt der Reihe nach noch zu tun ist, um den Empfang des Herrn würdig zu gestalten.

      »Sönke muss die Fahne hissen«, murmelt sie vor sich hin und streckt mit erhobener Hand den linken Daumen aus. »Steff muss das Kaminfeuer anzünden!« Dabei erhebt sie wie drohend den Zeigefinger, und die übrigen Finger folgen nach, als sie halblaut fortfährt: »Fine muss die Jagdstiefel Seiner Durchlaucht putzen, Sönke muss seine


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