Dr. Norden Extra Staffel 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
zu tun haben wollte.
Immerhin hatte er ein Dach über dem Kopf, und er war überzeugt, daß Geli ihn nicht wegschicken würde, wenn sie zurückkam.
Geli war nun in der Behnisch-Klinik. Sie hatte sich gleich bei Kirsten entschuldigt.
»Es ist schon gut, Geli«, sagte Kirsten, »du warst ja noch völlig verwirrt.«
»Dann kündigst du mir nicht die Freundschaft auf?«
»Ich wäre eine schlechte Freundin, wenn ich das täte, und du siehst doch, daß ich mich um dich kümmern will.«
»Du wirst hier tätig sein?«
»Ja, es war wie ein Geschenk des Himmels. Daniel Norden hat das vermittelt, und ich bin glücklich, mich nicht erst an Fremde gewöhnen zu müssen.«
»Meinst du, daß ich noch mal eine Stellung finden werde?«
»Mit deinen Kenntnissen? Das ist doch wohl klar.«
»Wenn ich nur Peter nicht mehr begegnen müßte. Er hat einen Schlüssel zu meiner Wohnung, Kirsten. Er wird davon Gebrauch machen. Freiwillig wird er mir den Schlüssel nicht zurückgeben.«
»Wir werden uns etwas einfallen lassen. Verlaß dich auf mich.«
»Ich will aber nicht, daß du Schwierigkeiten bekommst.«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Versprichst du mir jetzt, nicht mehr Trübsal zu blasen?«
»Ich werde mir Mühe geben.«
Einfach wird es wohl nicht sein, dachte Kirsten. Sie ging zu Frank Derksen, der nun schon auf die Operation vorbereitet wurde. Es war immer besser, wenn man sich dafür Zeit nehmen konnte, damit auch die psychische Einstellung des Patienten positiv gestärkt wurde. Frank ließ sich sehr gern von Kirsten erklären, wieviel er selbst dazu beitragen konnte, damit die Operation ein voller Erfolg würde.
»Viele Menschen neigen dazu, alles schlimmer zu sehen, als es sein müßte«, sagte sie. »Und durch diese negative Einstellung wird das Immunsystem geschwächt. Der Lebenswille muß vorhanden sein, nicht der Gedanke, daß etwas schiefgehen könnte, weil man ja schon so oft gelesen und gehört hätte, was bei Operationen alles passiert.«
»Ich muß gestehen, daß ich mich damit noch nie beschäftigt habe. Der Bereich Medizin war für mich immer tabu. Jetzt werde ich mich mehr dafür interessieren, damit wir auch darüber reden können. Darf ich hoffen, daß Sie mir auch nach der Operation, wenn ich in mein Alltagsleben zurückkehre, Gelegenheit geben, mich mit Ihnen zu unterhalten?«
Feine Röte stieg in ihre Wangen. »Sehen Sie, das ist schon eine positive Einstellung, wenn Sie an die Zukunft denken, Herr Derksen.«
»Und wie ich daran denke«, sagte er leise. »Wenn ich aus der Narkose aufwache, möchte ich in Ihre Augen sehen. Sie haben wunderschöne Augen.«
*
Fast zur gleichen Zeit stellte Jürgen fest, daß auch Franzi wunderschöne Augen hatte. Aber er sprach es nicht aus. In ihm war während dieser kurzen Zeit eine große Veränderung vor sich gegangen, und das ging vor allem auf Franzis Konto.
Er war es immer gewohnt gewesen, daß Mädchen und Frauen ihn anhimmelten.
Franzi tat das nicht. Sie war freundlich und nett, aber auch sehr sachlich. Für sie war es in erster Linie wichtig, daß alles so lief, wie Frank es gewohnt war, aber sie stellte mit Genugtuung fest, daß auch Jürgen sich sehr bemühte.
»Würden Sie heute abend mit mir essen, Franzi?« fragte er, ihr feines Profil betrachtend.
»Geht leider nicht, ich muß noch für meine Mutter einiges richten. Sie wird morgen zur Insel der Hoffnung gebracht. Dann hätte ich schon mal Zeit«, erwiderte sie, denn vor den Kopf stoßen wollte sie ihn nicht.
»Insel der Hoffnung, das klingt gut«, sagte er gedankenvoll.
»Ja, ich setzte auch meine ganze Hoffnung darauf, daß meine Mutter wieder Auftrieb bekommt. Sie ist sehr schwierig und hält mich ganz schön in Atem.«
»Dann können Sie wohl selten ausgehen.«
»Überhaupt nicht, wenn sie zu Hause ist. Wer versorgt eigentlich Sie und das Haus?«
»Frau Lania, sie ist eine sehr nette Griechin.«
»Ja, das weiß ich, aber gibt es sonst kein weibliches Wesen, das sich um Sie kümmert?«
Es war wirklich blanke Neugier, die sie bewog, diese Frage zu stellen, denn Jürgen Derksen war ja dafür bekannt, daß er viele Freundinnen hatte.
Es war ja die Sorge seines älteren Bruders, daß er sich zu sehr verzettelte.
»Ich habe keine Freundin, wenn Sie das wissen wollen«, erwiderte er mit einem hintergründigen Lächeln. Sie wurde rot.
»Ich möchte nur keinen Ärger bekommen, falls wir wirklich mal zusammen essen«, erklärte sie schlagfertig.
»Sie bekommen keinen Ärger, das verspreche ich Ihnen. Ich habe noch nie einer Frau Rechte an mir eingeräumt, und jetzt habe ich einen Schlußstrich unter meine wilden Jahre gemacht, die gar so wild auch nicht waren.«
»Das wird den Boß freuen. Er mag Sie nämlich sehr.«
»Er hat mit Ihnen über mich gesprochen?«
»Nicht viel, aber ich weiß, daß er sich Gedanken gemacht hat, daß Sie Ihre Begabungen nicht nützen.«
»Ich habe tatsächlich viel Zeit nutzlos verplempert«, gab Jürgen offen zu. »Es wird jetzt anders, Franzi.«
»Der Anfang ist ja schon erfolgversprechend gemacht«, sagte sie anerkennend.
»Vielen Dank für das Lob, Franzi. Aus Ihrem Mund freut es mich besonders. Sie sind so wahnsinnig tüchtig, daß ich mich noch sehr bemühen muß.«
»Ich bin es dem Boß schuldig, daß alles so perfekt wie nur möglich weitergeht. Ich habe ihm unendlich viel zu verdanken.« Ich werde Frank nie das Wasser reichen können, auch in ihren Augen nicht, dachte Jürgen.
*
Frank wurde um sieben Uhr dreißig in den OP geschoben.
Kirsten war bei ihm. Sie sollte die Anästhesie überwachen.
Er sah sie noch einmal an, bevor sein Bewußtsein schwand und dieser Blick verursachte ihr Herzklopfen.
Dieter Behnisch war fertig zur Operation und voll konzentriert. Er tauschte noch einen Blick mit seiner Frau, dann sah er Kirsten an. »Wir können beginnen«, sagte er.
Kirsten bewunderte die Sicherheit, mit der Dr. Behnisch den Schnitt ausführte, genau berechnet, um die Narbe so klein wie nur möglich zu halten. Sie schloß kurz die Augen, als er den Operationsherd freilegte, atmete dann aber tief durch, als er sagte: »Das sieht ja besser aus, als ich dachte.«
Kirsten sah und hörte dann, daß ein Chirurg doch nie vor Überraschungen gefeit sei und man sich auch nicht immer auf Röntgenbilder verlassen könne. Eingeklemmte Nerven waren schwer zu erkennen. Eine Geschwulst konnte man auch erst richtig einschätzen, wenn man sie mit bloßem Auge sehen konnte und daß die Bandscheibe und das Beckenbindegewebe im Zusammenhang mit dieser Hüftgelenkverletzung stehen würden. Es ging an Kirstens Ohren vorbei, da ihr ganzes Augenmerk auf Frank gerichtet war, auf den Herzschlag, den Blutdruck.
Sie hoffte, daß keine Nachnarkose nötig ein würde, denn der Blutdruck sank ab.
»Es ist geschafft«, sagte Dieter Behnisch, nachdem er die Geschwulst entfernt hatte. »Wir brauchen kein anderes Hüftgelenk. Der Tumor wird histologisch untersucht, aber ich halte ihn für gutartig. Die Therapie des Patienten wird Ihnen überlassen, Kirsten.«
Jenny hängte die Infusion an. Endlich war Kirsten wieder ganz gegenwärtig. »Das haben Sie großartig gemacht«, sagte sie leise.
»Freut mich, daß Sie zufrieden sind«, lachte Dieter Behnisch. »Ich denke, unser Patient wird auch zufrieden sein.«