Nichts gegen Engländer. Ralf Sotscheck

Nichts gegen Engländer - Ralf Sotscheck


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hätte die Gefahr bestanden, dass jemand Geld abheben will und statt dessen mit einer Katze nach Hause kommt.

      Oder schlimmer noch: mit einem Catfish – zu deutsch: Wels. Auch bei diesem Tier muss man mit Namen vorsichtig sein. Sharron Killahena aus Poole in Dorset hatte ihren zwanzig Zentimeter langen Catfish leichtfertig »Kipper« getauft, was »Räucherhering« bedeutet. Ein durchaus pas­sender Name, wie sich herausstellte. Als Kipper mal wieder im Aquarium herumtobte, löste das Spritzwasser einen Kurzschluss in der Aquariumsbeleuchtung aus, die überhitzte, so dass der Deckel schmolz.

      Das heiße Plastik tropfte auf die Couch, die Feuer fing. Eine halbe Stunde später war das gesamte Haus niedergebrannt. Killahena und ihre beiden Kinder konnten sich in letzter Minute retten und wurden mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Kipper hatte weniger Glück: Er wurde zum Räucherfisch. Wie gut, dass sie das nasse Tier nicht »Killer« getauft hatte.

      Oder steckte etwa ein Versicherungsbetrug dahinter? Es war zumindest eine grandiose Ausrede, aber darin sind die Engländer ohnehin Weltmeister. Die Erklärungen der privatisierten Eisenbahngesellschaften für das Chaos, das sie täg­lich anrichten, sind reizend: verbogene Schienen wegen der tropischen englischen Sommer, auf feuchtem Laub ausglitschende Züge im Herbst und die falsche Sorte Schnee im Winter. Im Grunde kann man lediglich im Frühjahr gefahrlos mit der Bahn fahren. Obwohl dann mit der Frühjahrsmüdigkeit der Lokomotivführer zu rech­nen ist.

      Mindestens ebenso phantasievoll sind die Ausreden für das Versagen englischer Sportler. Monty Python hat bereits vor mehr als 20 Jahren einen Sketch darüber gemacht. Es ging dabei um einen Schweizer Schiedsrichter bei einem Spiel der englischen Nationalmannschaft. Bei jedem Gegentor, das die Engländer kassierten, mutierte der Schweizer – zunächst zu einem an der deutschen Grenze wohnenden Schweizer, dann zu einem Deutsch-Schweizer, zu einem Deutschen und beim 0:4 zu einem Nazi. Dabei war es ein Schweizer, Gottfried Dienst, der den Engländern beim Endspiel 1966 gegen die Bundesrepublik Deutschland ein irreguläres Tor zuerkannt hat. Aber lassen wir das Thema.

      Bei Schwimmwettkämpfen, bei denen man stets froh ist, wenn die englischen Teilnehmer nicht ertrinken, ist das zu harte Wasser schuld. Die englischen Radfahrer bei der Tour de France haben minderwertige Luft in ihren Rädern. Und bei Autorennen geben die Reifenhersteller der Konkurrenz immer die gute Ware und speisen die Engländer mit Ausschuss ab.

      Den Preis für die abstruseste Ausrede hat sich jedoch die Tenniszunft verdient. Die englischen Spieler versagen seit Jahrzehnten bei internationalen Tennisturnieren, weil sie mit den falschen Bällen üben, sagte der Kapitän des englischen Daviscup-Teams, Jeremy Bates. Dass man darauf nicht früher gekommen ist! Die Bälle der Firma Slazenger, die seit mehr als hundert Jahren beim legendären Wimbledon-Turnier benutzt werden, fliegen laut Bates anders als andere Bälle, denn sie sind langsamer und schwerer – sie sind sozusagen die Medizinbälle der Tenniswelt. Um sie überhaupt über das Netz zu bringen, muss der Schläger weicher gespannt werden, damit sich der Spieler nicht den Arm bricht. Weil die Engländer an das Trumm gewöhnt sind, wundern sie sich natürlich, wenn ihnen im Ausland die federleichten Bälle um die Ohren zischen.

      Der Wimbledon-Club hat die Bälle vor zehn Jahren noch schwerer gemacht, damit die Ballwechsel länger dauern und man für das Zeitlupen-Tennis mehr Geld von den Fernsehanstalten kassieren kann. »Der Ball ist steinhart«, sagt Bates. »Für mich ist es jedes Mal eine Freude, wenn ich mit etwas anderem spielen darf.« Mit einer elektrischen Eisenbahn vielleicht? Die bahntauglichen Ausreden hat er ja bereits parat. Bates verlangt nun die gleichen Bälle wie der Rest der Welt. Die Funktionäre haben angeblich eingelenkt. Slazenger gab dagegen bekannt, dass der englische Verband mehr schwere Bälle als je zuvor bestellt habe. Eine Frage bleibt offen: Wenn die Engländer als einzige an die übergewichtige Kugel gewöhnt sind, warum gewinnen sie dann nicht jedes Jahr das Wimbledon-Turnier?

      Statt dessen erfinden sie lieber neue Sportarten, um die nationale Moral zu he­ben. Beim Moorschnorcheln und beim Käsewettlauf ist der Engländer unschlagbar, und der völlig sinnlose Dauerlauf am Rand von Hauptverkehrsstraßen hat auch vor England nicht haltgemacht. Ulkigerweise hat ihr Freizeitvergnügen einen tra­ditionell deutschen Namen: »Jogging.«

      Doch die Engländer würden ihrem Ruf nicht gerecht, hätten sie nicht auch hier eine perversere Variante zu bieten. Wer in Wessex ahnungslos durch die Wälder läuft, könnte unverhofft einem Hasen begegnen – allerdings einem zweibeinigen mit aufgeschnallten, braunen Schlappohren. Das ist ein Grund zur Beunruhigung, gehört der falsche Hase doch mit Sicherheit einem Team von Verrückten an, die regelmäßig Jagden organisieren. Die Regeln sind denkbar einfach: Drei Leute, denen der Sinn für Peinlichkeit längst abhanden gekommen ist, setzen sich die langen Ohren auf und legen für ein Rudel »Hunde« eine Fährte aus Sägespänen. Die Köter, die in Wahrheit nicht minder verrückte Zweibeiner sind und pausenlos »on on« bellen, hetzen hinter den »Hasen« durch Wasser, Wald und Wiese her, um sie zu fangen.

      Die Jagd auf falsche Hasen ist übrigens keineswegs eine neue Erfindung, Engländer waren auch früher schon exzentrisch. Bereits Ende der dreißiger Jahre flitzten schlappohrige Kolonialherren – gefolgt von bellenden Aristokraten – durch die Wälder Malaysias, um sich die Langeweile zu vertreiben. Die Kolonialisten trafen sich im Selangor Club, den sie »Hash House« tauften – nicht etwa wegen gemeinsamen Drogenmissbrauchs, sondern wegen des Kantinenfraßes, der hauptsächlich aus Gehacktem, also Hash, bestand. Noch heute heißen die Hasenjagdclubs »Hash House Harriers«. Davon gibt es weltweit mehr als tausend, die meisten davon in Malaysia und den USA, aber auch im Gorki Park von Moskau, wo sich das britische Botschaftspersonal der Hasenhatz verschrieben hat.

      In England sind 93 Vereine registriert. Freilich stößt ihr bizarrer Freizeitspaß nicht überall auf Verständnis. Die blauen Papierschnipsel, die dem Sägemehl beigemischt sind, um die Fährte deutlicher zu machen, haben des öfteren das Misstrauen der Bevölkerung erregt. Manchmal fegen Leute das Zeug einfach weg, weil sie es für Rattengift halten. In Dorset beschlagnahmte das Landratsamt gar die gesamte Fährte, um sie im Labor untersuchen zu lassen. Eine Zeitung hatte nämlich am Vortag mit der Schlagzeile aufgemacht: »Hun­dekiller treiben ihr Unwesen.«

      Nichts liegt den Haschhäuslern jedoch ferner, als irgend jemandem ein Leid zuzufügen. »Das Ganze ist ein großartiger Gleichmacher«, sagt der 75jährige Rentner Phil Davies. »Wir haben Taxifahrer und Anwälte, Arbeitslose und Botschafter, aber wir sind alle gleich.« Die friedliche Jagd ist vermutlich das einzige Wettrennen, bei dem die Schnellsten und die Langsamsten gleichzeitig ins Ziel kommen, weil Kurzatmige Abkürzungen neh­men dürfen. Das Ziel ist stets eine Kneipe. »Hashing« sei eine Spülung des Geistes, sagt der Großmeister der »Wessex Hash House Harriers«. Mindestens ebenso wichtig ist ihnen die gemeinsame Spülung von Hunde- und Hasennieren im Pub nach der Hatz.

      Auch mit Rosskastanien treibt der Engländer exzentrische Spielchen. Sie haben eine Meisterschaft rund um die Kapselfrucht erfunden. In Ashton in Northamptonshire gibt es seit 1964 die Weltmeisterschaften im »Conkers«, wie die Kas­tanien genannt werden. Eigentlich wollten die Stammgäste der Dorfkneipe damals angeln gehen, aber das Wetter war so miserabel, dass sie statt dessen Rosskastanien zerschlugen.

      Das Spiel gibt es, seit die Kastanie im 16. Jahrhundert aus dem Balkan eingeschleppt wurde – sehr zur Freude der Schnecke übrigens, denn bis dahin benutzte man Schneckenhäuser für das Spiel. Die Regeln sind einfach: Man bohrt ein Loch in die Kastanie und zieht eine Schnur hindurch, die am Ende verknotet wird.

      Der Verteidiger hält seine Kastanie mit ruhiger Hand in eine Höhe, die der Angreifer bestimmen darf. Der hat drei Versuche, um das gegnerische Spielgerät mit der eigenen Kastanie zu zer­schmettern. Wenn einer der beiden Spieler seine Kastanie fallen lässt, kann der Gegner »stamp­fen« rufen und die Kastanie zertreten – es sei denn, der kastanienlose Spieler brüllt vorher »nicht stampfen«.

      Der Ex-Weltmeister Chris Jones erklärte seine Taktik: »Genauigkeit ist wichtiger als Kraft, denn ein kräftiger Schlag kann deine eigene Kastanie beschädigen. Ich schlage stets von oben nach unten, dann trifft man besser als bei einem Hieb von der Seite.« Es gibt viele Tricks, um die Kastanien zu härten: Man kann sie backen, lackieren oder in Essig einlegen. Der zweifache Weltmeister Charlie Bray hat einen anderen Trick: Er verfüttert seine Kastanie an ein Schwein und wartet,


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