Dicke Luft in der Küche. Frank Winter

Dicke Luft in der Küche - Frank Winter


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Spachteln und Picheln ist Sünde und deshalb zu verdammen.«

      »Sie müssen es ja wissen!«

      »Aber Gentlemen, so beruhigen Sie sich doch. Wir haben keinen Anlass, in Harnisch zu geraten.«

      »Er hat mich vor den Kopf gestoßen! In meinem ganzen Leben war ich noch nie maßlos!«, sagte MacDonald verstimmt. Allzeit ein versöhnungswilliger Zeitgenosse, sollte man doch über seinen Beruf bitteschön keine unsachgemäßen Bemerkungen machen. Fairness war der ebenso dünne wie notwendige Grund der Zivilisation.

      »Habe nur die Wahrheit gesagt.«

      »Das ist Ihre Meinung. Eine sehr bescheidene, wie ich hinzufügen darf!«

      »Meine Herren, ich schlage vor, wir nehmen einen Drink zu uns. Unser Landsmann Laphroaig wird uns wieder auf Vordermann bringen. Was meinen Sie?«

      »Von mir aus gerne«, erwiderte MacDonald eine Spur ziviler.

      »Normalerweise trinke ich um diese Zeit nichts«, erklärte Lockhart und klopfte mit dem Zeigefingerknöchel auf seine Armbanduhr.

      Des Gourmets Gesicht verfärbte sich weihnachtsputerrot. Das wurde immer besser! Wenn er ihn auf den Drambuie hinwies, würde er wohl Likör zu Limonade erklären! »Ich doch auch nicht!«

      Mrs Sinclair reichte den Herren kommentarlos einen doppelten Scotch und wartete, bis die Promille ihre Wirkung taten. »Möchten Sie vielleicht einen kleinen Imbiss dazu?«

      Er sah sich bereits in ein generöses Stück des Dundee Cake beißen, doch der Major winkte mit den Händen ein Andreaskreuz. »Nein, so weit muss man nicht gehen.«

      »Sie sollten Ihre Gesundheit nicht auf die leichte Schulter nehmen, John. Immerhin sind Sie in Ohnmacht gefallen.«

      »Nach einem Gläschen Whiskylikör«, rutschte es MacDonald heraus.

      »Harte Zeiten verlangen nach harten Geschützen«, sagte Mrs Sinclair. »Mister MacDonald, als Sie klingelten, wollte der Major gerade etwas erzählen.«

      Lockhart nippte an seinem Scotch und sah MacDonald über das Glas hinweg an. »Tut mit leid, wenn wir auf dem falschen Fuß angefangen haben. Die Nerven sind etwas angespannt.«

      »Halb so schlimm«, antwortete MacDonald und nahm noch einen Schluck. Als der Whisky wohlig seinen Körper durchfloss, wusste er, dass ein konstruktives Gespräch sehr viel wahrscheinlicher war.

      »Ist außerdem nicht meine Art, Mitmenschen mein Herz auszuschütten, schon gar nicht solchen, die ich gerade erst kennen gelernt habe. Doch Christabel hat ein richtiges Loblied auf Sie gesungen. Sollen ein ausgezeichneter Spürhund sein. Hatte allerdings erwartet, dass Sie über Politik schreiben.«

      MacDonald schüttelte den Kopf. »Was ist los?« Und warum nannten sie sich beim Vornamen? Das machte … Christabel niemals.

      »Ich erwähnte, dass Sie ein Meister im Ermitteln sind, Mister MacDonald.«

      »Herzlichen Dank. Wenn man das so sagen möchte. Aber um auf die unglückliche Vokabel Spürhund zurückzukommen …«

      Mrs Sinclair streckte ihm die schlanke Whiskyflasche entgegen und sah ihn flehentlich an. »Darf ich nachgießen?«

      »Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie alles, was ich Ihnen erzähle, für sich behalten, MacDuff?«

      »Selbstredend, mein Herr. Das ist Ehrensache.«

      Der Begriff schien dem Major zu gefallen, erinnerte ihn an vergangene Zeiten. Er nickte anerkennend. »Es geht um meine Tochter Ann und Enkelin Catriona. Sind wie vom Erdboden verschluckt.«

      »Seit wann?«

      »Vielleicht zwei Wochen. Bis vor einem Jahr hätte man es genau sagen können. Damals wohnte sie noch bei meiner Frau. Exfrau sollte ich besser sagen. Macht der Gewohnheit. Wie auch immer. Ann ist mit der Kleinen abgehauen. Ohne ein Wort! So etwas machen wir Lockharts nicht! Schande für den Familienstammbaum!«

      War das schlimmer als die Tatsache, dass die beiden unauffindbar waren? »Ich kann Ihnen leider nicht folgen. Von wo ist sie abgehauen?«

      »Von der komischen Freundin, bei der sie wohnte. Hielt sie bislang aber nicht davon ab, meine Exfrau regelmäßig zu besuchen. Von ihr habe ich auch erfahren, dass sie verschwunden ist.«

      »Wissen Sie, wie die Freundin heißt?«

      »Nein.«

      »Wohnsitz?«

      »Auch nicht.«

      »Wie alt ist Ihre Frau Tochter?«

      »Ann, lassen Sie mich überlegen, 34 Jahre, denke ich.«

      »Und Catriona?«

      »Fünf Jahre und vier Monate.«

      »Darf ich fragen, wo sich der Vater des Kindes gegenwärtig aufhält?«

      Mrs Sinclair schnäuzte demonstrativ in ihr besticktes Taschentuch.

      »Verzeihen Sie, Major, ich möchte nicht indiskret sein, aber wenn ich den Fall aufklären soll, muss ich mitunter auch unbequeme Dinge aufrühren. Es liegt in der Natur der Sache.«

      »Ist mir doch klar! Dieser Sangster ist ein Taugenichts, hat sich nach der Geburt der Kleinen einfach aus dem Staub gemacht, berappt nicht einen Penny Unterhalt! Zu meiner Zeit hätte man den Burschen standrechtlich erschossen! Vielleicht mache ich das noch!«

      MacDonald nickte einfühlsam. Die schlimmsten Tragödien spielten sich wahrlich in Familien ab. »Kann Ihre ehemalige Gattin uns Hinweise liefern?«

      »Eher weniger.«

      »Und warum nicht?«

      »Weil sie völlig gaga ist!«

      »Was bitteschön heißt gaga?«

      »Verrückt, versponnen.«

      »Die Bedeutung des Wortes ist mir wohlbekannt. Ich meinte, wie sich das bei Ihrer Exfrau äußert?«

      »Sie kennen doch Prinz Philip?«

      »Von England? Wer täte das nicht«, antwortete MacDonald zögerlich, denn er war nicht sicher, ob man ihn vergackeiern wollte. Und wahrscheinlich würde der Herr eine falsche Antwort mit einer Backpfeife quittieren.

      »Exakt. Meine Exfrau spricht nur noch mit ihm.«

      »Der Gatte der englischen Königin verkehrt bei ihr?«

      »Papperlapapp! Sie spricht mit ihm, obwohl er nicht da ist.«

      »Sie führt Selbstgespräche?«

      »Himmel! Nein! Sie redet nur mit Herren, die ihm ähnlich sehen oder wie er palavern. Hab doch gerade gesagt, dass sie gaga ist.«

      »So ist das also. Haben Sie ihn auch schon imitiert?«, erkundigte MacDonald sich ein wenig schadenfreudig, denn der Kasernenhofton missfiel ihm zunehmend.

      »Was sollte ich denn tun! Sonst hätte sie mir doch überhaupt nichts erzählt. Aber damit ist nun ein für alle Mal Schluss! Lasse mich nicht mehr zum Hampelmann machen. Mit ihrem Faible für den Knilch ist sie mir schon während unserer Ehe auf den Wecker gegangen. Ich muss jetzt aufbrechen.«

      Bevor MacDonald etwas erwidern konnte, stand der Major bereits vor ihm und zerquetschte ihm fast die Hand. Welcher Mensch suchte derart schnell das Weite, wenn es um das Schicksal von Tochter und Enkelkind ging? Hier war etwas faul im Staate Schottland.

       »Jeder Mann, der es zu etwas gebracht hat, denkt, dass das allein sein Verdienst war; seine Ehefrau lächelt und lässt ihn in diesem Glauben.«

      aus Sir James Matthew Barries (1860-1937) »What Every Woman Knows« (1908), Akt vier

      Trubel im Guest House

      »So isst doch kein zivilisierter Mensch! Maria, du hättest sehen sollen, wie der Dicke seine doppelte Portion Porridge reingeschaufelt hat. Das grenzt an Fresssucht! Incredibile!« Alberto


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