Kontrolle. Frank Westermann
Frank Westermann
Kontrolle
Der Anfang einer utopischen (?) Geschichte
Band 1 der Serie »Andere Welten«
FUEGO
- Über dieses Buch -
ERDE I
Ich glaub, dies war das Schlimmste, was die menschliche Zivilisation bisher durchgemacht hatte. Und das Übelste an der Sache war, dass man diesem Chaos, diesem gigantischen Unterdrückungsapparat nicht entkommen konnte. Früher hatte es immer Auswege gegeben, Fluchtmöglichkeiten, die von Minderheiten, Unterdrückten und Außenseitern mehr oder weniger genutzt wurden. Auswege gab es nicht. Hier existierte nur diese einzige, riesige Stadt - drum herum erstreckte sich Steinwüste, Unfruchtbarkeit und Leblosigkeit. Und es gab meines Wissens keinen Flecken auf der Welt, der sich wesentlich von dem beschriebenen Bild unterschied. Und falls dies nur Propaganda war, konnte man es nicht überprüfen ...
ERDE II
»Keine Angst«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Ich will nur versuchen, unsere Situation zu erklären.«
»Was soll dann die Waffe? Ihr wißt genau, daß ich ungeschützt bin«
»Mann, wir wissen überhaupt nichts!« schrie jemand hinter mir.
»Wir kommen von einer anderen Wahrscheinlichkeitsebene. Darum wissen wir über nichts Bescheid«, sagte ich und hoffte, dass das gleichzeitig eine Erklärung war.
»Wahrscheinlichkeitsebene...?« Der Alte sah mich ungläubig an. »Na, das ist natürlich was anderes. Aber ihr müsst wissen, ich kenne mich in derTheorie nicht so aus.«
»Ich auch nicht«, sagte ich leise ...
Well man created the cardboard box to sleep in
And man converted the newspaper to a blanket
Well you have to admit that he's come a long way
Since swinging about in the trees
We're the smartest monkees
XTC - »The Smartest Monkees«
Vorwort zur E-Book-Ausgabe
Wer hätte das gedacht? 38 Jahre nach dem ersten Erscheinen von »Kontrolle« kommt nun eine E-Book-Ausgabe heraus. Als ich mit 25 Jahren anfing, dieses Buch zu schreiben, hätte ich nicht im Traum an so eine Entwicklung gedacht. Wie auch? Internet, Smartphones und E-Bücher waren damals Science Fiction, kaum vorstellbar tauchen sie auch in diesem Buch (und allen weiteren) nicht auf.
Es fühlt sich an, als wäre ein Teil meines Lebens aufs Neue erwacht - und das sind durchaus ambivalente Gefühle. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, dass ich zum letzten Mal in »Kontrolle« und den Folgebänden der Serie »Andere Welten« geblättert habe. Ab und zu stechen sie mir ins Auge, wenn mein Blick zufällig auf die letzten gedruckten Exemplare im Bücherregal fällt.
Als Friedel Muders von Fuego mich vor ca. einem Jahr anrief mit dem Vorschlag, die Serie nach und nach als E-Bücher »auf den Markt« zu bringen, habe ich spontan eingewilligt. Warum auch nicht? So »überleben« sie immerhin und sind weiterhin für interessierte Leserinnen und Leser erhältlich. Andererseits kamen mir auch Zweifel: Sind sie überhaupt inhaltlich noch aktuell? Haben sie Menschen in der heutigen Zeit noch etwas mitzuteilen oder ist das Ganze nur ein nostalgischer Trip in die Vergangenheit? Immerhin war ich mir schon lange sicher, dass ich die Bücher heute so auf keinen Fall mehr schreiben würde, und hatte mich oft sehr zurückhaltend geäußert, wenn die Sprache darauf kam. Sind sie also »nur« Dokumente der Zeitgeschichte, die heute darüber hinaus keine Bedeutung mehr haben?
Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Das mögen die Leserinnen und Leser selbst entscheiden.
Eine weitere Hürde stelle sich mir in den Weg, als ich »Kontrolle« auf Friedels Wunsch hin noch mal Korrektur lesen sollte. Wie würde es mir ergehen, alles wieder Revue passieren zu lassen? Würde nicht der Drang über mich kommen, Formulierungen zu verändern, Neues einzufügen, ja, alles umzuschreiben? Würde mir manches nicht heute ausgesprochen peinlich sein bzw. geradezu unleserlich? Friedel warnte mich davor und bestand darauf, wirklich nur Rechtschreibfehler/Zeichensetzung zu korrigieren - die meiste Arbeit hatte er in dieser Hinsicht sowieso schon geleistet (Stichwort: Satzerfassung und neue Rechtschreibung).
Im Nachhinein kam es genauso, dass es nur die Alternative gab, alles neu zu schreiben oder nur die Fehler zu verbessern. Und dabei ist mir klar geworden, dass ich inhaltlich gar nicht so viel ändern würde, der Stil und viele Formulierungen dagegen ... (s.o. von wegen »peinlich« etc.)
Nun ist es also fertig und auch die nachfolgenden vier Bände der Serie werden nacheinander erscheinen. Bin ich trotz aller Unzulänglichkeiten stolz darauf? Ja. Und ich hoffe, indem die Bücher so einem ganz neuen Publikum zugänglich werden, dass die eine oder der andere auch heute noch an dieser Science Fiction-Abenteuergeschichte mit sozialpolitischem Hintergrund Gefallen findet und vielleicht sogar durch irgendeine Passage zum Nachdenken angeregt wird. Und was den politischen Hintergrund angeht, ist eventuell 1978 gar nicht so weit von 2016 entfernt und ebenfalls nicht vom Ausgangspunkt der Zukunft, die in »Kontrolle« beschrieben wird.
Können wir uns eine bessere Zukunft vorstellen? Ich hoffe es. Auch wenn sie sicherlich nicht so aussehen wird, wie sie hier und in den weiteren Büchern beschrieben ist.
Mein Dank geht an Friedel Muders, der dieses Projekt (fast) im Alleingang hat Wirklichkeit werden lassen sowie an alle ehemaligen und zukünftigen Leserinnen und Leser und natürlich auch an alle, die damals mitgeholfen haben, diesen 5-bändigen Zyklus in die Tat umzusetzen.
Frank Westermann, März 2016
To be or not to be – Shakespeare
To be is to do – Rouseeau
To do is to be – Sartre
Dobe dobe dobe do – Frank Sinatra
Klospruch, gesehen in Irland
Ähnlichkeiten festzustellen mit lebenden,
toten oder noch nicht lebenden Personen,
bleibt dem Leser überlassen.
We went in low and hit 'em hard
The leathernecks were our rear guard
Audie rode the armoured cars
Between us, between us
Streetwalkers - »Between Us«
And if you can't be with the one you love
Love the one you're with
Crosby, Stills, Nash & Young - »Love The One You're With«
1.
Als ich die polternden Schritte hörte, war mein erster Gedanke, dass ich mit der Alarmleine wohl Mist gebaut hatte. Dass ich trotzdem aufgewacht war, verdankte ich nur der Gleichgültigkeit der staatlichen Ordnungshüter. Ich entschuldigte die Panne vor mir selber damit, dass ich eben keine Erfahrung in solchen Vorsichtsmaßnahmen hatte.
Ich hatte aber auch keinen Grund, in Panik zu verfallen. Die Bullen hatten kein besonders großes Interesse daran, jemanden wie mich zu schnappen. Denn das bedeutete für sie nur Arbeit und Scherereien.
Ich raffte also meine paar Klamotten zusammen - auch die Bücher und das kleine Abspielgerät - ließ die Taschenlampe kurz aufleuchten und schwang mich aus dem Fenster. Außer Abfall lag jetzt nichts