Münster - Jede Woche hat ihre Geschichten. Carsten Krystofiak

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Die Entführung wurde später für einen Polizeilehrfilm nachgestellt.

      In dieser Woche im Jahr 1910 …

      … ging Ferdi Eimermacher in die Luft.

      Auf der Loddenheide, wo bis zum Ersten Weltkrieg die Schießstände des Heeres waren, gründete sich Ende 1909 der »Luftschiffahrt-Verein Münster und Münsterland«. Kurz darauf durfte auch der frischgebackene Freiballon-Aspirant Ferdinand Eimermacher aufsteigen. Jeden Sonntag hoben die drei vereinseigenen Ballons ab. Doch das reichte dem ehrgeizigen Gastronomiezulieferer nicht: Eimermacher suchte den Wettbewerb. 1913 flog er in nur sechs Stunden bis ins ostpreußische Königsberg, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 150 km/h. Der fliegende Münsteraner spezialisierte sich auf Langstreckenfahrten; sein Rekord waren 56 Stunden nonstop. Doch dann holte ihn das Pech ein: 1928 startete Eimermacher beim härtesten Ballonrennen der Welt, dem Gordon-Bennet-Rennen. Der Start in Detroit verlief noch glücklich, doch dann blieb der Ballon an einem riesigen Mammutbaum hängen. Die Hülle zerriss und der Korb zerschellte. Eimermacher blieb unverletzt, aber der Titel war futsch. Den Luftfahrer hielt das nicht auf: Eimermacher räumte weiter Preise ab und durfte auch den Besuch des berühmten Luftschiffes Graf Zeppelin in Münster präsentieren. Doch dann war erstmal Feierabend: Im Dritten Reich wurde über Eimermacher ein Startverbot verhängt. Ob man fürchtete, er würde wie Hess nach England fliegen …? Aber schon 1945 durfte er unter Aufsicht der britischen Besatzungsbehörden den Ballonsport in Münster neu organisieren. Eimermacher war nun eine Kultfigur der deutschen Ballonfahrt, wovon Münster direkt profitierte und durch den fliegenden Promi als Wiege der Freiballonfans galt. Die jährliche Montgolfiade erinnert daran.

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      Münster ist immer noch Metropole des Ballonsports. Im Sommer gehören Ballons zum Abendhimmel.

      In dieser Woche im Jahr 1948 …

      … wurde die Abschaffung der Straßenbahn beschlossen.

      Ende Januar 1948 verkündete der Stadtrat, Münsters Straßenbahn könne die Verkehrsprobleme der Zukunft nicht lösen. Stattdessen setzten die Lokalpolitiker auf moderne »O-Busse«. Darauf brach in Münsters Lokalpresse der »Straßenbahnkrieg« aus. Während die Bewohner des Kuhviertels dagegen protestierten, ohne Straßenbahnlinie »vom Verkehr abgeschnitten« zu sein, schwärmten die anderen davon, wie »lautlos und geschmeidig« die Oberleitungsbusse dahinschweben würden. Ganz im Gegensatz zur Straßenbahn, denn die ratterte ziemlich laut durch die Stadt. In der engen Kurve am Alten Steinweg quietschten die Waggons in den Schienen besonders schrill. Darum hieß die Eckkneipe (heute: Gassi) früher »Heulende Kurve«. Drei Straßenbahnlinien fuhren seit 1901 durch Münsters Altstadt (die rote, die gelbe und die blaue Linie), z. B. vom Hauptbahnhof zum Hindenburgplatz. Doch 1954 war Schluss: Die Entscheidung zugunsten der O-Busse war endgültig. Namhafte Verkehrsexperten kritisierten die Stilllegung, weil man »ohne Not ein leistungsfähiges Verkehrsmittel geopfert« habe. Doch die Ära der O-Busse währte nur kurz: 1968 wurden die sonderbaren Zwitter zwischen Autobus und Lok wieder ausrangiert. Einige alte münstersche Straßenbahnwaggons fuhren noch lange in Osnabrück weiter. Dort entdeckte man 1993 den alten Straßenbahntriebwagen Nr. 65 aus Münster und brachte ihn zurück nach Hause, wo er restauriert wurde. Sämtliche späteren Initiativen zur Wiederbelebung der Straßenbahn sind gescheitert.

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      Mit Bussen ist‘s vielleicht doch besser: Eine Straßenbahn in Münster wäre der sichere Tod etlicher Radfahrer.

      In dieser Woche im Jahr 1342 …

      … wurde in Münster schon Karneval gefeiert.

      Schon im Mittelalter beschrieben Chronisten das Ritual der Fastnacht in Münster. Danach ging es damals zwischen Altweiber-Donnerstag und Aschermittwoch hoch her: »Alles war am Vasselavend erlaubt. Männer und Frauen liefen in Raserei in den Straßen umher, tauschten ihre Kleider oder vermummten sich als Türken, Zigeuner, Teufel oder Geister. Unter unaufhörlichem Gedudel von Musik zogen sie durch die Straßen und in die Häuser, wo sie mit den Töchtern tanzten. Um beim Trinken nicht erkannt zu werden, trugen sie ein durch die Maske gestecktes Röhrchen, durch welches sie die dargereichten Becher leerten, wobei das, was in den Röhrchen zurückblieb, auf ekelhafte Weise wieder in die Becher floss …« Auch der Klerus mischte heiter mit: »Die Ordensbrüder fressen und saufen die ganze Nacht und schlafen tags.« Karnevalsmuffeln ging es schlecht: »Für Fernbleiben gab es keine Entschuldigung, selbst nicht mit dem Verweis auf fehlendes Geld. Wer nicht rechtzeitig zum Gelage kam, wurde unter dem Spott der Menge auf Leitern zum Kruge geschleppt.« Sechs Tage lang wurde die Sau rausgelassen. Um danach wieder in die katholische Spur zu finden, gab es ein besonderes Ritual: Der »Morio« (eine Art Hofnarr), der nach der Legende »aus den Sümpfen bei Kinderhaus« kam, wurde als Anstifter des ganzen sündigen Treibens identifiziert, angeklagt, zum Tode verurteilt und als Sündenbock und Erlöser am Aschermittwoch öffentlich verbrannt. Zum Glück war der Morio nur eine kostümierte Strohpuppe. Bis in Bismarcks Zeiten war der Morio die zentrale Figur des münsterschen Karnevals, dann setzte sich der Karnevalsprinz durch.

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      Hier kommt der Morio her: Die »Sümpfe« des Kinderbachs an der Gasselstiege.

      In dieser Woche im Jahr 1957 …

      … bekam Münsters Polizei ihre erste Funkstreife.

      Vor dem 7. Februar 1957 mussten Münsters Polizisten auf Streife zum nächsten Telefon laufen, um mit der Leitstelle zu kommunizieren. Damit waren sie vor allem den fliegenden Händlern des Schwarzmarktes hoffnungslos unterlegen. Der Schwarzmarkt für Lebensmittel, Zigaretten, Schnaps und Luxusgüter aus der Vorkriegszeit blühte dank des Nachkriegsmangels prächtig. Pelzmäntel, Schinken, amerikanische Lucky Strikes oder westfälischer Korn: Alles, was knapp war, erzielte utopische Preise. Die Zentrale für die verbotenen Geschäfte war eine finstere Ruine gegenüber vom Hauptbahnhof, dort wo heute das Hotel Conti steht. Bei einer Razzia wurden auf einen Schlag 900 Verdächtige verhaftet und 120 Kilo Speck entdeckt. Ein Polizeibeamter flog allerdings selbst auf, als er beschlagnahmte Zigaretten mit nettem Gewinn weiterverkaufte. Erst die Währungsreform machte den Schwarzmarkt uninteressant. Dafür bekam es Münsters Polizei ab jetzt mit Metalldieben zu tun, die ganze Straßenlaternen absägten. Innerhalb eines Jahres legte die Funkstreife im Stadtgebiet zweihunderttausend Kilometer zurück. Mit Beginn der Wirtschaftswunderzeit wurde es auch für Münsters Polizisten wieder ruhiger. Abgesehen von einem typischen Delikt: Schon 1959 alarmiert die Lokalpresse: »In nur einer Woche 200 Fahrräder gestohlen!« Damit lag Münster schon damals weit über dem Bundesdurchschnitt. Seit damals funkt Münsters Polizei immer noch mit der gleichen Technik und wartet seit Jahren darauf, dass die Landespolitiker die Einführung des Digitalfunks umsetzen.

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      Wo heute das Hotel Conti steht, war früher Münsters Unterwelt-Zentrale.

      In dieser Woche im Jahr 1990 …

      … wurde das »Balkonmonster« gefasst.

      Ausgerechnet im Jahr der Wiedervereinigung schockierte eine Serie brutaler Sexverbrechen die Stadt. Auffällig war, dass der Täter seine Opfer filmte und fotografierte. Die Polizei setzte Profiler ein, die zu dem Schluss kamen, dass sich der Täter mehr und mehr »aufschaukeln« würde. Münster war sehr beunruhigt. Weil der Täter am Yorkring über eine Regenrinne die offene Balkontür eines Opfers erreichte, nannten ihn die Münsteraner »Das Balkonmonster«. Doch Mitte Februar hatte er endlich Pech: An der Hammer Straße leistete eine Frau unerwartet heftigen Widerstand und schaffte es, die Polizei zu rufen. Die riegelte das halbe Südviertel ab und entdeckte den Täter in einer Mülltonne. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung an der Mecklenburger Straße fiel den Beamten abartiges Beweismaterial nur so entgegen. Die Überraschung: Der Täter war Musterschüler kurz vor dem Abitur und Träger des


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