Sigfrids Träume. Alfred Rohloff

Sigfrids Träume - Alfred Rohloff


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wie auch immer«, stammelte er nach einer Weile gesenkten Hauptes, während ihn die Kaminski fast mitleidig ansah. »Jedenfalls haben meine Eltern sich erst gar nicht getraut, solch abwegige Gedanken mir gegenüber zu äußern.«

      »Na glaubst Du, Igor Alexandrowitsch, meine Eltern hätten mir gegenüber so etwas gesagt? Ich schwöre es bei meiner Seele, erst seit ein paar Tagen, da ich diesen Brief fand, weiß ich davon.«

      »So, so, – na denn wäre das ja geklärt«, meinte Igor.

      Für einen Augenblick saßen die beiden, stumm geworden, einander gegenüber.

      »Na ja, jedenfalls haben wir unseren Eltern das ganz schön vermasselt«, nahm die Katja Kaminski nach dieser Pause das Wort.

      »Aber nun guck sich einer nur einmal unsere Eltern an, – was die sich so alles gedacht haben«, sinnierte Igor.

      Da erst fiel ihm nun auf, daß er immer noch in dieser verdammt warmen Joppe und den Stiefeln steckte.

      »Moment Katja, warte mal einen Augenblick, ich komme gleich wieder«, und damit ging er in das anstoßende Arbeitszimmer, um sich der Stiefel und der Joppe zu entledigen.

      Als er kurz darauf das Wohnzimmer wieder betrat, hielt er eine Karaffe und zwei Gläser in den Händen.

      »Ich werde die Rammosers bis morgen warten lassen. Man ist nach solchen Neuigkeiten doch ein wenig aus dem Tritt geraten. Wie wär’s, wenn ich Dir einen Schluck Portwein anbiete?«

      »Wenn Du meinst, daß Du mit einer alten Hexe einen trinken möchtest …«, kam die Kaminski wieder auf die alte Zeit zurück, aber Igor überging den Ausdruck »Hexe« und vergab ein erstes Kompliment, indem er meinte:

      »Na – na, Du bist doch noch nicht alt – ja wenn ich das von mir sagen würde …«

      »Aber Igor, jeder Mensch hier im Dorf weiß doch, daß ich nun mal gerade zwei Jahre jünger bin als Du.«

      Wie sie ihn so von der Seite lächelnd mit ihren dunklen Augen ansah, konnte Igor sich eines gewissen Wohlgefallens nicht erwehren. Er hatte darum auch gleich eine Idee.

      »Wie wär es, wenn wir den Tee gemeinsam zu uns nehmen«, fragte er etwas scheu.

      »Ich wollte eigentlich gar nicht solange bleiben«, meinte sie, – aber mit einer Handbewegung und einem »na laß uns mal« wischte Igor ihre Einwendung hinweg.

      »Sebastian«, rief er, und als dieser erschien, befahl er ihm, doch den Samowar und zwei Teegedecke hereinzutragen.

      Sebastian, der bei seinem Lauschen nicht die Einzelheiten des Gesprächs herausbekommen hatte, wunderte sich über den Auftrag. Nicht sicher, ob er selbst der Gesellschafter beim Teetrinken sein sollte und dies Teetrinken der beiden Männer vor den Augen der Kaminski vielleicht ein wohl kalkulierter Affront seines Herrn gegen den unliebsamen Gast sein könnte, fragte er vorsichtshalber zurück:

      »Ein Gedeck für den Herrn – und eines für die Dame?«

      »Na für wen wohl sonst«, polterte Igor zurück.

      Als Sebastian verschwunden war, druckste Igor noch eine Weile herum und meinte dann:

      »Na ja, ich trinke schon dann und wann den Tee mit ihm gemeinsam, aber heute habe ich ja nun einen Gast.«

      Das Gespräch der beiden während des Teetrinkens kreiste eigentlich ganz und gar um ihre Eltern, wobei man sich sehr schnell einig war, daß sie im Grunde ganz gute Eltern gewesen seien, wenn sie denn auch in dem einen Punkte, dem einer Verbindung ihrer Kinder, mächtig daneben gelegen hätten.

      Als Katja ging, begleitete sie Igor bis auf den Hof. Dort saß der Kutscher der alten Dame immer noch wartend auf seinem Kutschbock.

      »Aber Sebastian, was sind das für Sachen«, beschwerte sich Igor, »man bittet die Gäste doch herein!«

      »Sehr wohl, mein Herr«, verbeugte sich dieser und wußte nicht mehr so recht, in welcher Welt er nun lebte.

      »Na, das nächste Mal machen wir es aber anders«, sagte Igor beim Abschied.

      Als nach einer Woche Igor von Katja Kaminski eine Einladung erhielt, konnte er sich doch nicht entschließen, ihr zu folgen. Ihm war da alles, was sich ereignet hatte, noch zu neu und fremd. Darum schützte er eine Erkältung vor und sagte ab. Als dann aber einige Tage später die Kaminski persönlich sich für einen Besuch anmeldete, geriet er doch in einige freudige Erregung.

      »Ich muß doch sehen, wie es dem roten Teufel geht«, scherzte sie, als sie das Wohnzimmer betrat.

      Sebastian hatte die Wende, die zwischen den Familien eingetreten war, inzwischen nachvollzogen und einen schönen kleinen Tisch für zwei Personen gedeckt.

      Für dieses Mal drehte sich das Teegespräch um das Urteil in ihrem Rechtsstreit; und wen verwundert es noch, daß sie sich darin einig waren, ein ganz unmögliches Gerichtsurteil erhalten zu haben.

      »Was soll ich eigentlich mit diesem schmalen Streifen Erlenschonung anfangen, der nur so breit wie ein Weg ist«, ereiferte sich Igor, »na und Du? Ich habe gesehen, daß Du zwischen den Grundstücken einen Streifen von Deiner Erlenschonung hast kahl schlagen lassen, um die neue Grenze zu markieren. Dabei geht Dir dann noch mehr Land verloren. Weißt Du das ist doch alles unsinnig mit diesem Urteil.«

      »Na ja, und was habe ich von dem Recht, nun öffentlich und gerichtlich festgelegt, den Erlenweg benutzen zu können. Kaufen kann ich mir auch nichts dafür«, entgegnete Katja.

      »Weißt Du was, Katja, wir ändern das wieder um.«

      »Aber Igor, – das geht doch nicht. Es ist doch nun alles, wie sagt man so schön, gerichtsnotorisch festgelegt.«

      »Das macht doch gar nichts! Ja, was wollen die Herren denn tun, wenn ich Dir den Streifen Erlenbusch wieder zurückschenke?«, lachte Igor und schlug sich vor Freude auf die runden Schenkel.

      »Aber Igor …«

      »Na ich kann doch mit dem Stremel nichts anfangen, – eher schon Du …«

      »Damit kannst Du recht haben, – aber dann kaufe ich Dir das Stück lieber ab«, meinte die Kaminski.

      Aber Igor wollte davon nichts wissen. Nein, es sollte eben eine Schenkung werden. Letztendlich willigte Katja ein, bestand aber darauf, daß Igor nun endlich ihr den längst fälligen Gegenbesuch abstatten sollte.

      Als sie sich draußen im Beisein von Igor und Sebastian verabschiedete, bemerkte sie mit einem Blick auf das von altem, grauem Putz bedeckte Haus:

      »Weißt Du, Igor, Du hast eigentlich ein sehr schönes Haus, aber von außen könnte es doch ein bißchen Farbe vertragen.«

      »Ja ja, ich habe auch schon des längeren daran gedacht, es machen zu lassen, aber dann ist mir doch immer wieder etwas dazwischen gekommen.«

      Dem armen Sebastian geriet ob solcher Rede seines Herrn fast die parallele Führung seiner Augen durcheinander, hatte er selbst doch zu wiederholten Malen dem Herrn des Hauses einen neuen Anstrich nahe gelegt, aber jedes Mal eine Abfuhr erhalten – meist noch mit dem poltrigen Bemerken: »Ja ja, und dann womöglich noch weiß, so wie das Haus dieser verflixten Kaminski.«

      So geschah es denn, daß zwei Wochen später Igor Alexandrowitch sich von Sebastian durch den bekannten Erlenweg, dann an seinem Ende links einbiegend, zu dem stattlichen Haus der Kaminski kutschieren ließ – wieder im offenen Landauer, aber jetzt ohne die berüchtigten Erlenbüsche an seinen Ecken.

      In seinen Händen hielt er eine Aktentasche mit dem Schenkungsbrief und einer genauen Bezeichnung der Teilgemarkung aus dem Grundbuch.

      Das Haus der Kaminski machte wegen der vier im Halbkreis vor dem Eingangsbereich postierten Säulen, die ein kleines Dach trugen, den Eindruck eines kleinen Schlößchens, – nicht zuletzt auch wegen des weißen Anstrichs, der einem besonders jetzt, da schon einiges Laub gefallen war, schon von weitem entgegen sprang.

      Als Igor gegen Abend wieder zurückfuhr, hatte er nicht nur seinen Schenkungsbrief


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