Hopfenduft und Butterbrezel. Wolfram Fleischhauer

Hopfenduft und Butterbrezel - Wolfram Fleischhauer


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der Name Fricker stand. Nachts um drei bin ich noch in die BNN geradelt, wenn irgendwo ein Unfall war oder wie damals in der IWKA ein Feuer ausgebrochen war.

      Die Musik aber, die wurde später, als ich mit meiner Frau und unseren beiden Kindern nach Amerika auswanderte, der Grundstein für meinen Erfolg als Entertainer und Tiroler Jodler in Lederhosen und Trachtenjanker im Tiroler-Spezialitäten-Restaurant. Bald schon hatte ich die Idee, gemeinsam mit dem Paulaner Bräu, das erste „Oktoberfest“ in Denver auf die Beine zu stellen. Die Amerikaner waren so begeistert, dass ich schon bald das erste Fernsehinterview hatte und lange Berichte in den lokalen Zeitungen über mich erschienen. Ich konnte ja kaum ein paar Sätze Englisch und gestikulierte wie die Italiener mit Händen und Füßen. Aber zurück nach Karlsruhe. Dort habe ich bei meinen Auftritten als junger Musiker die Leute begeistert mit Texten wie:

      Karlsruh wird, man weiß net wie,

      bald e Weltstadt sei.

      Früher lags bloß an der Alb

      und heut liegts scho am Rhein.

      Bald wird Schtuttgart oigemeint,

      Pforze a, hajo,

      Bade-Bade wart scho druff

      Und scho isch’d Weltstadt do!

      Und wie kam ich von Karlsruhe nach Amerika?

      Unsere Nachbarn in Mörsch waren deutsche Frauen, die mit amerikanischen Offizieren verheiratet waren. Wir freundeten uns an und irgendwann konnten sie uns dazu bewegen, alles zu verkaufen und mit zwei Kindern, zwei Koffern und 85 DM unser Glück in Amerika zu versuchen. Meinen Beruf als Buchbinder übe ich in Amerika heute noch aus und meine Musik und mein Gesang im Nobelskiort Vail in Denver haben dazu geführt, dass der frühere Ex-Präsident Ford und seine Frau Betty, die in Vail ein Haus hatten, auf mich aufmerksam wurden. Ford lud einmal jährlich andere Politiker ein wie Helmut Schmidt und seine Frau Loki oder auch Giscard d’Estaing und viele andere berühmte Ex-Präsidenten. Meine Frau Ursula machte dann das Catering und ihre berühmte Linzer Torte und ich sorgte für das Entertainment. Einmal hatte ich die Idee, die ganze Runde zu mir nach Hause einzuladen, und alle sind gekommen.

      Klavierspiel, Kakao

       und Schweinsöhrle

       Sonny Fuchs

      Als ich am 17. März 1928 als zweite Tochter von Richard und Dora Fuchs in der Kriegsstraße 120 in Karlsruhe zur Welt kam, war meine ältere Schwester Eva schon sieben Jahre alt. Mich nannten sie Sonia, Senta, Fanny, obwohl mein Vater mich ursprünglich „Immogen“ nennen wollte. Unser Dienstmädchen protestierte: „Aber Herr Doktor! Sie könne doch net in de Hof runner rufe, Immogen geh und hol mir en Handkäs!“ So einigte man sich auf Sonia, Senta nach Richards Schwester, und Fanny nach meiner Urgroßmutter. Sie war die Frau von Hirsch Fuchs, dem Gründer der Holzhandlung H. Fuchs Söhne.

      Die Weltwirtschaftskrise war zu diesem Zeitpunkt ziemlich vorbei, und meinen Eltern ging es recht gut. Mein Vater war Architekt und sein Büro im ersten Stock der Kriegsstraße 120, wo heute das Ettlinger Tor-Einkaufscenter ist, hatte viele Aufträge.

      Noch heute stehen einige seiner Häuser und Gebäude in Karlsruhe, unter anderem in der Moltkestraße und der Beiertheimer Allee. Dora hatte die Verantwortung für den Haushalt. Bei uns gab es immer viel Besuch: Bekannte, Verwandte und Freunde gingen ein und aus. Der Fuchs Familienkreis war groß und man sah sich ziemlich oft. Jeden Sonntagnachmittag waren die Karlsruher Füchse bei Bernhardt, dem ältesten Sohn von Hirsch Fuchs zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Es gab belegte Brote, Apfel- und Marmorkuchen. Schon als kleines Kind war ich in der großen Wohnung am Haydnplatz dabei. Die größeren Kinder saßen am Kindertisch und bekamen Kakao und Schweinsöhrle. Die Kleinen krabbelten unter dem großen Tisch herum und machten Unfug.

      Richard war zwar Architekt, aber seine große Leidenschaft war die Klassische Musik und das Komponieren. Sicherlich wäre mein Vater manchmal lieber zu Hause geblieben um zu komponieren und Klavier zu spielen. In unserem Wohnzimmer im dritten Stock in der Kriegsstraße war ein großer Flügel, unter dem ich meine kleinen Autos auf den Perserteppichen herumschob. Ich kann mich erinnern, dass ich abends nie eingeschlafen bin, ohne Vaters Klavierspiel zu hören. Selbst im Büro hatte mein Vater ein Klavier, damit er rasch seine neu komponierte Melodie spielen und aufschreiben konnte. Seine Kompositionen wurden geschätzt, unter anderem auch von dem berühmten Dirigenten Wilhelm Furtwängler.

      Die Eltern von Richard, Gustav und Claire Fuchs wohnten im zweiten Stock des Hauses. Bei ihnen lebte auch ihre Haushälterin, Fräulein Fischer, „’s Fischerle“, und ein Dienstmädchen. Putzfrau, Waschfrau und Näherin kamen einmal pro Woche.

      Wir vier wohnten im dritten Stock, wo auch unsere Köchin Maria und meine Kinderschwester Detta untergebracht waren. Die Küche war groß und schwarz-weiß gekachelt und jede Woche kam der Eismann und füllte den Eisschrank. Im Winter heizte Maria den Kachelofen im Wohnzimmer mit Kohlen. Wohnzimmer, Esszimmer und das große Schlafzimmer meiner Eltern hatten Parkettboden und darüber lagen Perserteppiche.

      Eva und ich wohnten zusammen neben dem Elternzimmer. Auch wir hatten einen Kachelofen, breite Betten, zwei Pulte, einen Kleider- und einen Spielschrank und Nachttische mit Nachttöpfen. An der Decke unseres Zimmers hing eine richtige Schaukel. Maria und meine Kinderschwester Detta hatten ihr eigenes Zimmer im Hinterhaus.

      Im vierten Stock wohnten Herr und Frau Fehr und Alois. Neben ihnen war der Speicher und darüber ein Dachgarten mit meiner Sandkiste. Mutters Liebe gehörte ihren Blumenkästen mit den leuchtend roten Geranien. Zu meinen Kindheitserinnerungen gehören auch die Spaziergänge im Nymphengarten, das Schaukeln auf den schweren Ketten rings um das Schloss und die Ausflüge nach Rüppurr oder zum Schwimmen nach Maxau. Manchmal fuhren wir mit der Straßenbahn und dann mit der Bergbahn auf den Turmberg, wo es Kaffee und Apfelkuchen mit Schlagsahne gab. Im Winter ging es dann in den Schwarzwald, auf den Dobel oder nach Herrenalb.

      Als die Nazis an die Macht kamen, änderte sich alles schlagartig. Mein Vater wurde gezwungen, unser Haus für einen Apfel und ein Ei zu „verkaufen“, und wir mussten Deutschland verlassen. Der Familie gelang es, nach Neuseeland auszuwandern. An einem strahlenden Sonntag kamen wir in Wellington an. Das Wasser im Hafen war spiegelglatt und im Hintergrund leuchteten die schneebedeckten Berge. Wellington ist heute eine kosmopolitische, kultivierte Großstadt, aber 1939 kam es meinen Eltern wie ein Dorf vor.

      Keine Hochhäuser, kaum kulturelles Leben. Meinen Eltern gelang es, einen typischen Holzbungalow zu kaufen. Als zehnjähriges Kind war es für mich leicht, mich anzupassen, aber meinen Eltern fehlten die europäische Kultur, die Konzerte und die Restaurants.

      Nach meiner Lehrerausbildung habe ich einige Jahre an Volksschulen unterrichtet und heiratete 1954 einen Lehrer. Während unsere vier Kinder klein waren, blieb ich daheim und versorgte sie, wurde aber ab und zu am Rundfunk als Sprecherin verpflichtet. 1971 bekam ich eine Stelle als Deutschlehrerin an der NZ Correspondendence School, wo ich deutsche Radioprogramme, Tonbänder und Lehrbriefe verfasste. Nach einigen Jahren wurde ich Herausgeberin von Lehrbriefen und Tonbändern in allen Fächern und schrieb auch Kindergeschichten, die in Neuseeland veröffentlicht wurden.

      Dreimal kam ich zurück nach Karlsruhe. Einmal nach einem Kurs im Goethe-Institut für Lehrer in München. Danach 2007 auf Einladung der Stadt Karlsruhe und von Oberbürgermeister Heinz Fenrich aus Anlass der Aufführung von Werken meines Vaters in Schloss Gottesaue. Mein Sohn hat bei dieser Gelegenheit einen inzwischen preisgekrönten Dokumentarfilm über die Architektur, die Aquarelle und die Kompositionen meines Vaters Richard Fuchs gedreht mit dem Hauptdrehort Karlsruhe und den vielen Stätten seines Wirkens. 2009 war ich dann wieder in Karlsruhe bei einem riesigen Familientreffen aller Fuchsens aus der ganzen Welt.

      Obwohl Karlsruhe eine schöne Stadt ist, würde ich nie wieder dort oder sonst irgendwo in Deutschland leben wollen. Meine Schwiegerkinder und neun Enkelkinder sind wie ich auch Neuseeländer. Und wenn ich heute von meinem kleinen Holzhaus auf dem Berg durch die Bäume schaue, bin ich überwältigt vom wunderbaren Anblick des Meeres.

      Ein glühender Kennedy-Fan

       Hildegard Gerecke

      Als echtes „Karlsruher Kind“


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