Unser Kind soll etwas werden. Angela M. T. Reinders

Unser Kind soll etwas werden - Angela M. T. Reinders


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war davon betroffen: Soziales Verhalten bildet sich nur aus, wenn Kinder in vielfältigen Beziehungsformen zu gleichaltrigen und nicht nur älteren Bezugspersonen stehen.

       Sara ging keinen Schritt allein. Zwar machte sie „Erfahrungen“ im wahrsten Sinne des Wortes, wenn sie gefahren wurde – aber, um im Bild zu bleiben, „begriff“ dabei nichts. Dass man auf der Straße vorsichtig sein muss, dass man bei einer wilden Schlittenfahrt mal auf dem Po landen kann, die Verantwortung für einen eigenen Weg: All das lernte Sara nicht.

       Sara trank nichts anderes als das selbst mitgebrachte Leitungswasser. Zu schmecken, was anderen schmeckt, sich auf Neues einzulassen – dieses Erlebnis wurde ihr verwässert, weil sie stets auf die eigene Trinkwasserversorgung zurückgreifen sollte und schließlich auch wollte. Doch Bildung ist die Fähigkeit, sich auf Neues einzustellen und damit umzugehen. Wie schmeckt das Leben? Was schmeckt mir? Was ist mir zu scharf, zu süß, zu schal? Entscheiden können gehört wesentlich zum Menschsein dazu – und dazu wiederum die Voraussetzung, dass man vergleichen kann. Nur so finden Kinder zu eigenen Fragen und eigenen Lösungen dafür, die beide zu ihrem Bildungsprozess gehören. Kinder brauchen nicht in wechselnden Schutzräumen immer nur das gleiche reine Wasser, sondern in Geborgenheit durch verschiedene Bezugspersonen auch andere Geschmacksnoten des Lebens. So fördert man den gesunden „Wissensdurst“ des Kindes.

       Ach ja, und der Hustensaft. Damit lernte Sara etwas Fatales schon früh: Das Leben scheint nicht zu bestehen zu sein, wenn man nicht ständig auf Drogen zurückgreifen kann – möglichst auf unterschiedliche mit der jeweils gewünschten Wirkung.

      Die Eltern brachen die Telefonaktion ab und meldeten Sara auf Anraten der entschlossenen Mutter erst einmal zu einem Selbstbehauptungskurs an …

      Menschenrecht und Elternpflicht

      Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte besagt:

      1. Jeder Mensch hat Recht auf Bildung. Der Unterricht muss wenigstens in den Elementar- und Grundschulen unentgeltlich sein. Der Elementarunterricht ist obligatorisch. Fachlicher und beruflicher Unterricht soll allgemein zugänglich sein, die höheren Studien sollen allen nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten und Leistungen in gleicher Weise offenstehen.

      2. Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziele haben. Sie soll Verständnis, Duldsamkeit und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen fördern und die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Friedens begünstigen.

      3. In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen.

      Immer wieder kursieren Geschichten von Eltern, die sich weigern, ihre Kinder in einer deutschen Regelschule anzumelden. Meist spielen dabei religiöse Gründe eine Rolle. Die Geschichten enden gern in Talkshows – und bzw. oder in einem Auslands-„Asyl“. In Deutschland gilt die Schulpflicht, die in der Regel neun, in manchen Bundesländern zehn Schulbesuchsjahre umfasst. Es geht also um die tatsächlich in der Schule verbrachten Schuljahre – wer einmal in der Grundschule und einmal in der Unterstufe sitzen bleibt, hat bereits nach der siebten oder achten Klasse die Schulpflicht erfüllt und wird auf Antrag weiterbeschult. Anders allerdings ist es mit übersprungenen Klassen, die mitgezählt werden, obwohl sie nicht besucht wurden.

      Nach der Vollschulpflicht setzt die Berufsschulpflicht ein, der z.B. durch den Besuch der Berufsschule im dualen System im Rahmen einer Ausbildung Folge geleistet werden kann. Mit dem Abschluss der Berufsausbildung oder dem zwölften Schulbesuchsjahr endet auch die Berufsschulpflicht.

      An schulischer Bildung teilzunehmen ist aber nicht nur eine Pflichtübung. Es ist ein Recht. Lernen gehört zum Leben. Bildung ist überlebenswichtig – so sehr, dass sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert wurde.

      Ein solches Grundrecht schützt Kinder vor allem im Grundschulalter gegen andere Interessen von Eltern. Zum Menschenrecht wurde Bildung auch deshalb, weil sie über die Verbesserung der Situation jedes einzelnen Menschen von Kindesbeinen an erst das Wohl des Gemeinwesens möglich macht.

      Zur Erziehungsverantwortung der Eltern gehört, für die Erfüllung der Schulpflicht ihrer Kinder zu sorgen. Aufgabe der Lehrer ist es, darauf zu achten, dass sie es auch tun. Eltern oder Lehrer jeweils allein werden es jedoch nicht schaffen, häufig schulschwänzende Kinder zum Schulbesuch zu bewegen. Hier müssen Eltern, Lehrer und der schulpsychologische Dienst, ggf. auch die Polizei, zusammenarbeiten. Ältere Schülerinnen und Schüler können als „Paten“ zu Abholdiensten eingeteilt werden. Wichtig ist, dem schulschwänzenden Kind das Schwänzen so schwer und unbequem wie möglich zu machen und es – in Maßen – bei Schulbesuch durch stärkere Beteiligungsangebote zu „belohnen“.

      Den Wald betrachten, den Baum ansehen oder hinter die Rinde gucken: von Gott und der Welt wissen

      Der Medienexperte Neil Postman spricht von zwei Problemen, die Erwachsene lösen müssen, um die Bildung von Kindern und Jugendlichen zu gestalten: ein technisches – wo und wann soll gelernt werden, wie geschieht das Lernen und mit welchen Methoden? Dann aber noch ein ganz anderes: „Ein anderer Mensch zu werden aufgrund von etwas, das man gelernt hat – sich Einsicht anzueignen, ein Konzept, eine Vision, welche die Welt ändern – das ist etwas ganz anderes“, schreibt er. Wenn das geschehen soll, braucht man einen Grund.

      Ein Manager benutzt gern das Bild, um die Richtung für eine genauere Betrachtung festzulegen: „den Wald betrachten, den Baum ansehen oder hinter die Rinde gucken“.

      Damit Kinder eine Einsicht, ein Konzept, eine Vision vom Lernen erlangen können, tut es ihnen gut, „Bäumchen, Bäumchen, wechsel dich“ zu spielen – eben die Betrachtungsweisen zu ändern und zu variieren:

       Den Wald betrachten; das heißt: Zusammenhänge begreifen, Dinge und Ereignisse zueinander in Beziehung setzen. Die Mischung macht es, der Überblick über das Ganze.

       Den Baum ansehen; das heißt: Detailkenntnisse erwerben, Einzelheiten zu verschiedenen Themenbereichen wissen, „Jahresringe und Jahreszeiten“ erkennen, also Vorstellung von Zeit und Raum haben. Hierbei spielen die richtigen Methoden eine Rolle.

       Hinter die Rinde gucken; das heißt: Wie ist das Wesen der Dinge? Wo liegt der Sinn hinter dem, was geschieht? Wo kommt die Welt her und warum sind die Abläufe in ihr so, wie sie sind? Dabei entwirft das Kind selbst sein Weltbild und ein Gottesbild. Die kindlichen Konzepte werden aus der Erfahrung mit der Kultur einer Gesellschaft, aber auch mit der Kultur einer Religionsgemeinschaft mit Wissen gespeist. Sie lernen an ihrer eigenen Lernerfahrung, warum es sich zu lernen lohnt, und auch, das Gelernte in einem verantwortlich gestalteten Leben anzuwenden.

      Wenn ich groß bin …

      „Im Kern geht es um Basiskenntnisse und -fertigkeiten, um Sozialverhalten sowie um Grundhaltungen und Einstellungen, die für Arbeit und Beruf wichtig sind. Eigentlich nichts Außergewöhnliches. Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass Elternhaus und Schule eine stabile Grundlage schaffen, auf der die Ausbildung aufbauen kann. Mit anderen Worten:

      Über Grundwerte und persönliche Einstellungen kann man nicht erst in der Ausbildung nachdenken.

      Ohne ein ausgeprägtes Sozialverhalten kommt in Schule, Wirtschaft und Gesellschaft niemand zurecht.

      Beim Einstieg in das Berufsleben muss das schulische Grundwissen auch fächerübergreifend „sitzen“.

      Fähigkeit zum übergreifenden Denken in Zusammenhängen ist Voraussetzung zur Orientierung in einer komplexen Welt. …

      Auch Belastungen und Enttäuschungen muss man aushalten können. Nicht zuletzt stärkt dies das Selbstvertrauen. In Elternhaus und Schule sollten die Jugendlichen gelernt haben, nicht gleich aufzugeben, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht sofort oder vielleicht auch gar nicht einstellt.“

      Gemeinschaftsinitiative


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