Urbanität und Öffentlichkeit. Группа авторов

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      Praktische Theologie im reformierten Kontext

      herausgegeben von Albrecht Grözinger, Gerrit Immink, Ralph Kunz, Andreas Marti, Christoph Morgenthaler, Félix Moser, Isabelle Noth, David Plüss und Thomas Schlag.

      Band 6 – 2013

      Die Reihe »Praktische Theologie im reformierten Kontext« versammelt Arbeiten aus der praktisch-theologischen Forschung, die in der konfessionellen Kultur der Reformierten verankert sind. Der reformierte Kontext ist einerseits Gegenstand empirischer Wahrnehmung und kritischer Reflexion und andererseits das orientierende Erbe, aus dem Impulse für die zukünftige Gestaltung der religiösen Lebenspraxis gewonnen werden. Er bildet den Hintergrund der kirchlichen Handlungsfelder, prägt aber auch gesellschaftliche Dimensionen und individuelle Ausprägungen der Religionspraxis.

      Ralph Kunz, Christina Aus der Au, Thomas Schlag, Hans Strub (Hg.)

      Urbanität und Öffentlichkeit

      Kirche im Spannungsfeld gesellschaftlicher Dynamiken

      TVZ

       Theologischer Verlag Zürich

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.

      Umschlaggestaltung: Simone Ackermann, Zürich, unter Verwendung einer Fotografie von Andreas Hoffmann (Ausschnitt) aus der Serie «Krethi & Plethi. Christliches und Nachchristliches in Zürich», 1999 © Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich und Katholische Kirche im Kanton Zürich

      ISBN 978-3-290-17666-2 (Buch)

       ISBN 978-3-290-17743-0 (E-Book)

      |XX| Seitenzahlen des E-Books verweisen auf die gedruckte Ausgabe.

      © 2013 Theologischer Verlag Zürich

       www.tvz-verlag.ch

      Alle Rechte vorbehalten

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      Vorwort

      Die Kirche steht auch in der Schweiz in den wenigsten Fällen noch im Dorf. Und dies im übertragenen wie im wörtlichen Sinne: Sie hat ihre Stellung nicht mehr selbstverständlich und unangefochten inne, selbstbewusste und religiös mündige Menschen entscheiden autonom über ihre Mitgliedschaft und ihre Nähe und Distanz zur Institution Kirche. Und Kirche findet auch nicht mehr hauptsächlich im Kirchengebäude statt, sondern entsteht immer häufiger auch an den Rändern, an den Hecken und Zäunen, auf öffentlichen Plätzen, in Bahnhöfen und Flughäfen. Kirche ist nicht mehr einfach, aber sie wird, nämlich dort, wo Menschen wohnen und leben, und dies nicht nur in Dörfern, sondern in Städten und Agglomerationen. Und weil Menschen nicht mehr einfach in die Kirche kommen, ist Kirche neu herausgefordert, zu den Menschen zu gehen.

      Urbanität und Öffentlichkeit sind Schlüsselbegriffe in der Diskussion um Kirchenentwicklung. Urbanisierung, so definieren es Dave Frenchak und Carol McGibbon aus Chicago im vorliegenden Band, ist mehr als Bevölkerungsverdichtung. Sie hat zu tun mit spezifischen Formen von menschlichen Beziehungen, mit Kommunikation, wechselseitigen Bezügen und komplexen Mustern des kulturellen, wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens, die über die eng verbundenen Lebensformen kleiner Gemeinschaften hinausgehen. Und die für die Kirche relevante Öffentlichkeit besteht nicht nur aus den Sphären, die David Tracy identifiziert hat, nämlich Universität, Kirche und Gesellschaft im Ganzen,1 sondern Letztere kann mit Nico Koopman noch weiter ausdifferenziert werden in die politische und die ökonomische Sphäre, die Zivilgesellschaft und die öffentliche Meinung.2 Dann besteht die Herausforderung an die Kirche «nicht nur darin, sich flexibel auf eine bestimmte kommunikative Situation einzustellen, sondern mit präziser Sachkenntnis und fachlicher Kompetenz in den Dialog über Gegenwartsfragen einzutreten».3

      Die Vertreter v. a. der Praktischen Theologie der Universität Zürich haben diese Herausforderung aufgenommen und an verschiedenen Tagungen mit nationalen und internationalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Kirche im Spannungsfeld |6| von Urbanität und Öffentlichkeit diskutiert. So traf sich das Praktisch-Theologische Forschungskolloquium der Universitäten Zürich und Rostock im Frühjahr 2010 zur Tagung «Kybernetik?! Aktuelle Forschungsperspektiven zur Kirchen- und Gemeindeentwicklung» auf dem Monte Verità. Im Sommer 2010 fand zu Ehren von Hans Strub, dem langjährigen Leiter der Aus- und Weiterbildung von Pfarrpersonen in den Schweizerischen Landeskirchen in Zürich ein internationaler Workshop zu «Urbanität und Religiosität» statt. Schliesslich lud das neu gegründete Zentrum für Kirchenentwicklung am 22./23. Juni 2012 zur öffentlichen Tagung über «Öffentliche Kirche – Kirche im öffentlichen Raum» ein, an der Theologinnen und Theologen, Kirchenvertreterinnen und Politiker über die öffentlichen Erwartungen an die Landeskirchen diskutierten.

      Aus diesen drei Tagungen sind Gedankenanstösse, Positionen und Gegenpositionen von Referentinnen und Referenten aus Frankreich, den Niederlanden, den USA, Deutschland und der Schweiz, aus Kirche, Politik, Medien und Literatur in diesem Band versammelt. Sie alle beleuchten die thematischen Schwerpunkte auf unterschiedliche Weise. Die Pluralität ist in diesem Band Programm, wie es Thomas Schlag formuliert, nämlich als Signal der Offenheit für unterschiedliche Deutungen gegenwärtigen Lebens und gelebter Religion. Der Zürcher Praktologe eröffnet diesen Band mit Überlegungen zu Urbanität und Öffentlichkeit als Zentralbegriffe, anhand derer die Rahmenbedingungen und Zielvorstellungen individuellen religiösen Lebens und gemeinsamen Zusammenlebens hermeneutisch und theologisch reflektiert werden können. Weit entfernt davon, in den Abgesang auf die Kirchen miteinzustimmen, sieht er darin Ressourcen für ein kirchliches Leben, das sich über die Kerngemeinde hinaus herausfordern lässt. Vor diesem Hintergrund lotet er die Ansprüche des vor drei Jahren gegründeten Zentrums für Kirchenentwicklung aus, dessen Leitung er vorsteht. Als Aufgabe des Zentrums bezeichnet er nicht die Entwicklung von geschlossenen ekklesiologischen und missionarischen Vorlagen, sondern eine offen orientierende Deutung in Interaktion mit den kirchlichen Akteuren, so dass protestantische Freiheit und Verbindlichkeit in ihrer Wechselwirkung zum Tragen kommen.

      Der erste thematische Teil zu Urbanität und Religiosität beginnt mit Reflexionen einer urbanen und kirchenfernen Kirchensympathisantin. Gisa Klönne ist Autorin von Kriminalromanen, in denen sie auch mit den grossen Fragen des Lebens und den seelischen Untiefen von Schuld und Vergebung zu tun hat. Sie ist froh über eine Convenience-Kirche bei Gelegenheit, aber sie fordert deren Mut ein, jenseits aller Gefälligkeit darauf zu beharren, was Kirche ausmacht. Irene Gysel, Redaktorin für die Sendung «Sternstunde Religion» beim Schweizer Fernsehen und Vizepräsidentin des Zürcher Kirchenrats, denkt von ihren Erfahrungen in chinesischen Megastädten aus über die Suche nach Identität in virtuellen und realen Räumen nach. Sie hat gerade dort Kirche als realen Ort der Identitätskonstitution für urbane Menschen kennengelernt. Der Pfarrer und langjährige Leiter |7| der Aus- und Weiterbildung von Pfarrpersonen, Hans Strub, sieht die zukünftige Schweiz als grenzübergreifende urbane Siedlung. Wenn Kirche hier weiterhin präsent sein will, so kann dies nicht mehr lediglich territorial als Gemeinschaft am Wohnort und als Diakonie in Spitälern und Gefängnissen geschehen, sondern sie wird auch Momente der Unterbrechungen anbieten und medial präsent sein müssen. Christina Aus der Au, Theologische Geschäftsführerin des Zentrums für Kirchenentwicklung, reflektiert Religiosität als biologisch und soziologisch erfassbare menschliche Eigenschaft und befragt die Tauglichkeit religionssoziologischer Studien in Hinblick auf Kirchenentwicklung. Vor dem Hintergrund mehrerer Modelle von Kirche ruft sie auf zu einer Ergänzung dieser Studien mit einer fortwährenden ekklesiologischen und exegetischen Auseinandersetzung. Matthias Krieg, Leiter der Bildungsabteilung der Zürcher Landeskirche, entdeckt die Volkskirche als Erfindung der deutschen Romantik, als eine poetische und unter Umständen auch gefährliche Utopie. Er fragt nach der Kirche als der City of God, und nach uns, die wir vielleicht religiös noch nicht dort angekommen sind, wo wir urban schon sind. Hier ist ein Blick über die Grenzen ermutigend. Der Praktologe Henk de Roest, Professor in Groningen, zeigt Prozesse der Genügsamkeit, der Verbesserung und Erneuerung inmitten der Entkirchlichung in Amsterdam.


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