Petersburg. Andrei Bely
Alexander Iwanowitsch kehrte in seine traurige Behausung zurück, um einsam zwischen den vier kahlen, braungelben Wänden zu sitzen und das Leben der Mauerkäfer in den feuchten Wandfalten zu studieren. Sein morgendlicher Ausgang war eine Flucht vor den Mauerkäfern; er merkte schon längst, daß die Ruhe seiner Nächte in direktester Weise von der Ruhe des vorhergegangenen Tages abhänge: was er auf der Straße, im Wirtshaus, im Café erlebte, das brachte er mit nach Hause.
Und was war nun heute?
Alexander Iwanowitsch dachte: wenn er nach Hause zurückgekehrt sein wird, werden die Geschehnisse des Tages seine Tür zu sprengen beginnen.
Hinter sich ließ Alexander Iwanowitsch die diamantenschimmernde Brücke zurück.
Weiter, hinter der Brücke, auf dem Fond des nächtlichen Issakijdoms, reckte sich — aus der grünen Wirrnis — immer derselbe Granitblock, immer derselbe geheimnisvolle Reiter hielt dort in der schweren, grünenden Hand seinen kupfernen Lorbeerkranz hoch über die Newa; unter den weit ausschlagenden Vorderhufen des Rosses stand schlummernd ein alter Grenadier mit buschigem Helm auf dem Kopf.
Ein leicht wogender Halbschatten bedeckte des Reiters Angesicht, und die Einheit des metallenen Antlitzes verlor sich im Doppelsinn des Ausdrucks; die metallene Hand schnitt in die türkisblaue Luft ein.
Von jener schicksalsschwangeren Zeit, als der metallene Reiter an die Ufer der Newa herangesprengt kam, von jener, mit kommenden Tagen schwangeren Zeit, als er sein Roß auf das graue, finnische Granit warf — von da ab — spaltete sich Rußland; es spalteten sich auch die Schicksale des Vaterlandes; diesen Riß trug Rußland leidend und weinend, trug und trägt ihn bis zur heutigen Stunde . . .
Du, Rußland, bist wie ein Roß! Ins Dunkel, in die Leere schlägst du mit den Vorderhufen aus; und fest verankert im Granit sitzen deine Hinterbeine.
Willst auch du dich von dem haltenden Stein lösen, wie sich manche deiner wahnsinnigen Söhne vom Boden lösten — willst auch du dich lösen von dem haltenden Stein, um zaumlos in der Luft hängenzubleiben, um dann in das undurchdringliche Wasserchaos zu stürzen? Oder wähnst du, durch die Lüfte, Nebel zerreißend, mitsamt deinen Söhnen in die Wolken zu tauchen? Oder, Rußland, bist du nur aufgebäumt, in Sinnen versunken über das grausige Schicksal, das dich hierher verschlug — in diesen Norden, wo selbst die Sonne zögernd stundenlang nicht unterzugehen vermag; wo die Zeit fiebernd, bald in frostiger Nacht, bald im tagelichten Schimmer sich dehnt? Oder willst du, dich vor dem Sprunge fürchtend, deine Hufe dem Boden nähern und wiehernd deinen großen Reiter aus den trügenden Landen zurück in die Tiefen der Ebenen tragen?
Möge es nicht geschehen! . . .
Einmal hoch aufgebäumt, die Lüfte mit dem Blick messend, wird das kupferne Roß nicht die Hufe senken: ein Sprung wird es sein in die Geschichte, ein Brausen, ein mächtiges, wird es geben; spalten wird sich der Boden; die Berge selbst werden stürzen von dem Sprung; und die geliebten Ebenen werden höckerig werden; dann werden sich Nishnij Nowgorod und Wladimir und Uglitsch erheben . . .
Du aber, Petersburg, wirst sinken.
Alle Völker werden dann ihre Plätze verlassen; einen großen Streit wird es geben, einen Streit, wie ihn die Welt noch niemals gesehen: die gelben Horden aus Asien, ihre festangesessenen Plätze verlassend, werden die europäischen Fluren mit Ozeanen von Blut überströmen; es wird, es wird — ein Zusima geben! Es wird — eine neue Kalkschlacht geben! . . .
Schlachtfeld von Kulikowo — ich harre deiner!
Aufgehen wird dann die letzte Sonne auch über meinem geliebten Land. Wenn du, o Sonne, nicht aufgehst, dann versinken, o Sonne, unter den schweren mongolischen Fersen die europäischen Ufer, und weiße Gischt wird diese Ufer bespritzen, die Erdgeborenen werden wieder auf des Ozeans Grund sinken — in das ureigene, in das längst vergessene Chaos . . .
Geh auf, o Sonne!
Geh auf!
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