Van Halen. Joe Layden

Van Halen - Joe  Layden


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Achse, schlaft in Bussen und Hotels, spult 100 Shows vor hingebungsvollen betrunkenen Fans ab und beobachtet, wie sich das auf euren moralischen Kompass auswirkt. Die Perspektive verschiebt sich ein wenig.

      Klar, niemand steigt ins Musikbusiness ein, weil er sich einen soliden, geregelten und langweiligen Tagesablauf wünscht. Tatsächlich trifft wohl so ziemlich das Gegenteil zu – und hiermit meine ich nicht nur die Musiker selbst, sondern auch die Leute, die ihre Karrieren ermöglichen. Man lässt sich auf das Musikbusiness ein, weil man darauf steht, mit Stars zu arbeiten oder dabei zu helfen, aus einem unbekannten, aber vielversprechenden Musiker einen Star zu machen. Sicher, die Vorteile, die der Job bietet, sind auch nicht von der Hand zu weisen – die Drogen, die Frauen und die Gelegenheit, sich mit den Reichen und Berühmten auszutauschen. Aber glaubt ja nicht, dass das Ganze ein Spaziergang wäre. Die Arbeit ist hart und mitunter auch mal öde. Die Arbeitstage sind lang und die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben verschwommen – zumindest, wenn du deinen Job gut erledigst. Ja, der Job ist letztlich dein Leben. Egal, ob man Musiker, Vertreter einer Plattenfirma, Veranstalter oder Manager ist – die Annehmlichkeiten und das Geld können schon fantastisch sein. Aber solange nicht alle ihre Arbeit korrekt machen und einem das Glück nicht hold ist, wird sich nie irgendwer zu einem Star entwickeln und anfangen, Kohle zu scheffeln. Das Ziel besteht darin, einen Musiker in eine Art Rock-Gottheit zu transformieren, größer als das Leben selbst. Gelingt dies, klemmen sich alle so lange wie möglich in dessen Windschatten. Ich wusste aus Erfahrung, dass dieser Ritt oft kurz und wenig glamourös verlief. Aber mit Van Halen sollte dies anders sein; mit ihnen verhielt sich von Anfang an alles anders.

      Trotz der Probleme im Aragon gab es genug Anlass, optimistisch gestimmt zu sein – und nach der ersten Woche verwandelte sich der Optimismus in etwas, das um vieles greifbarer erschien. Man hätte schon taub, blind und blöde sein müssen, um nicht zu erkennen, dass diese Band sich zu etwas Außergewöhnlichem entwickeln würde. Auch wenn ihr Set extrem kurz war und David somit nur wenig Zeit für seine typischen Tiraden hatte, war doch offensichtlich, um was für einen begnadeten Frontmann – anmutig und agil wie ein Athlet – es sich bei ihm handelte. Was auch immer seine Stimme an Bandbreite zu wünschen übrig ließ, machte er mit seiner Bühnenpräsenz locker wett. (Ganz zu schweigen davon, dass Michael Davids Defizit mit seinem Hintergrundgesang kaschierte.)

      Und Edward war schlichtweg eine Naturgewalt. Ich war zu beschäftigt, um viel von der ersten Show mitzubekommen, doch nachdem ich Van Halens nächste zwei Konzerte in Springfield, Illinois, und Indianapolis, Indiana, sah, war ich überzeugt, dass dies der Job meines Lebens sein würde. Die Begründung dafür lag in erster Linie in Edward Van Halens Gitarrenspiel.

      „Ach, du heilige Scheiße!“, hörte ich Leute schreien. „Der Typ ist ja wie Hendrix.“

      Nun, ich war zwar mit Jimi Hendrix nie auf Tour, aber ich hatte ihn oft genug gehört und gesehen, um zu wissen, dass einem so ein Vergleich nicht leicht über die Lippen kam. Hendrix war bekanntermaßen immerhin der König unter den Rock-Gitarristen, und seinen Namen im selben Atemzug mit dem irgendeines anderen Gitarristen zu nennen – vor allem, wenn dieser gerade erst der Highschool entwachsen war –, barg das Risiko, der Blasphemie bezichtigt zu werden.

      Im Sommer 1969, als ich mich als Bühnenmanager im Fillmore East verdingte, arbeitete ich mit jedem, von Jefferson Airplane über B. B. King bis zu The Who. In jenem Jahr sah ich Jimi Hendrix gleich zweimal. Das erste Mal stand ich im Fillmore East hinterm Mischpult, das zweite Mal sah ich ihn am letzten Tag von Woodstock von der Beleuchterkabine aus. Dort erlebte ich auch mit, wie er seine legendäre Version von „The Star-Spangled Banner“ spielte. Ich kam zum Schluss, dass der Vergleich legitim war, genauso, wie ich der Meinung war, dass Van Halen keine Vergleiche mit irgendeiner der Bands, mit denen ich beruflich und privat zu tun hatte, scheuen mussten.

      Seit jenen Tagen hatte ich LDS mit den Grateful Dead eingeworfen, hatte Southern Comfort mit Janis Joplin gekippt und sogar Chuck Berrys Amp für ihn repariert (er war ja so verdammt dankbar – er bot an, auf meiner Hochzeit zu singen, was er dann aber nicht tat, darum geht’s hier allerdings nicht). Ich war auf Tour mit David Sanborn, James Taylor, Bonnie Raitt, Tom Waits, den Sex Pistols und zahllosen anderen, die euch vermutlich nichts sagen werden. Die einzige Band, mit der ich unterwegs war, die sich mit Van Halen in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren vergleichen lässt, waren die Rolling Stones. Allerdings glaube ich, dass nicht einmal sie in puncto Dynamik mithalten konnten. Ich behaupte nicht, dass Van Halen eine „bessere“ Band waren als die Stones, nein, ich beziehe mich hier nur auf die Power der jeweiligen Liveshows sowie die Fähigkeit, das Publikum zu fesseln. Van Halen waren diesbezüglich das Beste, das ich je gesehen habe. Und ich sag euch noch was: So toll Keith auch in seinem ureigenen Genre sein mag, an Eddie kam er in puncto musikalischer Brillanz und Innovation nicht heran.

      War ich also begeistert von der Möglichkeit, Van Halens Durchbruch miterleben zu dürfen? Da könnt ihr euren Arsch drauf verwetten! Hier ging es nicht darum, eine halbfertige Band, die zuvor in erster Linie Coverversionen in kleinen Clubs gespielt hatte, auf Tour zu begleiten. Van Halen waren eine Truppe, die wirkte, als ob sie praktisch von Null auf 100 durchstartete, was zum Teil daran lag, dass sie eigentlich schon seit Jahren komponierten und spielten, wodurch sie sowohl das Repertoire als auch das Charisma einer erfahrenen Band vorzuweisen hatten – einer Band, die sich verzweifelt danach sehnte, den Durchbruch zu schaffen. Und nun erhielt sie die Chance dazu. Ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. In diesen ersten paar Wochen neben der Bühne zu stehen, gehörte zu den aufregendsten Erfahrungen in meinem Berufsleben. Sie performten brandneues Material vom wahrscheinlich besten Debütalbum, das ich je gehört hatte, und spielten mit einer Haltung und Dynamik, die ihresgleichen suchte.

      Apropos erstes Album. Den Großteil davon lernte ich durch die Konzerte kennen, von denen die Band in dieser ersten Woche drei absolvierte. Erst als wir mal einen freien Tag hatten, konnte ich mir die tatsächliche Aufnahme zu Gemüte führen. Und ab da wusste ich es: Diese Jungs sind unaufhaltbar.

      Nach Indianapolis – unserer dritten Show an ebenso vielen Tagen – pausierte wir. Doch diese Unterbrechung war nur kurz, da schon am 7. März wieder ein Auftritt, dieses Mal in Madison, Wisconsin, auf dem Programm stand. Am Morgen dieses Tages weckte ich die Bandmitglieder telefonisch. Dies gehörte seit Jahren zu meinem Job, weshalb ich mich bereits an die ungehaltenen Reaktionen, die Anrufe zu dieser Tageszeit verursachten, gewöhnt hatte. Aus irgendeinem Grund sind Musiker keine Frühaufsteher.

      „Gute Morgen“, sagte ich üblicherweise mit fröhlicher Stimme. „Gepäck wird in 30 Minuten verladen, Abfahrt ist in einer Stunde.“

      Diese Routine zog sich durch jede Tour hindurch, bis zum Schluss. Fast immer erhielt ich eine Antwort wie diese: „Fick dich, Noel! Wir sind gerade erst ins Bett gekommen.“

      Als ob das mein Problem gewesen wäre oder ich den Terminplan zu verantworten hatte. Na ja, Letzteres eigentlich schon. Aber sobald die Sache einmal in Stein gemeißelt war, gab es keine Alternative dazu. Das Leben eines Tourmanagers ist komplett der Uhr unterworfen. Wenn er hinter den Zeitplan zurückfällt, sind alle anderen ebenso betroffen. Also muss er nicht nur in Bezug auf Details pingelig sein, sondern auch ein dickes Fell haben. Während dieser ersten Nordamerika-Tour fingen die Jungs jedenfalls an, mich „Li’l Caesar“ zu nennen, womit sie auf mein angeblich diktatorisches Gebaren anspielten. (Tatsächlich besaß ich ja nur sehr wenig Macht.)

      Noch vor dem vierten Gig in Madison kam es innerhalb von Van Halens Crew zu einer kleinen, aber nicht unbedeutenden Änderung, was die jeweiligen Aufgabenbereiche betraf. Während einer kurzen nachmittäglichen Probe brach David plötzlich ab und wandte sich an Marshall Berle.

      „Hey, Marshall, ich muss dir sagen, dass die Art, wie du die Band ansagst, irgendwie lahm ist.“

      Das war schon brutal – und eine erste Andeutung von Davids Direktheit. Allerdings lag er damit völlig richtig. Marshall machte es offenbar nervös, in ein Mikrofon sprechen zu müssen. So waren seine bisherigen Vorstellungen allesamt schrecklich gewesen. Dreimal hatte er sich durch schlimme Versionen von „Ladies and gentlemen … hier sind sie … die großartigen V-V-V-Van Halen!“ gestottert und gestammelt. Er hatte bereits angekündigt, schon bald nach Los Angeles zurückzukehren, weshalb sein Posten als Ansager ohnehin in näherer


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