Chinas neuer Imperialismus. Anton Stengl
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Besonders aufsehenerregend war das italienische Business eigentlich nicht.7 Zehn private Unternehmen und neunzehn staatliche Institutionen in Italien haben mit China folgende Vereinbarungen getroffen: Finanzierung einiger italienischer Wirtschaftsvorhaben in China (Cassa depositi/ CDP, ein überwiegend staatliches Kreditinstitut in Italien und die Bank of China); Schürfrechte des Energiekonzerns Eni in China; Gasturbinen von Ansaldo Energia in technologischer Zusammenarbeit mit China sowie Lieferung von Turbinen an Shanghai Electric und Benxi Steel; finanzielle Zusammenarbeit zwischen der CDP, Snam und dem Silk Road Fund in Bezug auf einige Belt & Road-Projekte; Förderung des Verkaufs von italienischen Luxusprodukten durch das »Istituto per il commercio estero« und Sunning, einem chinesischen Elektronikkonzern und Eigentümer der Fußballmannschaft Inter Mailand, und die Errichtung eines Industriekomplexes zur Stahlgewinnung in Aserbaidschan durch die Gruppe Danieli und China Camc Engineering. Die 19 zwischenstaatlichen Vereinbarungen betreffen die Zusammenarbeit für innovative Start-ups und Elektronik – und einen gemeinsamen Satelliten zur geophysischen Forschung. Dazu kommt der Bereich der Landwirtschaft: der Export von Orangen, tiefgekühltem Schweinefleisch und Rindersamen nach China. Dann gesellt sich noch die Kultur hinzu: Verhinderung des Verkaufs von archäologischen Schätzen, die Rückgabe von 796 Funden an China und die gemeinsame Förderung von Unesco-Stätten. Und Verona wird die Schwesterstadt von Hangzhou, der Stadt von Ali Baba und Jack Ma.
Heftig diskutiert wurden jedoch die Vereinbarungen zu den italienischen Häfen Triest und Genua. China hat die Verwaltung dieser Häfen übernommen, die der chinesische Konzern China Communications Construction Company (CCCC) ausbauen wird. Damit bleiben auf der europäischen Seite des Mittelmeers nach der Übernahme von Athen-Piräus nicht mehr viele Häfen übrig, die nicht der chinesischen Autorität unterstehen würden.
Der Gründer des Think Tank »Center for China and Globalization«8 in Beijing, Wang Huiyao, erklärte in einem Interview mit der auflagenstärksten italienischen Tagezeitung Repubblica9: »Italien sollte nicht Frankreich und Deutschland folgen: Machen wir weniger Geopolitik und doch mehr Geschäfte.« Und dann: »Italien hat viele wirtschaftliche Schwierigkeiten, Europa ist in einer Krise. Belt & Road ist der einzige groß angelegte Plan globaler Investitionen. Als erste daran teilzunehmen bedeutet, Vorteile für die eigenen Unternehmen zu haben – so wie das Vereinigte Königreich, das der AIIB10 beigetreten ist.« »Die populistische Regierung hat verstanden, dass die italienische Wirtschaft sich nicht mehr bewegt, dass die Globalisierung ihr geschadet hat. Sie möchte jetzt etwas anderes tun, sie folgte nicht ideologischen Linien, sie greift nicht China an, sondern versucht, die Geschäfte für die Unternehmen zu erhöhen. Sie muss ermutigt werden.«
Klingt doch alles ganz gut. Nämlich nach Geld. Außer vielleicht, dass den Chinesen jetzt die italienischen Häfen gehören, so wie die Engländer früher Hongkong besaßen. Aber wer investiert sonst in Italien, wenn nicht China?
Die EU möchte die chinesischen Investitionen in Europa unbedingt bremsen. Ganz zu schweigen von den USA, die in Asien kaum mehr etwas zu sagen haben und weltweit gegenüber China an Bedeutung verlieren. Wer hat denn die Vorteile und wer hat die Nachteile? Oder ist es für Europa und China eine »Win-Win-Situation«, wie Xi Jinping behauptet? Ist es nicht egal, wem ein Betrieb gehört? Chinese oder Russe oder Deutscher? Welche Nachteile sollte es geben, wenn jetzt Chinesen die deutschen Unternehmen aufkaufen und nicht Amerikaner, Franzosen oder Russen?
Die traditionelle Schlossbrauerei im bayrischen Au in der Hallertau wurde von einem chinesischen Konzern aus Dalian aufgekauft (einschließlich der prächtigen Schlossanlage.11 Na und? Wird das Bier deswegen schlechter? Von den legendären Münchner Brauereien gehören Spaten, Franziskaner und Löwenbräu zu Anheuser-Busch InBev, der größten Brauereigruppe der Welt mit Sitz in Brüssel, und Paulaner sowie Hacker-Pschorr zu Schörghuber/BHI/Heineken, der zweitgrößten Brauereigruppe der Welt, die zu 49,9 % Eigentum von Heineken mit Sitz in den Niederlanden ist. Soll man deswegen kein Paulaner mehr trinken?
Die chinesischen Investitionen in Deutschland sind beträchtlich.12 Sie legten 2018 gegenüber dem Vorjahr um rund 400 Millionen Euro zu und erreichten 2,1 Milliarden Euro. Vergleicht man die Jahre 2004 und 2014, so steigerten sie sich in diesen zehn Jahren von 129 Millionen Euro auf 5,9 Mrd. Euro – sie haben sich vervierzigfacht. Aber in China waren im Jahr 2016 rund 8000 deutsche Unternehmen aktiv, in Deutschland nur 2000 chinesische – von insgesamt 16.000 ausländischen Unternehmen. Die US-Investitionen in Deutschland betragen mehr als das Hundertfache der chinesischen.13 Trotz zunehmender Kontroll- und Abschottungspolitik der Bundesregierung besonders bei Investitionen in sensiblen Technologiebereichen und wichtigen Infrastrukturen rechnet man damit, dass Deutschland und die EU auch künftig ein attraktiver Standort für chinesische Investoren bleibt.14
In diesen Rahmen gehört die »Neue Seidenstraße«: ein gigantisches, in der Menschheitsgeschichte einzigartiges Vorhaben zur Schaffung modernster, effektivster Infrastrukturen für die Verbindung zwischen China und Europa, das heißt zur Schaffung eines in seiner Infrastruktur neu angelegten Handelsweges zwischen den beiden Kontinenten. Insgesamt sind es Ende 2020 16+1, China und 16 europäische Länder, davon 13 EU-Mitglieder, die im B&R-Kontext zusammenarbeiten.
Berlin »warnt« vor der chinesischen Wirtschaftsmacht und dem Ausverkauf der europäischen Länder. Was macht denn Deutschland? Die deutschen Banken und Holdings treiben die wirtschaftlich schwächeren EU-Länder in ihre Zinsknechtschaft und profitieren von ihrer angeblichen »Rettung«. Beispiel Griechenland: Die Gremien der »Troika« – EU-Kommission, EZB und IWF – die faktisch den gesamten griechischen Staatshaushalt kontrollierten, wurden allesamt von Deutschland dominiert:
»Wir waren es, die die Griechen gedrängt haben, Staatsbesitz zu privatisieren, darunter den Hafen von Piräus«, sagte ehrlicherweise der deutsche Staatsminister Michael Roth.
Athen-Piräus
2015 prophezeite der Chef des norddeutschen Hafenlogistikers Eurogate, Tom Eckelmann, der Warenverkehr von Ostasien nach Europa werde sich zunehmend auf den Mittelmeerraum konzentrieren.15 Eurogate verfügt über sieben mediterrane Standorte zwischen Zypern und Gibraltar, die Aufgabe des Unternehmens ist das Transshipment, das Umladen von Riesenfrachtern mit bis zu 22.000 Standardcontainern (TEU) Frachtraum auf kleinere Schiffe.
Der Hafen von Piräus bei Athen wurde während der griechischen Finanzkrise 2009 von dem chinesischen Unternehmen COSCO (China Ocean Shipping Company) übernommen und ist der größte Container-Umschlagplatz im Mittelmeer. 368,5 Millionen Euro zahlte die COSCO für 67 % der Anteile an der Piraeus Port Authority und hat damit 35 Jahre lang die Rechte über den Piraeus Container Terminal.
Die COSCO steht an vierter Stelle in der Rangliste der globalen Containerschiff-Reedereien. Sie verfügt über die weltweit größte Transportkapazität bei Massengutfrachtern und Tankschiffen und besitzt 46 Containerterminals.
Seit 2008 hat sich der Warenumschlag in Piräus mehr als verzehnfacht. 2018 waren es 4,91 Millionen Containereinheiten (TEU), eine Steigerung von 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr – geplant ist eine weitere Verdoppelung auf zehn Millionen TEU. Die COSCO will zusätzlich noch vier Milliarden Dollar in den Hafen von Piräus investieren.
Was ist dagegen zu sagen? Wie macht man Gewinn? Durch Effizienzsteigerung (Rationalisierung, Automatisierung, Entlassungen) und Lohnsenkungen. Nach Aussagen der griechischen Hafengewerkschaft fanden Kürzungen bei Gehältern und Sozialleistungen statt, wurden Gewerkschafter entlassen, allgemein der Leistungsdruck erhöht. Auch in den oberen Etagen: Zuvor betrug das höchste Jahresgehalt 181.000 US-Dollar, 2012 dagegen bezahlte COSCO in keinem Fall mehr als 23.300 US-Dollar. Ganz normaler Kapitalismus.
Die Wirtschaftshomepage basicthinking.de schrieb 2009: »Woher kommt das viele Geld, so dass am Ende der Rechnung für die Telekom doch ein Plus steht? Es ist beinahe allein dem