Robin Gibb und die Bee Gees. André Boße
Kapitel 15: Das Leben eines Ex-Bee-Gees
Barry und Robin geben das vorläufige Ende der Bee Gees bekannt.
Robin entdeckt seine Leidenschaft für ein Leben als Lobbyist.
Eine Schwangerschaft stellt Dwinas Toleranz auf die Probe.
Kapitel 16: Rückkehr der Trickser
Zwei Comedians aus Wales sorgen dafür, dass die Serie hält.
Robin nutzt ein Cricket-Match für eine Ankündigung.
Die beiden Brüder wagen einen neuen Anlauf.
Kapitel 17: Robin Gibb im Interview
Auszüge aus dem Gespräch am 21. März 2009.
Amsterdam, Hotel „Okura“, 22 Uhr.
I. THE BEE GEES: Die Australischen LPs
II. THE BEE GEES: Die internationalen Alben
III. THE BEE GEES: Soundtracks
IV. THE BEE GEES: Live-Alben
V. THE BEE GEES: Compilations
VI. THE BEE GEES: Internationale Non-Album Singles
VII. ROBIN GIBB: Solo-Alben
VIII. ROBIN GIBB: Live-Album
IX. ROBIN GIBB: Non-AlbumSingles
TOP TEN: Die Zehn Favoriten des Autors
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Einen Gesprächstermin mit Robin Gibb bekommt man nicht einfach so. Man muss ihn sich erarbeiten. Er sei ein Mann, der leider eine Menge schlechte Erfahrungen mit Interviewern gemacht habe, lautet die zögerliche Antwort auf die erste Anfrage. Und wer sich mit der Geschichte der Bee Gees ein wenig auskennt, der weiß: Das stimmt. Robin sei daher mittlerweile sehr vorsichtig geworden. Er rede nicht mehr gerne ausführlich mit Pressevertretern – und über private Details schon mal gar nicht. Letzteres ist nicht weiter schlimm, denn das geplante Gespräch soll keine Grundlage für ein Fitzelchen in einer Boulevard-Zeitung werden. Es soll die Basis für eine große Geschichte werden: für die Geschichte von Robin Gibb und den Bee Gees.
Nach einigen komplizierten Planungen ist das Gespräch zunächst in Frankfurt am Main terminiert. Die Absage kommt kurzfristig, und ein paar Tage später heißt es: Ab nach Amsterdam. Ort ist das Hotel „Okura“, ein luxuriöses Haus mit asiatischem Touch in der südlichen Innenstadt. Um 16 Uhr soll das Gespräch beginnen, so der Plan. Dann sei Robin entspannt, dann könnte es funktionieren. Leider existieren in der Rock- und Popbranche Zeitpläne jedoch eigentlich nur, damit man sie umschmeißen oder ignorieren kann. Immerhin, der Ort bleibt. „Aber vor 22 Uhr wird das nichts“, sagt Robins Tourmanager, ein baumlanger Typ mit fränkischem Dialekt, schlohweißen Haaren und großen Ringen an jedem Finger, der seine Kippen mit Zigarettenspitze raucht.
Bis zehn Uhr am Abend – das sind noch sechs Stunden. Aber, hey, dies ist Amsterdam! Es ist der erste richtige Frühlingstag, die Luft ist mild, die Menschen gut gelaunt. Hier sollte man mit sechs freien Stunden doch etwas anfangen können.
Erste Stunde, 16–17 Uhr.
In der Lobby des „Okura“ gerät man schnell noch ein bisschen ins Plaudern. Das Ambiente ist exquisit, der Kaffee hervorragend. Robins Tourmanager beginnt, sich warmzureden. Er hat viel erlebt, kennt die wilden Zeiten, als vom Rock’n’Roll noch eine rebellische Kraft ausging – und als man in der Branche noch richtig Geld verdient hat. Damals existierte das Wort „Download“ noch nicht, und wer Musik in bester Qualität hören wollte, musste sich die Platte kaufen. „Eine Karriere, wie Robin sie hatte, ist daher heute nicht mehr vorstellbar“, sagt er sehr bestimmt. Dazu seien die Plattenfirmen zu ungeduldig und die Käufer zu wenig dafür sensibilisiert, dass sie mit illegalen Downloads Karrieren wie die der Bee Gees im Keim ersticken.
Seit mehr als fünf Jahrzehnten schreiben die Brüder Gibb eigene Songs. Knapp 1000 Lieder sind in dieser Zeit entstanden. Von der Hopscotch Polka, die der älteste Bruder Barry 1958 schrieb, bis zum Stück Instant Love, das Robin 2008 zusammen mit seinem jüngsten Sohn Robin-John gesungen hat. Die Popbranche ist dafür bekannt, mit Zahlen um sich zu werfen, wenn sie Werbung für einen Künstler macht. Als wenn die Anzahl der Alben mit Platin-Status oder die reine Summe verkaufter Singles eine Aussage darüber treffen könnte, dass auch das neue Machwerk von exzellenter Qualität ist. Aber in diesem Fall ist ein Blick auf die Statistik erlaubt: 200 Millionen Platten haben die Bee Gees im Verlauf ihrer Karriere weltweit verkauft; 60 ihrer Singles erreichten Top-10-Platzierungen in einer der großen Hitparaden in Großbritannien, den USA oder Deutschland. Mit diesen Zahlen belegen die Bee Gees Platz fünf in der „ewigen Tabelle“ der erfolgreichsten Pop- und Rockstars überhaupt. Und es spricht viel dafür, dass ihnen diesen Platz keiner mehr streitig machen wird. „Robin ist Teil einer Legende. Einer der ganz wenigen wirklich Großen“, sagt der Tour-Manager in fränkischer Sprachfärbung, bei der man immer an Lothar Matthäus denkt. Gemeinsam werden Songtitel aufgezählt, die unzertrennbar mit Robin Gibb und seiner Stimme verbunden sind: Juliet zum Beispiel, sein Solo-Hit aus den Achtzigern. Oder I Started A Joke, diese bis heute auch von anderen Musikern überaus geschätzte Ballade, die zuletzt von deutschen Vorzeigebands wie Element Of Crime oder (auf Deutsch) Erdmöbel gecovert wurde. Dann verabschiedet er sich, um die Köstlichkeiten der asiatischen Küche des „Okura“ zu probieren. „Bis später. Bitte pünktlich sein.“ Noch fünf Stunden.
Zweite Stunde, 17–18 Uhr.
Der Plattenladen „Concerto“ in der Utrechtsestraat verfügt über einen wunderbaren Vinylkeller. Ein Eldorado für Menschen, die jederzeit eidesstattlich beschwören würden, Musik klinge definitiv besser, wenn sie auf Schallplatten gepresst und nicht digital komprimiert werde. Der Besitzer des Record-Shops ist ein typischer Vertreter dieses Berufsstandes: lange, fettige Haare, ein uraltes Tour-T-Shirt der Band Grateful Dead, mindestens vollschlank und auf den ersten Blick übel gelaunt. Doch seine Stimmung bessert sich schlagartig, wenn er in seinem Laden einen Kunden entdeckt, der sich für die richtigen LPs interessiert und bereit ist, ein paar Euro in das Kulturgut Schallplatte zu investieren.
Nach einigem Stöbern findet man in einer Kiste auf dem Boden auch eine Handvoll Bee-Gees-Platten. Nicht die großen Verkaufsschlager der Band, sondern die Alben aus den frühen Siebzigerjahren, die sich damals eher schlecht verkauft haben und die heute kaum noch jemand kennt: Two Years On, Trafalgar, To Whom It May Concern – alle sind sie für knapp über zehn Euro zu haben. Der Besitzer des Concerto schaut an der Kasse auf die Cover, grinst und sagt: „War vielleicht ihre beste Phase. Die meisten Bands haben ihre besten Platten gemacht, wenn sie am wenigsten erfolgreich waren. Dann hat man nämlich als Künstler die Gelegenheit, sich auf das Talent zu konzentrieren.“
Unverhofft zwängt sich der Plattenverkäufer mühsam hinter dem Tresen hervor, obwohl er seinen Platz während der Öffnungszeiten eigentlich nur im absoluten Notfall verlässt, verschwindet nach hinten ins Lager und kommt mit einer in roten Samt verkleideten Box zurück: Odessa, das kreative Meisterwerk der Gibbs aus dem Jahr 1969, die originale Doppel-LP in der legendären Luxus-Aufmachung. Der Preis ist beachtlich. Zu beachtlich. „Dann vielleicht beim nächsten Mal“, sagt der Plattenverkäufer und schiebt sich wieder hinter seinen Tresen. Beim Rausgehen ruft er hinterher: „Es gab mal eine Zeit, als es total uncool war, Bee-Gees-Platten zu kaufen. Die Typen, die das gesagt haben, waren ignorante Idioten, die heute Lady Gaga aus dem Internet herunterladen.“ Sein Lachen ist noch auf der Straße zu hören. Draußen dann ein kurzer Finanzcheck – und die Überlegung, ob Odessa im Original nicht vielleicht doch drin ist, wenn am Abend beim Essen gespart wird.
Dritte