Vagos, Mongols und Outlaws. Kerrie Droban

Vagos, Mongols und Outlaws - Kerrie Droban


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Bitte: „Versteck mich.“ Panik brachte seine Stimme zum Kippen, und als ich zögerte, erklärte er mir die näheren Umstände. Ursprünglich war er zu seiner Mutter geflohen, da er glaubte, dort einen sicheren Hafen zu finden. Doch als zwei Detectives von der Mordkommission dort klingelten, um sich mit ihm über Twist zu unterhalten, verzog sich Rhino ins nächstgelegenen Versteck – und das war bei mir. Für ihn schien ich ein sicherer Anlaufpunkt zu sein – keine Überwachung, keine abgefuckten Junkies, keine offensichtlichen Verräter. Um 2 Uhr morgens saß meine Freundin also hellwach auf der Bettkante, zog sich einen kleinen Hautfetzen vom Daumen und beobachtete Rhino, der wie ein panisches Tier durch die Bude rannte, die Jalousien runterzog und uns in ein düsteres Zwielicht hüllte. Ich hatte mich nicht von Joanna getrennt – hoffentlich war das kein Fehler gewesen.

      Rhino musterte mich intensiv. In der Dunkelheit vergingen die Stunden zäh. Keiner sprach ein Wort. Momentan hatte ich die Verbindung zu Koz und der Außenwelt verloren und brauchte dringend einen Plan. Mein Apartment war nicht verwanzt. Das ATF hatte sich dagegen entschieden, da mich keine lohnenswerten Zielpersonen besuchten. Wer hätte ahnen können, dass ich den Mitverschwörer eines Mordes beherbergen würde? Gelegentlich stellte ich den Rekorder an, weil ich darauf hoffte, dass Rhino etwas rausrutschte und ich vielleicht ein Geständnis aufzeichnen könnte. Doch er sprach kein Sterbenswort. Gemäß Gangster-Kodex wurden heikle Gespräche nur auf der Straße oder bei einer Autofahrt geführt, wo die Wahrscheinlichkeit einer ungewollten Aufnahme am geringsten war. Die Entscheidung, einen Rekorder bei mir zu tragen, fiel mir schwer, denn das Risiko war nicht einzuschätzen. Ich ließ mich von meiner Intuition leiten. Falls mich ein merkwürdiges Gefühl überkam, hörte ich einfach nur zu und ließ das Teil zu Hause. Doch meist versteckte ich das kleine Ding in der Unterhose.

      „Wird er plaudern?“, hatte mich Koz gefragt.

      „Du meinst, uns Twist auf dem Silbertablett liefern?“ Mittlerweile duzten wir uns.

      „Wenn wir ihm einen Deal anbieten?“

      Auf gar keinen Fall! Viel zu riskant. Bei dem Gedanken, einen der eigenen Leute zu verpfeifen, würde Rhino möglicherweise zurückschrecken, und das hätte die komplette Ermittlung gefährden können.

      „Lass uns fahren!“ Rhinos Augen wirken wie kleine Schlitze, denn es war frühmorgens. „Bring mich zum 7-Eleven.“ Er hatte sich da mit einem Mädchen verabredet, bei dem er sich eine Weile verkriechen wollte. Draußen blieb er kurz auf dem Gehweg stehen, steckte die Hände in die Hosentaschen und blickte über die Schulter auf die leere Gasse. Eine Taube umkreiste den Giebel des Hauses. Rhino setzte sich schwerfällig auf den Beifahrersitz des Ford. Als ich aufs Gas drückte und den Rekorder anschaltete, rasten die Gedanken durch meinen Kopf.

      „Twist glaubt, er sei ein waschechter Profi“, versuchte ich eine Unterhaltung anzuleiern, und hoffte, Rhino so zum Reden zu bringen. Er starrte nach vorne und ballte die Fäuste.

      „Dieser Arsch hat ’ne Panikattacke gekriegt.“ Jetzt sprudelte es aus ihm heraus. „Das sollte nicht so ablaufen. Wir wollten ihn nur zur Rede stellen, doch einer von den beiden musste ja unbedingt die Kohle behalten, und dann war die Kacke am Dampfen. Du weißt doch, wie diese Junkies drauf sind.“ Er schaute mich mit einem versteinerten Gesichtsausdruck an. „Die waren doch alle voll daneben, hatten sich abgeschossen. Ich war der Einzige mit ’ner klaren Birne. Und dann hat sich dieser blöde Wichser auch noch meine Knarre geschnappt.“

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      „Ich kann die Knarre für dich verstecken.“

      Twist sah mich interessiert an und starrte dann in den Vollmond über uns hinauf, der heute besonders groß wirkte. Wir standen in Nähe der menschenleeren Straße. Er verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Ich erkannte einen Hauch von Zweifel in seiner Mimik, und er schüttelte den Kopf.

      „Nicht nötig.“

      Mir war ganz schön mulmig. Ich spürte den Rekorder im Schritt, der im Moment nur das Knirschen der Kieselsteine aufzeichnete. Rhino hatte – ohne es zu wissen – meine Mission deutlich erschwert. Während er in meiner Bude abhing und vor Angst fast wahnsinnig wurde, hatte Twist seine Jennings mit dem Perlmuttgriff und der ausgefeilten Seriennummer entsorgt. Ohne konkretes Beweismaterial sah es für die Staatsanwaltschaft schlecht aus.

      Doch Diskretion war nicht unbedingt Twists größte Stärke. Er gab mit dem Mord an, gab ständig seine Rolle dabei zum Besten und prahlte, er habe wie eine Maschine funktioniert. Einige Monate später wurde er von Detectives der Mordkommission festgenommen. Bei der Vollstreckung des Durchsuchungsbefehls fanden die Cops einen kleinen Revolver, einige Zeitungsausschnitte über den Mord und verschiedene Gegenstände, die auf die Vagos hinwiesen. Sogar im Knast kriegte Twist sein Drecksmaul nicht zu. Er verlangte ein schnelles Verfahren und steckte seinem Zellengenossen, dass sein Fall bevorzugt behandelt werden müsse, denn er sei ja schließlich ein Killer. Außerdem bestand er auf der Aussage, allein gehandelt zu haben. Außer mir wusste keiner was von Rhinos Komplizenschaft.

      Doch Mordverfahren können sich manchmal Jahre hinziehen, und bei einem Fall wie diesem – kein physisches Beweismaterial und nur ein Geständnis im Knast, und das war auch noch gegenüber einem Mitgefangenen gemacht worden – war die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung nicht sehr hoch. Koz hegte Bedenken, dass ein verfrühter Prozess zu nichts führe. Setzte er aber meine Aufnahmen ein, wäre damit die großangelegte Ermittlung des ATF in Gefahr. Das ATF konnte sich weder einen verlorenen Prozess leisten noch meine Enttarnung.

      „Scheiß drauf“, wies Koz den leitenden Detective an. „Lasst ihn laufen.“

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