Homilien über die Bildsäulen. Johannes Chrysostomus

Homilien über die Bildsäulen - Johannes Chrysostomus


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und bin den feindseligen Gewalten furchtbar. Was brauche ich weiter zu fasten und mich von dieser Seite sicher zu stellen?” Nichts Dergleichen sagte noch dachte er bei sich, sondern je größer die Fülle seiner Verdienste war, um so mehr fürchtete und zitterte er. Und diese Weisheit hatte er von seinem Meister erlernt. Denn auch dieser, der in den dritten Himmel entrückt und ins Paradies entführt worden ist, der unaussprechliche Worte gehört und solcher Geheimnisse theilhaftig geworden, der den ganzen Erdkreis wie geflügelt durcheilt hat, sagt in einem Briefe an die Korinther: „Ich fürchte, während ich Andern predige, selbst verwerflich zu werden.” 10 Wenn aber Paulus nach so vielen und großen Erfolgen sich fürchtet — er, der sagen konnte: „Mir ist die Welt gekreuzigt und ich der Welt;” 11um wie viel mehr müssen wir in Sorgen sein, und um so mehr, je zahlreichere Vollkommenheiten wir errungen haben! Denn auch der Teufel wird alsdann wilder; dann mehrt sich seine Wuth, wenn er sieht, daß wir über unser Leben sorgfältig haushalten. Wenn er sieht, daß die Lasten guter Werke bereit liegen und die Ladung voll ist, dann sucht er uns einen um so schwerern Schiffbruch zu bereiten. Denn wenn auch ein Nichtswürdiger und Verworfener zum Straucheln und Falle gebracht wird, so bringt das dem Gemeinwesen keinen bedeutenden Schaden. Wenn aber Jemand, der auf dem Gipfel der Tugend wie auf einer Anhöhe steht und weit umher sichtbar ist, den Alle im Auge und im Munde haben, und den Alle bewundern — wenn ein Solcher verlockt wird und fällt, so ist sein Fall groß und verderblich; nicht allein, weil er von der Höhe gefallen, sondern weil er auch Viele, die auf ihn schauen, sorgloser macht. Und gleichwie, wenn irgend ein anderes Glied am Leibe verdirbt, der Nachtheil nicht so groß ist; aber sobald die Augen verletzt oder der Kopf beschädigt worden, der ganze Leib unbrauchbar wird: ganz Dasselbe läßt sich auch von den Heiligen und Tugendhelden behaupten. Wenn ihr Licht erlischt, wenn sie mit irgend einem Schandfleck sich besudeln, so verursachen sie dem übrigen Leibe einen durchgreifenden und unerträglichen Schaden.

      4.

      Dieß alles wußte Timotheus, und deßhalb verwahrte er sich auf allen Seiten. Er wußte, daß die Jugend ein schwieriges Ding ist: wie wankelmüthig, verführbar und hinfällig, und daß sie eines strammern Zügels bedarf. Denn sie ist eine Art Feuerheerd, der Alles um sich her ergreift und leicht und schnell in Brand setzt. Deßhalb umschanzte er ihn von allen Seiten, um ihn einzuengen, und gab sich Mühe, diese Flamme auf jede Weise zu löschen, und ängstigte das zügellose und unbändige Roß mit vieler Heftigkeit, bis er ihm die Sprünge verleidet, es zügelrecht gemacht und mit großer Kraft den Händen der lenkenden Vernunft unterworfen hatte. Mag der Körper, sprach er, der Schwäche verfallen, wenn nur die Seele nicht krankt; das Fleisch muß gezähmt werden, damit es den Lauf der Seele zum Himmel nicht hemme! Zudem ist dieses am meisten an ihm zu rühmen, daß er, in solchem Grade geschwächt und mit so großem Siechthume ringend, die Sache Gottes keineswegs vernachlässigte, sondern mehr als Diejenigen, welche sich eines gesunden und frischen Körpers erfreuen, überall umherflog, jetzt nach Ephesus, jetzt nach Korinth, in Macedonien, öfter in Italien, überall auf der Erde, überall auf dem Meere mit seinem Lehrer erscheint und in Allem an dessen Kämpfen und wechselnden Gefahren Theil nimmt, und daß die Kränklichkeit seines Leibes seiner weisen Geschäftigkeit keinen Eintrag thut. So viel vermag der Eifer für Gott; so leicht macht er die Schwingen! Denn wie Jenen, welche einen vollkräftigen und gesunden Körper haben, ihre Kraftfülle keinen Gewinn bringt, wenn die Seele am Boden liegt und verdrossen und entartet ist; so wird den leiblich Schwachen aus ihrem Siechthum kein Schaden entstehen, wenn ihre Seele edel und aufgeweckt ist. Manchen scheint diese Aufforderung und der Rath des Paulus die Erlaubniß zu einem sorgloseren Weingenuß zu gewähren. Dem ist aber nicht also; sondern wenn man diesen Ausspruch mit Sorgfalt erwägt, so handelt es sich vielmehr um eine Aufforderung zur Nüchternheit. Denn bedenke, wie Paulus nicht gleich von Anfang und nicht von vorn herein diesen Rathschlag gegeben, sondern daß er ihn erst dann ertheilte, als er alle Kraft aufgezehrt sah; und auch da nicht so einfach, sondern noch mit einer Beschränkung. Denn er sagt nicht geradezu: „Genieße Wein,” sondern „ein wenig Wein;” nicht als ob Timotheus dieser Mahnung und dieses Rathes bedürfte, sondern weil wir deren bedürfen. Indem er also diese Worte an ihn schreibt, setzt er uns Maaß und Grenze im Genusse des Weines, indem er nur soviel zu trinken befiehlt, als nöthig ist, die Schwäche zu heben und dem Leibe die Gesundheit zu verschaffen, nicht aber eine neue Krankheit. Denn nicht wenigere Krankheiten als das unmäßige Wassertrinken, ja noch viel zahlreichere und schwerere gebiert dem Leib und der Seele der unbeschränkte Genuß des Weines, welcher den Krieg der Leidenschaften und den Sturm wüster Gedanken in die Seele hineinführt und die Kraft des Leibes schlaffer und weichlicher macht. Denn das Erdreich wird von einer auf ihm lastenden Wassermasse nicht so schnell aufgelöst, als die Leibeskraft sich lockert, zerfließt und schwindet, wenn sie fortwährend mit Wein übergossen wird. Deßhalb laßt uns das Übermaaß auf beiden Seiten fliehen und sowohl für die Gesundheit des Leibes sorgen, als seine zu üppige Fülle beschneiden! Denn der Wein ist von Gott gegeben, nicht daß wir uns berauschen, sondern daß wir ihn mäßig gebrauchen, daß wir uns erfreuen, nicht daß wir uns ängstigen sollen; denn „der Wein”, heißt es, „erfreut des Menschen Herz,” 12du aber machst ihn zu einer Quelle von Trauer. Denn die, welche im Übermaß trinken, sind schwermüthig und ihre Gedanken mit dichter Finsterniß umhüllt. Der Wein ist ein vortreffliches Heilmittel, wenn man in seinem Genusse auf’s Beste Maaß zu halten versteht. Auch gegen die Ketzer, welche die Kreatur Gottes verläumden, ist unsere Stelle von Nutzen. Denn wenn der Wein zu den verbotenen Dingen gehörte, so hätte ihn Paulus wohl nicht erlaubt und Nichts gesagt von seinem Genusse. Aber nicht gegen Ketzer allein (ist sie von Nutzen), sondern auch gegen die Einfältigern unserer Brüder, welche beim Anblicke Mancher, die im Rausche Ungebührliches thun, anstatt sie zu schelten, die von Gott gegebene Frucht schmähen und sagen: „Es sollte keinen Wein geben!” Ihnen also müssen wir sagen: „Es sollte keine Trunkenheit geben!” Denn der Wein ist Gottes Werk, die Trunkenheit aber ein Werk des Teufels. Nicht der Wein gebiert die Trunkenheit, sondern die Unmäßigkeit verursacht dieselbe. Lästere nicht, was Gott hervorgebracht hat, sondern verklage den Wahnsinn des Mitknechts! Du aber unterlassest, den Übertreter zu strafen und zu bessern, und den Wohlthäter schmähst du? —

      5.

      Wenn wir demnach Einen so Etwas sagen hören, so laßt uns ihm den Mund stopfen. Denn nicht der Genuß, sondern die Unmäßigkeit erzeugt die Trunkenheit — sie, die Wurzel alles Bösen. Der Wein ist dazu gegeben, daß er der Schwachheit des Leibes aufhelfe, nicht daß er die Kraft der Seele darnieder drücke; daß er die Krankheit des Fleisches wegnehme, nicht daß er die Gesundheit der Seele verwüste. Darum gib durch unmäßigen Genuß der göttlichen Gabe den Thoren und schamlosen Lästerzungen keine Blöße! Denn was ist beklagenswerther als Trunkenheit? Ein beseelter Leichnam ist der Berauschte; ein Teufel ist er aus freier Wahl; ein Kranker, der nicht zu entschuldigen ist; ein Gefallener, der keine Nachsicht verdient; eine allgemeine Schmach für unser Geschlecht! Denn nicht allein für das gesellige Leben ist der Betrunkene untauglich, und nicht nur zu häuslichen und öffentlichen Geschäften untüchtig; sondern selbst sein bloßer Anblick ist Allen unerträglich ob des Gestankes, den er aushaucht. Das Aufstoßen und Gähnen und auch die Stimme der Betrunkenen ist widerlich und rauh und erfüllt die, welche sie sehen und in ihre Nähe kommen, mit dem äussersten Ekel. Und das Hauptübel unter allen ist, daß diese Seuche den Trunkenbolden den Himmel unzugänglich macht und sie zu den ewigen Gütern nicht gelangen läßt; sondern daß Diejenigen, die an diesem Übel krank liegen, nach der Schande hienieden auch dort eine unerträgliche Strafe erwartet. Laßt uns daher diese böse Gewohnheit ablegen und auf Paulus hören, wenn er spricht: „Genieße ein wenig Wein.” Denn auch das Wenige gestattet er nur wegen der Schwäche, so daß er seinen Schüler, hätte denselben nicht die Schwachheit niedergebeugt, auch nicht gedrängt haben würde, dieses Wenige sich zu erlauben. Denn auch die uns zum nothwendigen Gebrauche angewiesenen Speisen und Getränke sind stets nach Zeit und Bedarf abzumessen, und nirgends sollen wir den Bedarf überschreiten, noch Etwas ohne Noth und Ursache thun.

      Nachdem wir nun die Sorgfalt des Paulus und die Tugend des Timotheus betrachtet haben, wohlan so wollen wir forthin auf die eigentliche Lösung der Fragen bedacht sein. Welches waren nun diese Bedenken? Denn es thut Noth, sie zu wiederholen, damit die Lösung um so deutlicher werde. „Weßhalb ließ Gott es zu, daß ein


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