Der weiße Adler. Thomas Wünsch
Im Zentrum des 1878 entstandenen Bildes steht der Moment, in dem der Großmeister des Ordens vom Speer eines rustikal gekleideten Fußkämpfers tödlich bedroht wird. Unschwer zu erkennen ist, dass die Spitze der Waffe von jener Mauritius-Lanze gebildet wird, deren Duplikat Kaiser Otto III. im Jahr 1000 dem polnischen Herzog Bolesław als Gastgeschenk überreicht hatte. Die Stellung der Lanze als Reichskleinod verstärkte damals die symbolische Bedeutung der Gabe; im stilisierten Einsatz 1410, wie er den Betrachtern im 19. Jahrhundert präsentiert wurde, demonstriert sie nicht nur die polnische Überlegenheit über den Deutschen Orden alias Preußen als Teilungsmacht, sondern auch die spirituell-moralische Überlegenheit des polnischen Christentums über das »deutsche«. Diese anti-deutsche Spitze des Diskurses wurde nach Kriegsende 1945 noch ausgebaut, als Plakate auftauchten, die zwei demolierte und von Raben flankierte Helme zeigen: oben den eines Ordensritters, unten den eines Wehrmachtsoldaten. Die Aufschrift »Grunwald 1410« und »Berlin 1945« stellt eine Verbindung zwischen zwei Varianten eines aggressiven deutschen Militarismus her, die noch lange nachwirkte. Das Auftreten von Bundeskanzler Konrad Adenauer im Mantel des Kreuzritters nach seiner Aufnahme in den Deutschen Orden im Jahr 1958 bestätigte für die damalige kommunistische Führung Polens das Stereotyp von einer polenfeindlichen deutschen Außenpolitik als epochenübergreifender Konstante.
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