Sadhana des Körpers. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Teil 1
KÖRPERERZIEHUNG
Spirituelles Leben bedeutet für uns nicht Missachtung der Materie, sondern ihre Vergöttlichung. Wir wollen den Körper nicht zurückweisen, sondern ihn umwandeln. Für diese Transformation ist Körpererziehung eines der Mittel, das am direktesten wirkt. — Die Mutter
1. Kapitel
Die Vollkommenheit des Körpers
Worte der Mutter
Spirituelles Leben bedeutet für uns nicht Missachtung der Materie, sondern ihre Vergöttlichung. Wir wollen den Körper nicht zurückweisen, sondern ihn umwandeln. Für diese Transformation ist Körpererziehung eines der Mittel, das am direktesten wirkt.
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Worte Sri Aurobindos
Die Vollkommenheit des Körpers, eine größtmögliche Vollkommenheit, die wir durch die uns zur Verfügung stehenden Mittel erreichen können, muss das letztendliche Ziel der Körpererziehung sein. Vollkommenheit ist das wahre Ziel jeder Art von Erziehung, der spirituellen und der psychischen, der mentalen, der vitalen, und sie muss auch das Ziel unserer Körpererziehung sein. Wenn wir nach einer gänzlichen Vervollkommnung des Wesens streben, kann der körperliche Aspekt nicht außer acht gelassen werden; denn der Körper ist die materielle Grundlage, der Körper ist das Instrument, das uns zur Verfügung steht. Sariram khalu dharmasadhanam, sagt ein altes Sanskrit-Sprichwort –, der Körper ist das Mittel zur Erfüllung des Dharma, und Dharma bedeutet jedes Ideal, das wir uns setzen können, sowie das Gesetz seiner Entwicklung und seines Wirkens. Eine allumfassende Vollkommenheit ist das höchste Ziel, das wir uns setzen; denn unser Ideal ist das Göttliche Leben, das wir hier gründen wollen, ein Leben des Geistes, das auf der Erde erfüllt ist, ein Leben, das seine eigene spirituelle Umwandlung sogar hier auf Erden unter den Bedingungen des materiellen Universums erreicht. Das kann nur geschehen, wenn auch der Körper eine Umwandlung durchläuft, und wenn sein Handeln und seine Funktionen höchste Leistungsfähigkeit erlangen und die Vollkommenheit erreichen, die ihm möglich ist oder ermöglicht werden kann.
Ich habe schon in einer früheren Schrift auf die relative Vervollkommnung des physischen Bewusstseins im Körper hingewiesen, sowie auf diejenige des Mentals, des Lebens und des Charakters, die er beherbergt. Diese Vervollkommnung ist ebenso wie das Erwecken und Entwickeln der dem Körper innewohnenden Fähigkeiten ein erwünschtes Ergebnis der Übungen zur Körpererziehung, denen wir in diesem Ashram eine besondere Aufmerksamkeit und Bedeutung zu widmen begonnen haben. Die Entwicklung des physischen Bewusstseins muss immer ein beträchtlicher Teil unseres Strebens sein, wozu jedoch die richtige Entwicklung des Körpers selbst ein unentbehrliches Element ist; Gesundheit, Stärke, Fitness sind die ersten grundlegenden Bedürfnisse, doch der Körperbau selbst muss der bestmögliche sein. Ein göttliches Leben in einer materiellen Welt setzt notwendigerweise die Vereinigung der beiden Enden der Existenz voraus, des spirituellen Gipfels und der materiellen Basis. Die Seele, deren Lebensgrundlage in der Materie liegt, steigt empor zu den Höhen des Geistes, aber verwirft ihre Grundlage nicht, sondern verbindet die Höhen mit den Tiefen. Der Geist steigt mit all seinem Licht, seinen Herrlichkeiten und Kräften in die Materie und stoffliche Welt herab und erfüllt und verwandelt mit ihnen das Leben in der materiellen Welt, so dass es immer göttlicher wird. Die Transformation ist kein Wandel in etwas rein Subtiles und Spirituelles, zu dem die Materie von ihrer Natur her im Widerspruch steht, und für das die Materie ein Hindernis oder eine Fessel darstellt, die den Geist bindet; die Transformation nimmt die Materie als eine Form des Geistes an, wenn auch eine Form, die ihn noch verschleiert, und wandelt sie in ein enthüllendes Instrument, sie verwirft nicht die Energien, Fähigkeiten und Methoden der Materie; sie bringt ihre verborgenen Möglichkeiten zum Vorschein, erhebt und verfeinert sie und offenbart die ihr innewohnende Göttlichkeit. Das göttliche Leben wird nichts zurückweisen, das vergöttlicht werden kann; alles muss ergriffen, erhöht und gänzlich vervollkommnet werden. Das Mental, das jetzt noch unwissend ist, auch wenn es sich um Erkenntnis bemüht, muss sich in das supramentale Licht und die supramentale Wahrheit erheben und sie herabbringen, so dass sie unser Denken, unsere Wahrnehmung und Einsichtsfähigkeit und all unsere Mittel der Erkenntnis durchdringen, bis sie in ihren innersten und äußersten Regungen die höchste Wahrheit ausstrahlen. Unser Leben, noch voller Dunkelheit und Verwirrung und mit so vielen stumpfsinnigen und niederen Zielen beschäftigt, muss sich in all seinen Antrieben und Instinkten erhöht und verklärt fühlen und ein herrliches Ebenbild des supramentalen Lebens über uns werden. Das physische Bewusstsein und physische Wesen, der Körper selbst, muss in allem, was er ist und tut, eine Vollkommenheit erreichen, die wir uns jetzt kaum vorstellen können. Er könnte schließlich sogar von einem Licht, einer Schönheit und Glückseligkeit aus höheren Bereichen überflutet werden, und das göttliche Leben würde einen göttlichen Körper annehmen.
Doch zunächst muss die Evolution der Natur einen Punkt erreicht haben, an dem sie dem Geist unmittelbar begegnen kann, das Streben nach einem spirituellen Wandel fühlt und sich dem Wirken jener Macht öffnet, die sie umwandeln soll. Eine höchste Vollkommenheit, eine totale Vollkommenheit, ist nur durch die Transformation unserer niederen oder menschlichen Natur möglich, einer Transformation des Mentals in etwas Lichtvolles, unseres Lebens in etwas Kraftvolles, in ein Instrument rechten Handelns und des rechten Gebrauchs all seiner Kräfte, und einer frohen Erhöhung seines Wesens, die es hinaushebt über seine gegenwärtigen, relativ begrenzten Fähigkeiten mit einer sich selbst erfüllenden Kraft zu handeln und Lebensfreude zu empfinden. Ebenso muss es eine umwandelnde Veränderung des Körpers geben, in dem sein Handeln, seine Funktionen, seine Fähigkeiten umgewandelt werden zu einem Instrument, das über die Begrenzungen hinausgeht, die ihn sogar in seiner größten gegenwärtigen Errungenschaft hemmen und einschränken. In der Gesamtheit der Veränderung, die wir zu erreichen haben, müssen auch menschliche Mittel und Kräfte aufgegriffen und nicht fallengelassen, sondern benutzt und erweitert werden, zu ihrer höchsten Möglichkeit als Teil des neuen Lebens. Solch eine Sublimierung unserer gegenwärtigen menschlichen Kräfte des Mentals und Lebens zu Elementen eines göttlichen Lebens auf der Erde kann man sich ohne große Schwierigkeit vorstellen; doch wie sollen wir uns die Vervollkommnung des Körpers vorstellen?
In der Vergangenheit wurde der Körper von spirituellen Suchern eher als Hindernis angesehen, als etwas, das man überwinden oder aufgeben muss, und nicht als Instrument zur spirituellen Vervollkommnung und als Feld der spirituellen Wandlung. Er wurde als stoffliche Grobheit verdammt, als unüberwindbares Hindernis, und die Begrenzungen als unveränderbar und damit die Umwandlung unmöglich. Der Grund dafür liegt darin, dass auch der beste menschliche Körper von einer Lebensenergie angetrieben wird, die ihre eigenen Grenzen hat und in ihren kleinen physischen Aktivitäten durch vieles verfälscht wird, was kleinlich, roh oder gar boshaft ist; der Körper selbst ist mit der Trägheit und Nichtbewusstheit der Materie behaftet, nur zum Teil erweckt und, obwohl er durch eine nervliche Tätigkeit belebt und beseelt wird, unbewusst in der grundlegenden Tätigkeit der ihn aufbauenden Zellen und Gewebe und deren verborgenen Wirken. Sogar in seiner vollsten Stärke und Kraft und herrlichsten Schönheit ist er doch noch eine Blüte der materiellen Nichtbewusstheit; das Nichtbewusste ist der Boden, aus dem er gewachsen ist, und es errichtet an jedem Punkt enge Grenzen, um eine Ausweitung seiner Kräfte und jede Anstrengung zu grundlegender Selbst-Überschreitung zu beschränken. Aber wenn ein göttliches Leben auf Erden möglich ist, dann muss auch diese Selbst-Überschreitung möglich sein.
In der Bemühung um Vollkommenheit können wir von beiden Enden unseres Wesensbereiches aus beginnen, und wir müssen dann, zumindest anfangs, von den Mitteln und Vorgehensweisen Gebrauch machen, die unserer Wahl entsprechen. Im Yoga ist der Prozess spirituell und seelisch; selbst seine vitalen und körperlichen Prozesse erhalten eine spirituelle oder seelische Richtung und werden zu einer höheren Bewegung emporgehoben als dem gewöhnlichen Leben und der Materie normalerweise eigen ist, wie zum Beispiel in dem Gebrauch von Atmung oder Asanas im Hatha-Yoga und Raja-Yoga. Gewöhnlich ist erst eine Vorbereitung von Mental, Leben und Körper nötig, um sie geeignet zu machen, die spirituelle Energie zu empfangen und von den seelischen Kräften und Methoden