Die Mutter bleibt. Nolini Kanta Gupta
wirkt hier, und ein Tag wird kommen, an dem auch der Blindeste, Unbewussteste, sogar der Unwilligste dieses erkennen muss.
Sie spricht wiederholt von ihrer Vision und erklärt höchst emphatisch, dass die neue Welt geboren ist, geboren, geboren - sozusagen dreimal geboren („il est né, né, né“). Sie ist im Hintergrund da, sie bewegt sich, fädelt sich durch alle Dunkelheiten, die sie verdecken wollen, aber auf eine unerschütterliche und unbezwingbare Weise: Das äußere Gewicht der Unwissenheit kann sie nicht auf ewig niederhalten.
Die Entwicklung schreitet weiter fort: Die Mutter macht am 3. Februar 1958 – also nach einem Zeitraum von zwei Jahren – die bedeutsame Ankündigung der Ankunft eines voll ausgebildeten supramentalen Bootes am irdischen Ufer. Seine Mission bestand darin, menschliche Wesen zu beherbergen, die für das supramentale Leben vorbereitet waren. Die Beschreibung der ganzen Szene war so schön, so anschaulich und faszinierend, dass ein junges Mädchen von außerhalb nach dem Lesen der Mutter schrieb, sie würde gerne ein Passagier des Bootes sein, und sie um Aufnahme bat. Mutter erklärt, dass die Substanz dieser neuen Welt die materiellste supramentale war, die der Erde nächste supramentale Substanz, deren erste Manifestierung.
Die Realität ihrer Vision bekräftigt sie noch einmal in der Botschaft, die sie ihren Kindern am Neujahrstag 1961 gab:
Diese wundervolle Welt der Freude, die vor unseren Toren unseren Ruf erwartet, auf die Erde herabzukommen…
Natürlich ist dies nicht das Ende, der Gipfelpunkt. Ein Schritt muss noch getan werden, – die materielle Substanz muss auch erfasst und umgeformt werden. Das bedeutet eine Pause, letztendlich eine Verzögerung. Der Schöpfungsprozess folgt immer dieser Linie: Etwas, das erschaffen oder auf der Erde verkörpert werden soll, wird erst in einer feinstofflichen Welt erschaffen. Wenn es in jener Welt vorbereitet ist, wird es dem kosmischen Willen entsprechend in der materiellen Welt entweder langsam, allmählich oder plötzlich herbeigeführt. Eine Veranschaulichung, um die Sache zu erklären – die Mutter gibt sie selbst:
Einmal, ungefähr um 1915, als Indien völlig unfrei war, wurde Mutter nach der Befreiung des Landes gefragt, und sie antwortete ohne zu zögern: „Indien ist frei“. Sie sagte nicht: „Indien wird frei sein“, sondern „Indien ist frei“, als ob sie eine Tatsache konstatierte. Die tatsächliche Befreiung fand im Jahr 1947 statt, das heißt 32 Jahre, nachdem sie sich in der feinstofflichen Welt ereignet hatte. Mutter sagt dazu, dass dies das genaue Bild des Widerstands gegen die Manifestierung, die physische Realisierung ist.
Nicht nur Schöpfung, sondern auch Zerstörung ereignet sich auf die gleiche Weise. Zerstörung geschieht erst in der feinstofflichen Welt, und als Konsequenz findet unweigerlich physische Zerstörung statt. Sri Krishna in der Gita berichtet Arjuna: Alle gegen dich ziehenden Truppen sind schon von mir getötet worden, du musst nur das äußere Instrument sein: mayaivaite nihatāh pūrvameva.
2
Savitri ist zu ihrem normalen Leben auf die Erde zurückgekehrt. Sie hat ihren letzten Sieg errungen. Sie betritt das Erdenleben mit der ganzen Welt des neuen Sieges, dem in ihr verkörperten Göttlichen Leben, aber mit einem Schleier, der sie und ihre Errungenschaft bedeckt. Der „eine weitere Tag“ muss noch geschafft werden, der eine Tag der physischen Materie. Sie wird nicht hervortreten, bis dieser eine Tag geschafft ist. Jetzt liegt ein Schleier über allem, aber hinter ihm befindet sich das von ihr errichtete Bauwerk in seiner makellosen Schönheit und Vollkommenheit. Momentan sehen wir die Arena einer grauen, gefährlichen Welt vor uns, wie von alters her. Der Vorhang wird sich sicher heben und enthüllen, was sich dahinter verbirgt. Vielleicht geschieht dies langsam, – oder aber der Panzer des Alten wird ganz plötzlich aufbrechen und das neue Leben in seiner Fülle hervorbringen. Wie wird sie geschehen, die Offenbarung, die Epiphanie? Das Ereignis wird es aufzeigen. In der Zwischenzeit birgt sie die Neue Schöpfung, eine „herrlichere Morgendämmerung“ in ihrem Inneren, „tief geschützt von ihrem mystischen Faltenwurf aus Licht“.
Veröffentlicht im August 1975
Kapitel 7
Die Mutter, menschlich und göttlich
In unserer menschlichen Schwachheit sehen wir die Göttliche Mutter nur als Mutter und vergessen, dass sie auch göttlich ist. Wir neigen dazu, nur den letzten Begriff des großen Namens wahrzunehmen und den anderen gleichermaßen wichtigen Begriff zu ignorieren. Wir verlangen von ihr dieselben Reaktionen mütterlicher Liebe, die wir von einer menschlichen Mutter erwarten. Unsere Liebe zu ihr ist menschlich, menschlich auf ignorante Weise – voller Leidenschaft, Verlangen und Hunger nach Zuwendung, weil wir sie nur als Nahrung für unsere egoistischen Wünsche betrachten.
Sie ist tatsächlich die Mutter, aber die Göttliche Mutter. Sie möchte, dass wir auf göttliche und nicht auf menschliche Weise zu ihr kommen. Denn auf die göttliche Weise erwachsen wir zu unserem höchsten und tiefsten Format, empfangen sie ganz und vollständig und genießen durch ihre Gnade die Fülle der Freude. Die menschliche Weise fesselt uns an die Kleinheit und Geringfügigkeit menschlichen Fühlens. Die menschliche Annäherung ist in den meisten Fällen die eines verwöhnten Kindes. Wenn es einen Tropfen wahrer Liebe tief im Herzen gibt, so ist der Wust an Unwissenheit und Trübheit, in den es gesunken ist, kolossal. Der Schmutz befleckt uns und wird auch auf das Objekt unserer Liebe geworfen.
Und während sie das Göttliche ist, ist sie trotzdem die Mutter. Sie ist göttlich, aber nicht in dem Sinne, dass sie fern und unnahbar, kalt und gleichgültig ist wie das transzendente Brahman. Die Göttliche Mutter ist tatsächlich mütterlicher, als die menschliche Mutter sein kann. Die menschliche Mutter ist nur ein schwaches Echo, ein weit entfernter Schatten, manchmal ein Zerrbild der wahren Mutter in der archetypischen Welt.
Die Göttliche Mutter beugt sich, – obschon sie transzendent ist, – zu unseren menschlichen Dimensionen herab, wird eine von uns, ist in uns als unser eigenes Selbst und mit uns als unser Kamerad und Lenker. Sie nimmt uns an der Hand und lehrt uns, wenn wir es ihr erlauben, wie wir das kleine Menschsein, aus dem wir gemacht sind, transzendieren und durch das Wunder ihrer Liebe in ihre Natur und Substanz hineinwachsen können, – falls unsere Liebe adäquat darauf antwortet.
Nur indem wir uns an ihre zweifache Wahrheit erinnern, an die beiden Arme ihrer Liebe, mit denen sie uns umfängt und hegt, können wir hoffen, ihre wahren Kinder zu sein.
Veröffentlicht in 1974
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