Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung. Joachim Sdunek

Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung - Joachim Sdunek


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Nachbarschaft mit meinem Jugendweihegeld ab. Er bekam von seinen Eltern ein neues Fahrrad.

      Die Jugendweihen und Konfirmationen waren gleichzeitig große Familienfeiern. In unserer Familie wurde gern gefeiert und gesungen. Die Geburtsjahrgänge der Cousins und Cousinen sorgten für eine gewisse Kontinuität an Feierlichkeiten. Hinzu kamen natürlich noch andere wichtige Anlässe.

      Das Erwachsenwerden kam nach dieser Zeit mit relativ großen Schritten. Vieles geschah gleichzeitig. Neue Interessen, neue Freunde und viele Einflüsse von überall her.

      Mein Freund Berndt begann Gitarre zu spielen. Er konnte dann schon einen kleinen Chor begleiten, in dem ich mitsang.

      Seine Eltern erlaubten, dass wir uns einen Partykeller einrichteten. Wir hörten Musik von einem Tonband »Smaragd«, sangen und spielten vieles nach. Es gab ja nicht nur uns, die dieser Welle des Beats folgten. Man lernte viele andere Jungs und Mädels kennen.

      Es war schon nicht einfach, eine Gitarre zu haben, auf der man üben und spielen konnte. Die erste Wandergitarre, die ich hatte, kostete 35 Mark. Sie wurde zur Elektrogitarre, indem ich einen Tonabnehmer einbaute und mit der Endstufe unseres Radios verband.

      Die Ansprüche an Instrumente und Technik wurden immer größer. Wir tauschten uns mit anderen aus und liehen uns auch manchmal Dinge aus. Die meisten Jungs, die wir kannten, waren keine Musikschüler, es waren fast alles Autodidakten, die voneinander lernten.

      Es fanden sich schnell Leute, die eine Band gründeten. Man konnte im Sommer im Freien üben. Das hatte zur Folge, dass man von den Anwohnern verscheucht wurde.

      In unserem Fall half der Vater von Richard. Er arbeitete in einem Großbetrieb und besorgte uns einen Probenraum. Über die FDJ-Leitung dieses Betriebes liehen wir uns auch später Verstärker und Mikrofone aus. So und ähnlich lief es bei anderen auch. Es gab Einzelfälle, die es in die Musikszene der DDR schafften. Das natürlich mit richtiger Musikausbildung und der nötigen Unterstützung.

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      Wir kamen mit unseren Künsten über einen Auftritt in einem Jugendclub, Brigadefeiern und Dorffeste nicht hinaus. Richard besorgte uns einen Auftritt in Mönchgut, einem Dorf bei Rostock. Unser Bühnenbild war großartig. Wir hatten zwei Tonsäulen, die jeweils aus fünf übereinander geschraubten Radios bestanden und mit blauem Fahnenstoff verkleidet wurden. Drei Notenständer waren auf der Bühne, obwohl keiner Noten lesen konnte. Weiterhin standen dort fünf Mikrofonständer, in denen zwei Mikrofone steckten, die gut funktionierten. In die anderen hatten wir rote PVC-Rohre mit Kristallmikrofonen gesteckt, die eigentlich nicht viel brachten. Es war wichtig, dass irgendwie ein Kabel auf die Bühne fiel. Für unsere Pauke schlugen wir einen 2 Zoll-Nagel in die Bühnenbretter, damit sie nicht weg sprang. Unser Schlagzeuger, Henning, saß auf einem Barhocker, weil die Pauke eine große Marschpauke war. Der Klang der Pauke war musiktechnisch völlig in Ordnung. Es standen geliehene Verstärker »Regent 60«, selbstgebaute Verstärker, Mischverstärker und Verzerrer auf der Bühne. Ein Lötkolben, Transistoren und Dioden waren bei Schäden immer einsatzbereit. Jeder von uns gab sich Mühe, gut gekleidet zu sein. Je nach Mode waren Schlaghosen angesagt oder enge Hochwasserhosen mit bunten Socken. Ich weiß von einer Rostocker Band, die einheitlich in Zimmermannshosen auftrat. Sie machten sich Schweißdraht in den unteren Hosensaum, damit die Glocken richtig zur Geltung kamen.

      Der Tanzabend in Mönchgut war jedenfalls gut gelungen. Gegen Mitternacht gab es eine Saalschlägerei und der Clubchef bat uns weiter- und durchzuspielen. Wir hatten Zeit. Unser Zug fuhr erst morgens um 6.00 Uhr.

      Es war eine tolle Zeit, die bis nach der Berufsausbildung andauerte.

      Das Ende der Schulzeit und der Beginn der Lehrzeit waren prägende Ereignisse.

      Ich ging zehn Jahre zur Schule und begann eine Lehre als Schiffselektriker beim VEB Fischkombinat Rostock.

      Bevor ich dieses Ziel ansteuerte, hatte ich noch die kühne Idee, nur acht Jahre zur Schule zu gehen, Koch zu lernen und in der Hochseefischerei zur See zu fahren.

      Ich hatte einen Onkel Siegfried mütterlicherseits, der dort zur See fuhr. Er war im Krieg bei der Luftwaffe als Funker. Als Funker fuhr er dann auch zur See. Wenn er bei uns zu Besuch weilte, war der Tisch reich gedeckt mit Dingen, die er mitbrachte. Ich wollte so schnell wie möglich auch in eine solche Situation kommen.

      Mir war da noch nicht klar, dass es das nicht geschenkt gab.

      Die letzte Hürde, um in der Hochseefischerei zur See zu fahren, war also meine Ausbildung zum Schiffselektriker.

      Wir hatten sehr gute Lehrer und Ausbilder, die so manchen Streich, den wir uns erlaubten, nicht verdient hatten. Wenn ich meinte, mal einen Tag zu fehlen, schrieb mein Freund Erhard auf Blaupapier für mich mit und ich tat es für ihn.

      Nach und nach schlich sich aber fast automatisch die Ernsthaftigkeit des Arbeitslebens ein. Im zweiten Lehrjahr arbeiteten wir mit gestandenen Facharbeitern im Schiffsneubau und in der Schiffsreparatur zusammen. Das schmeckte schon nach richtiger Arbeit und die Zeit, tatsächlich auf eigenen Beinen zu stehen, kam immer näher.

      Es kam der Tag der medizinischen Untersuchung zur Seetauglichkeit. Bei der Urinprobe konnte ich nicht. Erhard gab mir von seinem Urin etwas ab und wir waren beide seetauglich.

      Ich musterte auf dem Transport- und Verarbeitungsschiff »Junge Garde« an. Es war ein Fabrikschiff. Das Fischkombinat hatte zwei Schiffe dieser Art. Es waren die größten Schiffe, die je in Deutschland in der Fischerei unterwegs waren.

      Die »Junge Garde« wurde drei Jahre bevor ich anmusterte in einer dramatischen Rettungsaktion im Nordatlantik mit Hilfe anderer Schiffe unserer Flotte aus dem Packeis befreit1.

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      Ich hatte die Ehre mit Menschen zusammen zu arbeiten, die maßgeblich an dieser Rettung beteiligt waren. Diese Leute machten aus mir einen brauchbaren Schiffselektriker.

      Wir waren nicht nur für die Elektrik zuständig. Wenn die Fischerei es erforderte, wurde mit Mann und Maus im Fisch gearbeitet. Wir machten Umschlag auf See und gaben unsere Ware an Transportschiffe ab. Die Reisezeit lag bei 120 Tagen auf See. Neben der Arbeit lernte ich die Naturgewalt des Meeres und die Schönheit der Natur kennen.

      Schnell wurde mir klar, dass das gute Geld nicht geschenkt war. Diese Tatsache hinderte mich allerdings nicht, mein Geld an Land mit beiden Händen wieder auszugeben.

      Das erste, was ich kaufte, war ein super Damensportfahrrad für meine kleine Schwester.

      Bevor ich zu meiner zweiten Seereise startete, war ich mit Routinearbeiten beschäftigt. Ich erwartete einen neuen Kollegen auf meiner Kammer und schaute hin und wieder nach, ob er schon da sei. Zunächst stand erst einmal ein Koffer in unserer Kammer, mit dem Namensschild »Kurt Schubert«. Als ich mittags Feierabend machte, saß der dazugehörige Mann auf meiner Couch. Ich sprach ihn sofort mit seinem Vornamen »Kurt« an und machte ihm Mut, denn es war seine erste Seereise. Er kam aus Merseburg und hatte bis dahin in den Leuna-Werken als Elektriker gearbeitet. Seine junge Ehe und sein Fernstudium waren gerade gescheitert und er sucht einen Neuanfang auf See. Unsere Reise dauerte bereits etwa 50 Tage, wir saßen uns gegenüber und tranken Glühwein vom »Erlauer Burgunder«, das Schiff wiegte sich in einer leichten Dünung und draußen war ein Schneesturm im Gange. Kurt schaute mich plötzlich mit festem Blick an und gestand: »Ich heiße Horst, das ist der Koffer meines Vaters.«

      Im Jahr 1968 hatte ich beim Zelten in Ecktannen-Waren Müritz meinen Freund Manfred aus Halle kennengelernt. Diese Freundschaft sorgte dafür, dass ich in meiner Freizeit quer durch die DDR reiste. Ich lernte neue Menschen kennen und bekam andere Eindrücke von Land und Leuten. Es war noch anders als auf See.

      Wir waren jung und ich hatte die Taschen voller Geld. Es ergab sich, dass mein Freundeskreis den Freundeskreis von Manfred kennenlernte.

      Ich fuhr nicht nur mit dem Zug, sondern hatte Freunde mit Motorrad oder Auto. Das Auto von Christoph war ein EMW-Kombi mit 4-Takt-6–Zylinder-Reihenmotor in Atlantikgrün. Er hatte sich


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