Seewölfe - Piraten der Weltmeere 590. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 590 - Burt Frederick


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Donnergrollen nahm zu.

      Francisco Perez hatte sich umgedreht und spähte über die See.

      „Im Gegensatz zu dir“, sagte er, ohne das Spähen zu unterbrechen, „habe ich mich nicht nur darauf konzentriert, wo man die hübschesten und preiswertesten Huren findet. Ich kann Gewitter von Geschützdonner unterscheiden.“

      Pedro richtete sich ruckartig von dem Vierundzwanzigpfünder auf. „Sag mal! Was fällt dir ein! Wer ist der Dienstältere von uns beiden? Nennst du das Respekt? He, antworte gefälligst!“

      Francisco dachte nicht daran, denn seine Anspannung wuchs. Überdies sah er sich mittlerweile in seiner Vermutung bestätigt, denn auch die übrigen Geschützwachen waren bereits aufmerksam geworden. Ein allgemeines Starren nach Westen hatte eingesetzt, wobei auch die Wachsoldaten auf den Wehrgängen keine Ausnahme bildeten.

      Eindeutig war jetzt, daß es sich um das Rumoren von Schiffsgeschützen handelte. Und verblüffend erschien zunächst die Tatsache, daß der rollende Donner immer mehr an Lautstärke zunahm, was zweifelsfrei bedeutete, daß sich die gegnerischen Parteien der Küste näherten. Noch war im Dunststreifen über der Kimm nichts zu sehen. Doch das änderte sich innerhalb von Minuten.

      Die Umrisse einer Galeone tauchten aus dem Dunst auf.

      Pedro de Andalucia hatte die eher scherzhaften Vorwürfe gegen seinen Freund längst vergessen. Auf der anderen Seite des Geschützrohrs war Pedro gleichfalls an die Brustwehr getreten, und seiner Miene war anzusehen, daß er sich wegen der Behauptung in Sachen Gewitter am liebsten selbst in den Hintern getreten hätte.

      Die Galeone hatte beträchtlichen Tiefgang und hielt geradewegs auf die Hafeneinfahrt von La Coruña zu. Ein Dreimaster. Der Geschützdonner dauerte an und verdichtete sich eher noch. Keine Frage, daß sich die Galeone auf der Flucht befand. Mündungsblitze zuckten aus dem Dunststreifen, und Wassersäulen stiegen bedrohlich nahe neben der Außenbeplankung des Dreimasters auf. Auch auf dessen Achterdeck wurde gefeuert. Mittels der Drehbassen, so schien es, gelang es den Fliehenden immerhin, die Verfolger auf Distanz zu halten.

      Auf den Geschützstellungen und Wehrgängen der Hafenforts wurden alarmierende Rufe laut.

      In jenem Moment, in dem man auf den Appellplätzen der Forts das Alarmsignal blies, wurde draußen auf See auch der Verfolger der Galeone erkennbar.

      Der kleine, wendige Dreimaster erinnerte an einen geifernden Hund, der immer wieder versuchte, einen zusammengerollten Igel zu packen und sich jedesmal eine blutige Nase holte.

      Denn die Drehbassenschützen an Bord der Galeone leisteten allem Anschein nach hervorragende Arbeit. Und die Verfolger schienen es auch nicht zu riskieren, sich einer Breitseite des Fliehenden auszusetzen. Ihre Versuche, die Ruderanlage der Galeone zu zerschießen, waren mangels Reichweite offenbar zum Scheitern verurteilt.

      „Jetzt bin ich gespannt, wie der Kommandant reagiert“, flüsterte Francisco Perez, ohne den Blick vom Geschehen vor der Küste zu wenden. „Er sollte seine Kriegsschiffe hinausschicken, damit sie der Galeone helfen.“

      „Narr!“ entfuhr es Pedro de Andalucia. „Dazu reicht die Zeit doch nicht. Bis die Eimer seeklar sind, ist die Sache da längst entschieden. Man merkt, daß du von Seefahrt keinen blassen Schimmer hast.“

      Francisco wandte den Kopf und tippte sich an die Stirn. „Hältst dich wohl selber für den großen Fachmann, was? Dabei hast du in Cádiz den Hafen doch bloß im Vorbeigehen gesehen, als du zu deinen käuflichen Weibern unterwegs warst. Ich wette, du hast niemals auch nur einen Fuß auf eine Schiffsplanke gesetzt.“

      Die gellende Befehlsstimme des Wachhabenden übertönte den Kanonendonner und hinderte Pedro an einer passenden Antwort.

      „Geschützstellungen klar zum Gefecht!“

      „Da haben wir den Salat“, knurrte de Andalucia. „Diese Schwachköpfe glauben allen Ernstes, daß sie einer Schebecke mit Landgeschützen was verpassen können!“

      Francisco Perez sah ihn erstaunt an, während sie den Vierundzwanzigpfünder klarierten. „Eine Schebecke? Was ist denn das?“

      „Warum fragst du?“ entgegnete Pedro spöttisch. „Warum fragst du einen, der von Seefahrt keine Ahnung hat?“

      „Himmel, sei keine Mimose!“

      Den kleineren Dreimaster schienen die Küstenbefestigungen von La Coruña nicht zu schrecken. Denn unverdrossen hielt er mit und wartete anscheinend immer noch auf eine Feuerpause seines erhofften Opfers, die lang genug war, um den Vorstoß auf die Ruderanlage endlich durchzuführen. Die Galeone wurde von den Wassersäulen des Verfolgers jetzt buchstäblich eingerahmt. Von den Forts aus war nicht zu erkennen, wie viele Treffer der spanische Dreimaster im Bereich des Hecks bereits kassiert hatte.

      Unablässig hämmerten die Bordgeschütze beider Schiffe.

      An Land warteten die Geschützmannschaften fieberhaft darauf, daß die Galeone in Sicherheit und die Verfolger in Reichweite gelangten.

      „Eine Schebecke ist ein Mittelmeerschiff“, erklärte Pedro de Andalucia, nun doch stolz, sein Wissen an den Mann bringen zu können. „So ein Kahn kann auch gerudert werden, obwohl er die drei Masten mit den Lateinersegeln hat. Stammt ursprünglich aus Nordafrika. Der Bursche dort dürfte ein Algerier sein. Niemand außer den algerischen Piratenhunden bestückt Schebecken mit je sechs Kanonen an Backbord und Steuerbord.“

      Francisco Perez zog anerkennend die Augenbrauen hoch. „Ich nehme alles zurück.“

      Pedro grinste. Dann blieb beiden keine Zeit mehr, auch nur noch ein einziges Wort von sich zu geben.

      Die Galeone war nur noch wenige hundert Yards von der Hafeneinfahrt entfernt. An Land warteten die Geschützmannschaften – wie Pedro de Andalucia und Francisco Perez – und die inzwischen auf den Wehrgängen postierten Musketenschützen auf die Feuerbefehle.

      Jeden Moment mußte es soweit sein, denn die Piratenhorde an Bord der Schebecke legte eine geradezu ungeheure Frechheit an den Tag. Es hatte den Anschein, als wollte der wüst aussehende Dreimaster gemeinsam mit der Galeone in den Hafen von La Coruña segeln.

      Deutlich war bereits zu erkennen, welches erbärmliche Bild die Galeone abgab. Am eindrucksvollsten zeigte der Zustand der Segel, was dieses Schiff hinter sich haben mußte. Im Grunde waren es nur noch Fetzen, die da von den Rahen hingen. Es grenzte an ein Wunder, daß das schwerbeladene Schiff überhaupt noch Fahrt lief.

      Männer wie Perez und de Andalucia kannten Stürme auf dem Atlantik nur aus den Schilderungen von Seefahrern, die sie gelegentlich in den Hafenschenken von La Coruña trafen. Es mußte grauenvoll sein, wenn man den Erzählungen glauben durfte.

      Der Anblick dieser Galeone namens „Fidelidad“ bestätigte weitgehend jene weinseligen Berichte, die Landratten gern als Seemannsgarn abzutun pflegten. Francisco Perez erschauerte innerlich und verspürte einen wachsenden Zorn auf die Piratenhorde, die sich nicht scheute, ausgerechnet die bemitleidenswerten Seeleute auf der gerupften Galeone in neue, größere Gefahr zu bringen.

      Überhaupt war es an sich schon eine ungeheure Dreistigkeit von diesen Algeriern, daß sie sich bis an die nördlichen Küsten Spaniens wagten.

      Die Schebecke drehte in dem Moment bei, in dem die Wachhabenden in den Forts ihre Feuerbefehle brüllten – um Sekunden zu spät, wie sich zeigte. Eine volle Breitseite blitzte an der Steuerbordseite des wendigen Dreimasters auf. Die Galeone erreichte im selben Augenblick die Hafeneinfahrt.

      Francisco Perez und Pedro de Andalucia hörten das Orgeln der heranrasenden Geschosse. Pedro schaffte es nicht mehr, den Vierundzwanzigpfünder zu zünden. Er warf sich hin und folgte dem Beispiel seines Freundes, der im Bodenwinkel hinter der Brustwehr Deckung suchte.

      Im nächsten Augenblick schien die Welt in ohrenbetäubendem Donner unterzugehen. Der Einschlag eines oder zweier Geschosse fegte Steintrümmer über die beiden Soldaten hinweg. Gleichzeitig krachten die Geschütze in den einzelnen Stellungen. Weitere Einschläge ließen die nördliche Festungsmauer erbeben.

      Keins


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