Seewölfe - Piraten der Weltmeere 286. Roy Palmer
Davies, Roger Brighton und die anderen Geschützführer vor und kratzten die Rohre aus, dann luden sie unverzüglich nach.
„Zwei Treffer!“ schrie Bill, der seinen Posten als Ausguck jetzt von dem Galion aus versah. „Aber der Hund hat die Nase immer noch nicht voll!“
„Achtere Steuerbordgeschütze – Feuer!“ schrie der Seewolf.
Wieder zischten die Lunten und wummerten die Kanonen, dieses Mal lagen drei Schüsse im Ziel. Von Bord der Piratenkaravelle klang wütendes Geheul zu den Männern der „Hornet“ herüber.
Hasards Crew grölte und lachte. Hasard hob die rechte Hand und gab ihnen einen Wink, und jetzt feuerten Smoky und Dan O’Flynn die vorderen Drehbassen auf den Gegner ab. Gleichzeitig ließen Shane und Batuti, die katzengewandt in den Vormars und Großmars aufgeentert waren, Brandpfeile von den Sehnen ihrer Bogen schwirren. Im nächsten Augenblick fing auf der „Coquille“ ein Segel Feuer. Wieder hob entsetztes und erbostes Geschrei an.
Dann ließ die „Coquille“ von der „Fidelity“, Easton Terrys Galeone, ab und gab die Luvposition auf. Saint-Jacques wurde es zu brenzlig, er wollte nicht schlimmer angeschlagen werden als Grammont mit der „Louise“. Seine Geschütze hatte er leer geschossen. Ehe er sie nachladen lassen konnte, mußte das entstandene Feuer gelöscht werden Damit war die „Coquille“ praktisch wehrlos.
Die vier Schaluppen gaben der Karavelle Feuerschutz, bis sie außerhalb der Reichweite von Hasards Culverinen war, dann aber mußten auch sie sich zurückziehen, denn jetzt rauschte die „Hornet“ auf sie zu, und schon bellten wieder die vorderen Drehbassen auf. Nah, sehr nah, schlugen die Kugeln ins Wasser. Auch Pfeile zischten jetzt heran und tauchten mit fauchenden Lauten in das Wasser.
„Rückzug!“ schrie Pierre Servan, der aufrecht in der einen Schaluppe stand. Bauduc winkte von dem Nachbarboot zurück und gab somit zu verstehen, daß er keine Einwände hatte. Es galt jetzt, das nackte Leben zu retten. Grammont würde wieder fuchsteufelswild werden, doch das mußten sie über sich ergehen lassen. Immerhin trug ja auch Grammont einen großen Teil der Schuld daran, daß das Unternehmen nicht mit einem vollen Erfolg geendet hatte. Dies mußte er sich selbst vor Augen halten, er konnte nicht nur über Servan, Bauduc und Saint-Jacques herfallen.
In der Gewißheit, daß die „Hornet“ eher der „Fidelity“ zu Hilfe eilen würde, statt sie zu verfolgen, schlossen die Männer in den Schaluppen sich also der „Coquille“ an und folgten ihr in ihrem Kielwasser. Saint-Jacques nahm westlichen Kurs. Die Distanz zwischen der Karavelle und der „Louise“ schrumpfte ziemlich rasch zusammen.
Der Seewolf und seine Männer mußten sich tatsächlich schleunigst um die „Fidelity“ kümmern, denn dort war Feuer ausgebrochen, und es herrschte ein unbeschreiblicher Zustand. Easton Terry schien mit der Lage nicht fertig zu werden. Hasard vermochte auch seine Stimme aus dem Geschrei, das von der Galeone herüberschallte, nicht herauszuhören Was war los? Wo blieb hier die Überlegenheit, die Terry ihm, Hasard, gegenüber immer wieder zu beweisen versucht hatte?
Krankhafte Selbstüberschätzung, Überheblichkeit, Zynismus – all das gehörte zu Easton Terrys Charaktereigenschaften. Andererseits aber hatte er auch gezeigt, daß er ein guter Kämpfer war. Deshalb konnte sich Hasard das Chaos an Bord der „Fidelity“ nicht ganz erklären. Es hätte Terry auf jeden Fall gelingen müssen, die Disziplin wiederherzustellen.
„Wir gehen längsseits!“ rief der Seewolf.
Die „Hornet“ glitt auf die schwelende „Fidelity“ zu. Ganz ungefährlich war das nicht, im Gegenteil. Schon drohten die Flammen auf dem Schiff der Verbündeten auf die Munitionskammern überzugreifen.
Hasard preßte die Lippen zusammen, eilte zum Schanzkleid und bereitete sich aufs Überentern vor. Bevor es soweit war, warf er noch einen letzten Blick zurück zum Feind.
Die Endphase des Gefechts war ausgeblieben, auch die „Louise“ brauchte dringend den Beistand ihrer Mitstreiter. Wie ein todwunder Schwan segelte sie im fallenden Licht der Dämmerung auf die Küste zu. Die „Coquille“ und die Schaluppen hatten sie fast eingeholt und schickten sich an, sie schützend in die Mitte zu nehmen.
Hitze und beißender Brandgeruch schlugen dem Seewolf von der „Fidelity“ entgegen. Er wandte wieder den Kopf und sah das Schiff unmittelbar neben der „Hornet“ liegen.
„Ben!“ schrie er. „Du übernimmst das Kommando!“
„Aye, Sir!“ rief Ben Brighton vom Achterdeck zurück.
Dann sprang der Seewolf auf die Handleiste des Schanzkleides und setzte zur „Fidelity“ hinüber. Ferris Tucker, Carberry, Blacky, Finnegan, Rogers und all die anderen von der Crew, die sich schon hinter ihm gruppiert hatten, folgten ihm, ohne zu zögern.
George Baxter, der Profos der „Fidelity“, brüllte herum, doch keiner schien ihn zu beachten. Jerry Reeves, Hoback, Stoker und Mulligan taten, was sie konnten, um die Ordnung halbwegs wiederzuerlangen, doch jede Bemühung in dieser Richtung schien vergeblich zu sein.
Fluchend und brüllend liefen die Männer durcheinander, es herrschte Zustand. In der Kuhl lagen zwei Tote und ein halbes Dutzend verwundete Männer, die bewußtlos waren. Das Beiboot war zerschmettert. Die Spieren der drei bis zu den Marsen hin abrasierten Masten hatten sich im Deck verkeilt, einige waren sogar hindurchgeschossen und ragten wie Äste eines Baumes aus den Decksplanken. Kein Mensch kümmerte sich mehr um die Geschütze, alles war ein einziges schreiendes Durcheinander, in dem nicht einmal das Löschen der Feuer mit dem richtigen Eifer betrieben wurde.
Die Crew der „Fidelity“ war eine Meute ohne Anführer. Easton Terry war von Bord verschwunden, keiner hatte ihn mehr gesehen, seit er von einem durch die Luft wirbelnden Trümmerstück getroffen worden war. Dies war der Grund für die allgemeine Kopflosigkeit, schlimmer hätte es nicht kommen können. Die Panik wuchs von Augenblick zu Augenblick, die „Fidelity“ schien dem Untergang geweiht zu sein.
Dennoch zögerten Baxter und Reeves, das Schiff aufzugeben. Verbissen und verzweifelt zugleich kämpften sie selbst gegen den Brand an und versuchten zu retten, was zu retten war. Es ging so turbulent zu, daß sie das Nahen der „Hornet“ kaum bemerkten. Als Hasard zwischen ihnen auftauchte, hielten sie ihn fast für einen Gegner, der durch eine neue Teufelei des Schicksals an Bord gelangt war, und Baxter wollte schon zur Waffe greifen. Mit Reeves zusammen fuhr er zum Seewolf herum.
„Ruhig bleiben“, sagte Hasard aber sofort, und da erkannten sie ihn trotz der Rauchschwaden, die alles einhüllten. „Wir schaffen das schon!“
„Mister Killigrew!“ brüllte Baxter. „Diesmal sind wir erledigt! Die Franzmänner haben uns ein Ding zuviel verpaßt! Der Himmel steh uns bei!“
„Kommen Sie mit, Baxter!“ rief Hasard ihm zu. „Wir müssen die Munitionsräume abschirmen und schützen! Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren! Ferris, Ed!“
„Sir?“ schrien der rothaarige Schiffszimmermann und der Profos der „Hornet“ gleichzeitig.
„Helft, die Verletzten zu bergen! Rüber mit ihnen zur ‚Hornet‘, solange es hier noch brennt! Kippt Wasser und Sand in die Flammen!“
„Aye, Sir!“ schrien Ferris und Ed, dann teilten sie die anderen Männer entsprechend ein.
Hasard hetzte zum Vorschiff und kämpfte sich durch Feuer und Rauch bis ins offene Schott durch. Baxter folgte ihm auf dem Fuß, Reeves hatte sich ihnen angeschlossen und traf jetzt auch ein.
Wo die Munitionsdepots lagen, wußte Hasard, denn er hatte sich vor dem. Verlassen von Plymouth nicht nur eingehend mit der Konstruktion der „Hornet“, sondern auch mit der „Fidelity“ beschäftigt. Er versuchte jetzt, durch den Gang, der vom Schott zum Logis führte, den Niedergang zu erreichen, der auf das Unterdeck mündete, doch der Rauch ließ ihn nach den ersten Schritten stoppen. Er mußte husten, und die Luft wurde ihm knapp. Flammen, die ihm gierig entgegenleckten, griffen nach seinen Beinen.
„Sand!“ stieß er hervor, als er Baxter dicht hinter sich bemerkte. „Und haltet euch was vor den Mund!“
„Aye,