Seewölfe - Piraten der Weltmeere 567. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 567 - Burt Frederick


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es sich um ein ehemaliges Kriegsschiff, das um den größten Teil seiner Armierung erleichtert worden war und nun zivilen Zwecken diente. Soweit Ben auf die Entfernung Konstruktionsmerkmale einstufen konnte, mußte es sich um ein spanisches oder ein italienisches Schiff handeln.

      Genauere Einzelheiten ließen sich noch nicht erkennen. Er ließ das Spektiv sinken. Die Entfernung zu dem hellerleuchteten Zweimaster schätzte er auf eine knappe Seemeile. Bei der hohen Fahrt, die die Dubas lief, verringerte sich die Distanz jedoch zusehends.

      Ben Brighton wandte sich nach vorn. „Luke!“

      „Sir?“ Luke Morgan, der als Deckswache eingeteilt war und von der Back aus den Lichtschein beobachtet hatte, drehte sich um.

      „Alle Mann an Deck! Segel wegnehmen und Treibanker ausbringen!“

      „Aye, aye, Sir.“ Luke wiederholte den Befehl und stürmte dann in die Unterdecksräume, um die Arwenacks aus den Kojen zu holen.

      In den Achterdeckskammern waren Hasard und die anderen bereits wach geworden. Es lag an diesem Gespür für besondere Ereignisse an Bord. Es riß sie aus dem tiefsten Schlaf, wenn etwas geschah, was nicht zum gewohnten Ablauf der Bordroutine gehörte.

      Auf dem Hauptdeck führten die Männer die Befehle des Ersten Offiziers aus.

      Der Seewolf wirkte so frisch und ausgeruht, als hätte er bereits die ganze Nacht hinter sich. Ben Brighton informierte ihn mit wenigen Worten.

      Alle weiteren Einzelheiten waren mittlerweile durch die Spektive deutlich genug sichtbar.

      An Bord der Karavelle reparierten sie Sturmschäden. Sie mußten es damit so eilig haben, daß sie auch die Nachtstunden für die Arbeit nutzten. Auch der Namenszug ließ sich jetzt entziffern. Die Karavelle hieß „Aurora“. Sowohl im Spanischen als auch im Italienischen bedeutete das Wort „Morgenröte“.

      Hasard hatte der Entscheidung seines Ersten Offiziers sofort zugestimmt. Als die Dubas schließlich etwa hundert Yards von der „Aurora“ entfernt vor Treibanker lag, ließ der Seewolf das Beiboot fieren. Gemeinsam mit Dan O’Flynn, Don Juan de Alcazar und Ferris Tucker pullte er hinüber.

      Sie erreichten den Lichtschein. Das Hämmern und Sägen hatte aufgehört. Die Männer an Bord arbeiteten mit nacktem Oberkörper. Sie waren schweißüberströmt. Der Sturm, in den sie geraten waren, hatte die „Aurora“ kräftig gerupft.

      „Bitten, an Bord kommen zu dürfen!“ rief Don Juan auf Spanisch.

      „Wir empfangen Sie mit großer Freude, Señores!“ antwortete einer der Männer an der Steuerbordverschanzung.

      Wie sich wenig später herausstellte, war er der Kapitän der „Aurora“. Er stellte sich als Edmundo Rojo vor. Ein Mann in den besten Jahren. An seinem gestählten Körper gab es allem Anschein nach kein einziges Gramm überschüssigen Fetts. Mit seinem nackten, muskelbepackten Oberkörper hatte er gearbeitet wie alle anderen Männer an Deck auch.

      Bekleidet war er mit Stulpenstiefeln und einer Pluderhose, die von einem breiten Ledergurt gehalten wurde. Sein eckiger Schädel war von schwarzem Haar bedeckt, der Oberlippenbart verlieh seinem Gesicht zusammen mit den grauen Augen etwas Kaltes und Unnahbares. Wenn er diese Eigenschaft zu spüren schien, so versuchte er zumindest, sie durch übermäßige Höflichkeit auszugleichen.

      Edmundo Rojo führte seine Gäste in die Kapitänskammer des Schiffs und forderte sie auf, sich zu setzen.

      „Sie sind kein Spanier?“ fragte Philip Hasard Killigrew.

      Rojo kehrte mit einem großem Weinkrug von einem Schapp zurück. Er stellte den Krug auf den Tisch und wollte dem Seewolf antworten. Doch das Geräusch des sich öffnenden Schotts hielt ihn davon ab.

      Die Männer, die mit einem Crewmitglied gerechnet hatten, zogen überrascht die Brauen hoch.

      Was da vorsichtig und mit fragender Miene eintrat, war eine junge Frau von ungewöhnlicher Schönheit. Das schwarze Haar trug sie in sehr kurzem Schnitt, was jedoch ihre feingezeichnete Gesichtsform wirkungsvoll unterstrich. Ihre Augen waren dunkel und voller Glut, doch allein die Offenheit ihrer Miene ließ erkennen, daß sie alles andere als ein männerverschlingendes Weib war.

      Dan O’Flynn spürte den Blick aus diesen Glutaugen und hatte den Eindruck, das da etwas mehr war als nur Interesse oder Neugier. Bildete er sich das vielleicht nur ein?

      Sie war hinreißend, eine von jenen Frauen, für die ein Mann jede Dummheit begehen konnte. Dan erwiderte ihren Blick mit einem Lächeln, und es freute ihn, ihr leichtes Erröten zu bemerken, das ganz und gar nicht gespielt war.

      „Ich bitte um Verzeihung, wenn ich störe“, sagte sie mit einer Stimme, die wie dunkler Samt war. „Aber bei dem Lärm an Bord kann man sowieso nicht schlafen. Also, dachte ich mir, kann ich ebensogut ein wenig zur Hand gehen.“

      „Meine Tochter Cara“, sagte Edmundo Rojo stolz und fügte hinzu, indem er sich ihr zuwandte: „Die Señores sind Engländer, bis auf jenen Señor“, er wies mit einer angedeuteten Verneigung auf Don Juan, „der aus Spanien stammt.“

      Die Männer standen auf, reichten Cara die Hand und stellten sich vor. Abermals spürte Dan ihren Blick mit besonderer Intensität, und er hatte den Eindruck, daß die sanfte Wärme ihres Händedrucks ein wenig länger anhielt, als man es bei einer normalen Begrüßung für angemessen halten konnte.

      „Serviere uns bitte den Wein“, sagte Edmundo Rojo und setzte sich an das freie Kopfende des Tisches.

      „Aber gern“, entgegnete Cara und fügte lächelnd und mit leisem Vorwurf hinzu: „Hast du deinen Gästen kein Brot angeboten, Vater?“

      Er schlug die Hände gegeneinander. „Du liebe Güte! Wie konnte ich vergessen, daß wir eine junge Dame an Bord haben, die in der Kombüse für Außergewöhnliches sorgt! Cara versorgt uns jeden zweiten oder dritten Tag mit frischem Brot. Alle Männer an Bord werden verwöhnt.“

      Cara brachte kristallene Gläser und dann eine große Holzplatte mit in Scheiben geschnittenem frischem Brot. Es war weiß und knusprig. Die Männer probierten es, während Cara Wein einschenkte. Das Brot hatte einen herzhaften Geschmack.

      „Phantastisch!“ rief Dan O’Flynn begeistert.

      „Ich habe es heute morgen frisch gebacken“, sagte Cara leise.

      Dan suchte ihren Blick. „Jeder Mann an Bord dieses Schiffes ist zu beneiden.“

      „Ich bin sicher, mein Vater würde die Mannschaft um ein neues Mitglied erweitern“, erwiderte sie schlagfertig.

      Die Männer lachten. Edmundo Rojo hob sein Glas und prostete den Gästen zu. Cara setzte sich auf den freien Stuhl, bereit, nachzuschenken, sobald ein Glas leergetrunken war.

      „Ich habe Ihre Frage nicht beantwortet“, sagte Rojo und blickte den Seewolf an. „Ihr Spanisch ist perfekt und ohne Akzent, Señor Killigrew. Es erstaunt mich daher nicht, daß Ihnen meine Aussprache sofort aufgefallen ist.“

      „Vielleicht täusche ich mich auch“, entgegnete Hasard. „Señor de Alcazar ist in jedem Fall der kompetentere Mann. Ich kann unmöglich alle Dialekte des kastilischen Spanisch auseinanderhalten.“

      „Ich glaube, du liegst mit deiner Vermutung schon ziemlich richtig“, sagte Don Juan. „Ich würde bei Señor Rojo auch annehmen, daß er zumindest nicht vom spanischen Mutterland stammt.“

      „So ist es, Señores“, sagte der Kapitän der „Aurora“ und stellte sein Glas ab. „Ich will mich nicht unnötig interessant machen, und wir sollten schnell das Thema wechseln. Cara und ich stammen aus Sizilien. Allerdings waren unsere Vorfahren ausnahmslos Spanier, die sich dort niederließen.“

      „Wir sind vor der türkischen Küste in einen bösen Sturm geraten“, sagte Cara. „Deshalb sind Sie ja auch auf uns aufmerksam geworden, Señores. Wann begegnet man schon einem Schiff, auf dem noch bei Nacht gearbeitet wird.“

      „Vor allem hatten wir großes Glück, daß wir nicht auf Legerwall gedrückt wurden“,


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